Nicht selten finden sich in Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern und Vorständen nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die es den Organmitgliedern untersagen, für eine gewisse Zeitspanne nach ihrem Ausscheiden in Konkurrenz zu der Gesellschaft zu treten. Da konkrete gesetzliche Vorgaben zu Inhalt und Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei Organmitgliedern fehlen, sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Insbesondere die Frage, welche Tätigkeiten dem Organ untersagt werden dürfen, war bislang hochumstritten. Möglicherweise hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch – nahezu unbemerkt – eine Klärung herbeigeführt.
Voraussetzungen für ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Arbeitnehmern
Für Arbeitnehmer sind Inhalte und Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbot in § 110 GewO i.V.m. §§ 74 ff. HGB detailliert geregelt. Hiernach ist ein solches Verbot nur verbindlich, wenn es dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des Arbeitgebers dient und die berufliche Weiterentwicklung des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert. Ein wesentliches Prinzip der §§ 74 ff. HGB ist die geltungserhaltende Reduktion. Ist das Wettbewerbsverbot inhaltlich zu weit gefasst, wird es auf das rechtlich zulässige Maß reduziert. Zudem ist die Zahlung einer Karenzentschädigung bei Arbeitnehmern grundsätzlich zwingend.
Unterschiede bei Organmitgliedern
Auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern und Vorständen finden die strengen Regelungen der §§ 74 ff. HGB nach der Rechtsprechung des BGH indes keine oder nur analoge Anwendung. Der BGH begründet dies mit dem fehlenden Schutzbedürfnis von Organmitgliedern und prüft die Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote stattdessen an den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere am Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte (§ 138 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt Sittenwidrigkeit vor, wenn das Verbot nicht dem Schutz eines berechtigten Interesses des Unternehmens dient und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Organmitglieds unbillig erschwert. Eine geltungserhaltende Reduktion findet bei Geschäftsführern nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht statt. Ein zu weit gefasstes Wettbewerbsverbot ist somit insgesamt nichtig. Im Übrigen ist die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit Organmitgliedern nicht zwingend erforderlich.
Strenge inhaltliche Voraussetzungen
In der Vergangenheit haben einige Oberlandesgerichte (OLG) bemerkenswert strenge Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Geschäftsführern gestellt. So vertraten beispielsweise das OLG Hamm (Urteil vom 8. August 2016), das OLG München (Hinweisbeschluss vom 2. August 2018) sowie das OLG Köln (Urteil vom 1. Juni 2023) die Auffassung, Klauseln, die dem Geschäftsführer nach seinem Ausscheiden jegliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagen, seien zu weitgehend und damit nach § 138 BGB nichtig. Denn davon würden auch Tätigkeiten umfasst, die keinen Bezug zum Aufgabenbereich des Geschäftsführers beim Unternehmen, zu seiner relevanten Fachkompetenz oder zu Kunden des Unternehmens aufwiesen. Dementsprechend werde dem Geschäftsführer sogar untersagt, als „Hausmeister“ oder in sonstiger untergeordneter Stellung bei einem Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Dies, obwohl er in einer derartigen Position gar kein wettbewerbsrelevantes Wissen nutzen könne und daher auch kein berechtigtes Interesse des Unternehmens an der Untersagung einer entsprechenden Tätigkeit bestehe.
Deutliche Kritik an der OLG-Rechtsprechung
Die angesprochenen OLG-Entscheidungen sind auf teils heftige Kritik in der Literatur gestoßen. Zum einen wird zu Recht eingewandt, dass sich bei Abschluss der Wettbewerbsabrede in der Regel kaum überblicken lässt, welche Tätigkeiten für die Gesellschaft nach dem Ausscheiden „ungefährlich“ sein werden. Es sei daher schlicht unmöglich, sämtliche Eventualitäten im Verbot abzubilden, sodass sich erhebliche Schutzlücken für die berechtigten Interessen der Gesellschaft ergäben. Zum anderen sei die Annahme, ein Geschäftsführer würde bei einem Wettbewerber als Hausmeister oder in sonstigen untergeordneten Positionen tätig, völlig realitätsfern. Nur aufgrund dieser rein theoretischen Konstellation könne das berechtigte Interesse der Gesellschaft an dem umfassenden Wettbewerbsverbot nicht abgelehnt werden. Schließlich wird kritisiert, dass die Rechtsprechung zu einem deutlichen höheren Schutzniveau von Organmitgliedern im Vergleich zu Arbeitnehmern führe. Denn während ein zu weitgehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Arbeitnehmern auf das noch zulässige Maß zurückgeführt werde, führe es bei Organmitgliedern zu einer vollständigen Unwirksamkeit (und damit letztlich zu einem Freiwerden des Organmitglieds von jeglicher Wettbewerbsenthaltung).
Kehrtwende durch den BGH?
Ein Urteil des BGH vom 23. April 2024 (Az.: II ZR 99/22) kann durchaus als Abkehr von der strengen Auffassung der genannten OLGs aufgefasst werden. Zwar befasste sich der BGH in dem Urteil primär mit dem rückwirkenden Wegfall der Karenzentschädigung im Falle eines Verstoßes des Geschäftsführers gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Da die Parteien um die Zahlung der Karenzentschädigung stritten, musste der BGH jedoch (zumindest inzident) die Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots prüfen. Denn wäre dieses (z.B. wegen Sittenwidrigkeit) nichtig gewesen, hätte es keine Grundlage für die Zahlung der Karenzentschädigung gegeben.
Interessant war nun, dass das streitgegenständliche Wettbewerbsverbot augenscheinlich jegliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagte und nach der obengenannten Rechtsprechung der OLGs damit unwirksam gewesen wäre. Der BGH hatte an der Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots indes keinerlei Zweifel und stellte diese mit einem knappen Satz fest. Mit der anderslautenden Rechtsprechung der OLGs setzte er sich (leider) nicht auseinander. Gleichwohl kann das Urteil des BGH nach unserem Dafürhalten nur so interpretiert werden, dass den strengen Anforderungen der OLGs an die Ausgestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern vom BGH eine Absage erteilt wurde. Insbesondere sieht der BGH offenbar keine Notwendigkeit, Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszunehmen, die das Organmitglied selbst bei einem Wettbewerber noch zulässigerweise ausüben darf. Überdies stellt der BGH noch einmal unmissverständlich klar, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied regelmäßig keiner Karenzentschädigung bedarf.
Fazit
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern bergen hohe Risiken und sind ausgesprochen konfliktträchtig. Auch wenn der BGH der mitunter allzu strengen Rechtsprechung mancher Oberlandesgerichte nunmehr eine Absage erteilt hat, gilt weiterhin: Unternehmen sind gut beraten, ihre nachvertraglichen Wettbewerbsverbote mit großer Sorgfalt zu formulieren, um im Trennungsfall böse Überraschungen zu vermeiden. Bestehende nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollten mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden.