Wenn Unternehmen einen Standort schließen oder Beschäftigte aus anderen Gründen an einem anderen Arbeitsort einsetzen müssen, taucht seit einigen Jahren immer wieder dieselbe Frage auf: Müssen Beschäftigte zur Vermeidung eines Umzugs das Angebot erhalten, zukünftig aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten? Könnte ein mögliches Homeoffice also einer Änderungskündigung zur Änderung des Arbeitsorts entgegenstehen? Was noch vor einigen Jahren angesichts der weit überwiegenden Bürotätigkeit als Problem nicht präsent war, ist seit der massiven Zunahme von Homeofficeangeboten im Zuge der Corona-Pandemie eine kritische Rechtsfrage. Mit dem LAG Baden-Württemberg hat sich nun wieder einmal ein Gericht positioniert. Es hält Homeoffice-Angebote grundsätzlich nicht für ein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung zur Änderung des Arbeitsortes.
Worum ging es in der Entscheidung?
In der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 4. November 2024 (Az.: 9 Sa 42/24) hatte ein Unternehmen beschlossen, seinen Standort in R. aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Den betroffenen Beschäftigten hatte es eine Änderungskündigung ausgesprochen, mit der es eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „zu ansonsten unveränderten Konditionen am Dienstsitz D.“ anbot– 240 km entfernt vom bisherigen Standort. Offen blieb, ob der Kläger, der für den Standort R. eingestellt worden war und zuvor schon ohne dahingehende Vereinbarung teilweise im Homeoffice gearbeitet hatte, auch weiterhin teilweise im Homeoffice tätig sein könne. Der Kläger erwiderte, dass er die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt annehme, dass diese nicht sozial ungerechtfertigt sei und er seine „Tätigkeit von zuhause aus ausüben“ könne. Bei Bedarf werde er aber monatlich gegen Fahrkostenerstattung in D. erscheinen. Das Unternehmen wiederum argumentierte, dass seine Tätigkeit eine vollständige Durchführung im Homeoffice nicht zulasse und dass organisatorische sowie wirtschaftliche Aspekte dagegen sprächen.
„Ja, aber“ ist kein „Ja“
Zunächst stellte das LAG Baden-Württemberg fest, dass der Kläger das Änderungsangebot abgelehnt habe. Damit handelte es sich bei seiner Klage der Sache nach um eine normale Kündigungsschutzklage. Zwar habe er das Änderungsangebot zulässigerweise unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annehmen dürfen. Da er aber auch erklärt habe, es nur anzunehmen, wenn er seine Tätigkeit von zuhause ausüben könne, habe er es im Ergebnis abgelehnt. Das gelte unabhängig davon, ob er aus Sicht des Unternehmens auch in Zukunft teilweise im Homeoffice tätig werden durfte, denn dem Kläger sei es um ausschließliche Homeoffice-Tätigkeit gegangen.
Erlaubnis zur Tätigkeit im Homeoffice unterliegt unternehmerischer Entscheidungsfreiheit
Zur Frage des Homeoffice als milderes Mittel entschied das LAG Baden-Württemberg, dass das Unternehmen nicht verpflichtet gewesen sei, dem Kläger die vollständige Durchführung seiner Tätigkeit im Homeoffice anzubieten. Ein ausschließlicher Homeofficearbeitsplatz habe auch bisher nicht bestanden und das Unternehmen habe ihn auch nicht schaffen müssen. Es liege in der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Beschäftigten erlaubt werden sollte, Tätigkeiten von zuhause aus zu erbringen.
Das Gericht betonte dabei, dass nach derzeitiger Rechtslage ein Anspruch auf Homeoffice nur in seltenen Ausnahmefällen bestehe. Dies sei der Fall, wenn das Ermessen des Arbeitgebers, gemäß § 106 Satz 1 GewO den Arbeitsort zu bestimmen, nur das Homeoffice als einzige ermessensfehlerfreie Organisationsentscheidung zulasse (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Derartige Ausnahmekonstellationen seien für die Fallgruppen der leidensgerechten Beschäftigung, eines erheblichen Krankheitsrisikos im Betrieb oder familiäre Notsituationen denkbar. Derartiges hatte der Kläger nicht vorgebracht.
Dort, wo Beschäftigte allerdings bereits aufgrund vertraglicher Vereinbarung im Homeoffice tätig sind und dies nach einer Reorganisation nicht mehr funktionieren soll, müssten Unternehmen erklären können (Missbrauchskontrolle), weshalb dies bei einer Verlagerung der Betriebsstätte nicht mehr möglich sei.
Steht jetzt fest, dass Homeoffice nicht angeboten werden muss?
Das letzte Wort zum Thema dürfte auch mit dieser Entscheidung noch nicht gesprochen sein. Zum einen nicht, weil es häufig Ausnahmeregelungen gibt, die eine andere Rechtslage begründen können, etwa wenn ein Interessenausgleich besondere Prüfpflichten im Hinblick auf Homeofficearbeit vorgibt (hierzu BAG vom 2. März 2006 – 2 AZR 64/05). Zum anderen aber auch, weil die Sicht der Gerichte auf Homeoffice als mildere Alternative zur Änderungskündigung bisher nicht einheitlich ist. Bereits im Februar 2021 – damals noch unter dem Eindruck der anhaltenden Corona-Infektionslage – hatten wir von einer Entscheidung des ArbG Berlin berichtet (Schließlich gibt’s Homeoffice: Änderungskündigung zwecks Versetzung an anderen Ort unwirksam? – Kliemt.blog), das zum gegenteiligen Ergebnis gekommen war. In einer Einzelfallentscheidung vom 10. August 2020 (Az.: 19 Ca 13189/19) hatte das ArbG Berlin einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes eine Absage erteilt, weil die betroffene Mitarbeiterin ihre Arbeit bei den vorhandenen technischen Voraussetzungen ebenso aus dem Homeoffice in Berlin hätte verrichten können.
Konsequent hat das LAG Baden-Württemberg daher dieser entscheidungserheblichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Revision zugelassen. Klägerseitig wurde die Revision beim BAG bereits unter dem Az.: 2 AZR 302/24 eingelegt.
Fazit
Zu hoffen ist, dass das BAG zeitnah klare Spielregeln für den Umgang mit Homeoffice bei Änderungskündigungen aufstellt. Denn die derzeitige Situation ist auch nicht im Sinne der Beschäftigten. Viele Arbeitgeber halten sich mit dem Angebot von (teilweisem) Homeoffice auch deshalb zurück, weil sie fürchten, es könne sich später für sie rächen. Bis zu einer finalen Klärung durch das BAG sollten Unternehmen bei Reorganisationsentscheidungen mit Bezug zum Arbeitsort das Thema Homeoffice sorgfältig prüfen. In manchen Fällen mag das Homeoffice auch aus Unternehmenssicht eine gute Alternative sein, z.B. wenn der letzte verbleibende Standort in Deutschland geschlossen wird und nur noch einzelne Vertriebstätigkeiten erfolgen. In allen anderen Fällen sollten Unternehmen stets vorsorglich auch betriebliche Argumente gegen eine Ausweitung von Homeoffice vorhalten. Für die gerichtliche Klärung hat das LAG Baden-Württemberg eine weitere Argumentationshilfe geschaffen, um die unternehmerische Organisationsfreiheit zu verteidigen.