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Fallstricke bei der Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

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In unserem Blogbeitrag vom 26. März 2024 haben wir über das Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 18. Oktober 2023 – Az. 3 Sa 81/23 zur Verhältnismäßigkeit der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis berichtet. Das LAG hat in seinem Urteil die Revision zum BAG zugelassen, weshalb dieses nun den Fall in seinem Urteil vom 5. Dezember 2024 (Az. 2 AZR 275/23) zu entscheiden hatte. Anlass für uns, einen Blick sowohl auf die Probezeit als solches als auch auf die Befristung von Arbeitsverträgen zu werfen.

Worum ging es in dem Fall?

Der klagende Arbeitnehmer war bei einem Autohaus ab dem 1. September 2022 als Serviceberater und Kfz-Meister angestellt. Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag eine Einstellung zur Probe bis zum 28. Februar 2023. Das Probearbeitsverhältnis sollte nach der Vereinbarung enden, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Das Arbeitsverhältnis sollte zudem während der Probezeit mit einer Frist von zwei Wochen schriftlich gekündigt werden können.

Ende Oktober 2022 kündigte das Autohaus dem Arbeitnehmer mit einer Frist von zwei Wochen. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage mit der Begründung, dass in dem befristeten Arbeitsvertrag keine (wirksame) Kündigungsmöglichkeit vereinbart worden sei. Zudem sei keine (wirksame) Probezeit vereinbart worden, diese hätte im Übrigen wegen § 15 Abs. 3 TzBfG maximal zwei Monate betragen dürfen.

Zwischen den Parteien war insbesondere streitig, ob und mit welcher Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt werden konnte.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen

Nachdem das Arbeitsgericht Lübeck die Kündigung für wirksam erachtet hatte, wies auch das LAG Schleswig-Holstein die dagegen eingelegte Berufung des Arbeitnehmers als unbegründet zurück. Auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen könne grundsätzlich eine Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB vereinbart werden. Das Arbeitsverhältnis habe somit mit der zweiwöchigen Kündigungsfrist gekündigt werden können. Weiter konstatierte das LAG: Eine Probezeit, welche die Hälfte der Befristungsdauer umfasse, sei pauschal angemessen. Das Urteil des LAG Schleswig-Holstein sowie Details zur Verlängerung einer Probezeit haben wir bereits in unserem Blogbeitrag vom 26. März 2024 besprochen.

Das aktuelle Urteil des BAG

Das BAG war jedoch insbesondere im Hinblick auf die maßgebliche Kündigungsfrist anderer Auffassung. Aber der Reihe nach: Nach dem BAG ist die vereinbarte Probezeit von sechs Monaten unverhältnismäßig i.S.v. § 15 Abs. 3 TzBfG und damit unwirksam. Ende das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung, dürfe eine vereinbarte Probezeit jedenfalls ohne Hinzutreten von besonderen Umständen nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen. Aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 TzBfG ergebe sich, dass die Probezeitdauer „im Verhältnis“ zur Befristungsdauer stehen müsse, was allein die Auslegung zulasse, dass die Probezeit nur einen Teil der Befristung, nicht aber ihre gesamte Dauer umfassen könne.

Für die Frage, ob bei einer nach § 15 Abs. 3 TzBfG unverhältnismäßigen Probezeitvereinbarung das Recht zur ordentlichen Kündigung während der Befristung (§ 15 Abs. 4 TzBfG) insgesamt entfalle oder ob es mit den längeren gesetzlichen oder vertraglichen Fristen ausgeübt werden könne, komme es auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsbedingungen an. Sei neben oder in einer Vereinbarung über die Probezeit eine Abrede über die Kündbarkeit getroffen, bleibe deren Wirksamkeit von der Unwirksamkeit einer unverhältnismäßig langen Probezeit unberührt. Der Arbeitgeber konnte im Ergebnis das befristete Arbeitsverhältnis zwar ordentlich kündigen (das BAG bejahte eine „sprachlich und inhaltlich unabhängige Abrede über die Kündbarkeit während der Befristung“), jedoch nicht mit der 2-Wochen-Frist des § 622 Abs. 3 BGB, sondern mit derjenigen des § 622 Abs. 1 BGB, d.h. mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.

Grundsätzliches zur Probezeit

Grundsätzlich darf eine Probezeit maximal sechs Monate betragen und muss zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Eine Verkürzung der Probezeit ist möglich. Während der Probezeit können beide Seiten das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen. Eine Verkürzung der Zweiwochenfrist ist nur durch Tarifvertrag möglich.

Bei einer vereinbarten Probezeit gilt die Kündigungsfrist von zwei Wochen von Gesetzes wegen (§ 622 Abs. 3 BGB) ohne bestimmten Kündigungstermin. Eine besondere Vereinbarung dieser Frist ist somit nicht erforderlich. Bei der Vertragsgestaltung ist aber darauf zu achten, dass entweder die Regelung der Probezeit um die Angabe der maßgeblichen Kündigungsfrist ergänzt wird oder (in den weiteren Regelungen) deutlich gemacht wird, dass die längeren Kündigungsfristen erst nach Ablauf der Probezeit gelten. Ansonsten gilt nach der Rechtsprechung die Zweiwochenfrist während der Probezeit nicht.

Wichtig ist zudem, dass die Kündigungserklärung der anderen Seite noch in der Probezeit (nachweislich) zugeht. Der Kündigungstermin, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis aufgrund Ablaufs der Kündigungsfrist endet, kann dann auch nach Ende der Probezeit liegen.

Grundsätzliches zur Befristung

Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist in § 14 TzBfG geregelt und ist als Zeitbefristung, also über eine festgelegte Zeitspanne, oder als Zweckbefristung, d.h. bis zur Erreichung eines bestimmten Zwecks, möglich. Einer Befristung können sachliche Gründe zugrunde liegen, sie kann aber – unter bestimmten Voraussetzungen – auch für eine gewisse Zeitspanne sachgrundlos erfolgen.

Dabei ist zu beachten, dass eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren zulässig ist. Innerhalb dieser Zweijahresfrist kann der befristete Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden, solange die Gesamtbefristungsdauer von zwei Jahren nicht überschritten wird. Eine sachgrundlose Befristung ist jedoch nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diese Voraussetzungen sollten in der Praxis dringend beachtet werden, da ansonsten (ungewollt) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen kann.

Die Kombination aus Probezeit und Befristung

Eine Kombination aus Probezeit und Befristung des Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Erprobung des Arbeitnehmers ist möglich. Umfasst die Probezeit jedoch die gesamte Dauer der Befristung, kann sie ihren Zweck, also die Prüfung der Vereinbarkeit von Arbeitnehmer und Stelle, nicht mehr erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn gemäß Vereinbarung bei Ablauf der Probezeit das befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergehen soll. Das BAG lässt sich in dem aktuellen Urteil eine Hintertür offen: Endet das Arbeitsverhältnis durch eine Befristung, darf eine vereinbarte Probezeit jedenfalls ohne Hinzutreten von – vom BAG nicht näher definierten – besonderen Umständen nicht der gesamten Befristungsdauer entsprechen. Nach dem BAG sind folglich Ausnahmefälle möglich.

Praxistipp

Das BAG hat ausdrücklich nicht darüber entschieden, welche Dauer der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis vereinbart werden kann – zur Auswahl stehen u.a. 25% der Befristungsdauer, weniger als sechs Monate oder stets ein halbes Jahr. Deshalb kann Arbeitgebern nur dazu geraten werden, als Probezeit höchstens bis zu 1/3 der Befristungsdauer zu vereinbaren.

Da das BAG für die Wirksamkeit einer Regelung zur ordentlichen Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses bei zugleich unverhältnismäßiger – und damit unwirksamer – Probezeitvereinbarung auf die konkrete Vertragsgestaltung abstellt, ist die sprachlich eindeutige Trennung von Probezeitdauer und Abrede über die Kündbarkeit von hoher Relevanz. Hierauf ist bei der Formulierung der Klauseln im Arbeitsvertrag ein besonderes Augenmerk zu legen.

Dr. Felix Müller

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Felix Müller berät im gesamten individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Beratung bei Restrukturierungen, bei betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten, bei Kündigungsschutzstreitigkeiten, bei Fremdpersonaleinsatz in Unternehmen sowie die Gestaltung von Anstellungsverhältnissen. Darüber hinaus besitzt er besondere Expertise bei grenzüberschreitenden Personaleinsätzen. Felix Müller vertritt unsere Mandanten vor den Arbeitsgerichten in allen Instanzen. Er referiert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen.
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