open search
close
Compliance Datenschutz Digitalisierung Neueste Beiträge

Compliance und Datenschutz – der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch in der betrieblichen Praxis

Print Friendly, PDF & Email

Datenschutzrechtliche Fragen zum sogenannten „Recht auf Vergessenwerden“ gewinnen auch für die betriebliche Praxis zunehmend an Bedeutung. So werden vom Bewerbungsprozess bis hin zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis notwendigerweise eine Vielzahl an personenbezogenen Daten gesammelt. Wie mit dieser Datensammlung umgegangen werden muss und welche Risiken es aus der Sicht von Arbeitgebern zu beachten gilt, soll der nachfolgende Beitrag aufzeigen.

1. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO

Nach Art. 15 DS-GVO steht der von der Datenerhebung betroffenen Person ein Auskunftsrecht über die (potenzielle) Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch den Verantwortlichen zu. In Betracht kommt ein solches Auskunftsbegehren zwar auch von Arbeitnehmern innerhalb eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, praktisch bedeutsam ist ein Auskunftsverlangen jedoch im Konfliktfall – etwa bei abgelehnten Bewerbern oder gekündigten Arbeitnehmern.

Die Bearbeitung derartiger Auskunftsansprüche bedeuten mitunter einen erheblichen Aufwand. Zum praxisnahen Umgang mit solchen Auskunftsansprüchen haben wir bereits in früheren Beiträgen berichtet (siehe „Auskunft, sonst Schadensersatz!“ – Handlungsoptionen für Arbeitgeber bei Auskunftsansprüchen).

2. Der Löschungsanspruch nach Art. 17 DS-GVO

In unserer Beratungspraxis immer häufiger anzutreffen ist inzwischen auch die Geltendmachung des datenschutzrechtlichen Löschanspruchs. Der Verantwortliche, d.h. in unserem Fall der Arbeitgeber, ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn einer der in Art. 17 Abs. 1 lit. a bis lit. f DS-GVO genannten Gründe zutrifft. Besonders praxisrelevant ist in diesem Zusammenhang die Situation, dass die Datenverarbeitung für die ursprünglich vorgesehenen Zwecke nicht mehr erforderlich ist (lit a.). Etwa nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Ausnahme von der Löschungspflicht besteht, wenn die Daten weiterhin zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich sind. Dies kommt vor allem bei möglichen AGG-Ansprüchen abgelehnter Bewerber und im Kündigungsschutzprozess ausgeschiedener Arbeitnehmer in Betracht.

Auch hier sollten Arbeitgeber einige Grundsätze beachten:

  • Solange ein berechtigtes Interesse an einer Aufbewahrung besteht, können Daten aufbewahrt werden. In der betrieblichen Praxis besonders relevant zur Begründung dieses Interesses sind gesetzliche Aufbewahrungspflichten. Hier sind insbesondere solche im Zusammenhang mit der Lohnabrechnung zu nennen ( 147 AO; regelmäßig 6 bzw. 10 Jahre). Auch aus der Klärung etwaiger Ansprüche von Arbeitnehmern kann sich ein berechtigtes Interesse einer Aufbewahrung ergeben. Hier ist insbesondere die allgemeine Verjährung relevant (§ 195 BGB; drei Jahre), die eine Vielzahl möglicher Ansprüche betrifft. Angefangen von Vergütungsansprüchen bis hin zum Zeugnisanspruch. Aber auch besondere Verjährungsregeln sind zu beachten, wie etwa im Zusammenhang mit einer betrieblichen Altersversorgung (§ 18a BetrAVG; 30 Jahre).
  • Gemäß Art. 17 Abs. 2 DSGVO, als Ausdruck des sog. „Recht auf Vergessenwerdens“, muss der Arbeitgeber, wenn er personenbezogene Daten beispielsweise auf der Unternehmenswebsite öffentlich gemacht hat, angemessene Maßnahmen treffen, um deren Löschung auch bei anderen zu erreichen. Hierzu können Konzerngesellschaften des Arbeitgebers zählen, die er dann über die erforderliche Löschung zu informieren hat.
  • Ein gesonderter Nachweis über die erfolgte Löschung ist nicht erforderlich, ausreichend ist vielmehr eine Unterrichtung der betroffenen Person. Dies ist eine erhebliche Erleichterung für Arbeitgeber.
  • Insbesondere Bewerberdaten sind nach einer Absage regelmäßig zu löschen, da es keine Notwendigkeit und kein entsprechendes Einverständnis bezüglich einer längerfristigen Aufbewahrung gibt.
  • Ob eine Löschung aller Daten aus dem aktiven System ausreichend ist, oder Arbeitgeber darüber hinaus verpflichtet sind sämtliche Back-ups und Sicherungskopien auf mögliche Datenerhebungen zu überprüfen, ist bislang nicht geklärt. Hier besteht ein gewisser Widerspruch, wenn einerseits die Löschung verlangt wird, der Arbeitgeber als Verantwortlicher nach der DSGVO andererseits Back-Ups als Teil der technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs) vorzuhalten hat. Mit Blick auf die jeweilige Schutzrichtung von Löschung und Back-Up meinen wir, es ist vertretbar, Daten im Back-Up jedenfalls dann nicht zu löschen, wenn das Back-Up ausschließlich zur technischen Sicherung für etwaige Systemausfälle verwendet wird. Erforderlich ist dann jedoch auch, dass der Zugriff auf diese Daten entsprechend dem nur noch eingeschränkten Nutzungszweck beschränkt ist.
3. Praxistipp

Ein wesentlicher Baustein, um auf eine Geltendmachung von Löschansprüchen vorbereitet zu sein, ist ein umfassendes Löschkonzept. Ein solches stellt darüber hinaus eine fortlaufende datenschutzrechtliche Compliance sicher. Kommt es dann zu Löschanfragen, können diese mit dem Löschkonzept im Rücken in wesentlichen Unternehmensbereichen (insb. im Bereich der Personalverwaltung und Lohnbuchhaltung) zügig umgesetzt bzw. die bereits ordnungsgemäße Löschung bestätigt werden. Bei der Erstellung eines solchen Löschkonzepts sollten insbesondere gesetzliche Aufbewahrungspflichten hinreichend berücksichtigt werden.

Dieser Beitrag ist mit freundlicher Unterstützung von Sophie Heinz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Frankfurter Büro, entstanden.

Benedict Seiwerth

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Benedict Seiwerth berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Darüber hinaus besitzt er Erfahrung mit der Beratung und Koordination internationaler Projekte, wie etwa Unternehmenstransaktionen und grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
Verwandte Beiträge
Datenschutz Neueste Beiträge Restrukturierung

Transparenz mit Verantwortung: Datenschutzgerechte Einsicht in betriebliche Unterlagen

Wie viel Transparenz schuldet der Arbeitgeber – und wo endet sie mit Blick auf den Datenschutz? Wir beleuchten, wann Arbeitnehmer Einsicht in betriebliche Regelungen wie Namenslisten nehmen dürfen und welche Abwägungen oder Einschränkungen dabei erforderlich sind. Der Schutz personenbezogener Daten spielt in der Arbeitswelt eine große Rolle. Besonders im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der sorgfältige Umgang mit sensiblen Informationen unerlässlich. Arbeitgeber stehen in…
Fair Pay & ESG Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Vergütung

Überall Entgelttransparenz? Neue Risiken auch für „kleine“ Unternehmen

Immer häufiger fordern Mitarbeiter Transparenz beim Gehalt ein. Schützenhilfe leistet ihnen das Entgelttransparenzgesetz, das für Unternehmen ab 200 Mitarbeiter Auskunftsansprüche vorsieht. Ein aktuelles Urteil des LAG Niedersachsen deutet an, dass auch kleinere Unternehmen betroffen sein könnten. Sollte das Bundesarbeitsgericht dies bestätigen, müssen sich auch kleinere Unternehmen auf weitreichendere Verpflichtungen und gegebenenfalls Gehaltsnachzahlungen einstellen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – einfacher gesagt als getan Seit 2017…
Datenschutz Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Prozessrecht

Detektiveinsatz bei zweifelhafter AU: Was müssen Arbeitgeber beachten?

Der Krankenstand in Deutschland erreicht laut Medienberichten immer neue Höchststände. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stellt für viele Arbeitgeber daher einen ernst zu nehmenden Kostenfaktor dar. Im Falle von verdächtigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stellen sich Arbeitgeber die Frage, ob es Reaktionsmöglichkeiten gibt oder ihnen vor allem der Datenschutz einen Strich durch die Rechnung macht. Auch der Einsatz von Privatdetektiven wird in diesem Zusammenhang in Erwägung gezogen, wobei die…
Abonnieren Sie den kostenfreien KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

 

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.