Der Arbeitgeber kann durch die Ausgestaltung einer technischen Überwachungseinrichtung aktiv beeinflussen, welches Betriebsratsgremium bei ihrer Implementierung mitzubestimmen hat. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine sogenannten Ein-Mandanten-Lösung für mehrere Betriebe oder Konzernunternehmen, ist der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zuständig.
Grundsatz
Grundsätzlich obliegt die Mitbestimmung dem lokalen Betriebsrat. Betrifft die Angelegenheit mehrere Betriebe eines Unternehmens, ist nach § 50 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig. Sind mehrere Unternehmen eines Konzerns betroffen, ist gemäß § 54 BetrVG der Konzernbetriebsrat zuständig. Weitere Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats ist jedoch, dass eine betriebs- oder unternehmensübergreifende Regelung zwingend erforderlich ist. Der bloße Wunsch des Arbeitgebers reicht nicht aus, die Zuständigkeit von Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zu begründen.
Ein-Mandanten-Lösung des BAG
Diese Grundsätze gelten auch für die Mitbestimmung bei der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Daher entschied das BAG bereits am 8. März 2022 in einem vielbeachteten Beschluss, dass bei der Wahl einer Ein-Mandanten-Lösung für die unternehmensweite – und damit betriebsübergreifende – Nutzung von Microsoft 365 der Gesamtbetriebsrat zuständig ist. Bei der Ein-Mandanten-Lösung (oder auch „1-Tenant-Lösung“) wird das gesamte Unternehmen (oder der Konzern) bezogen auf die elektronische Datenverarbeitung als einheitlicher Mandant (Tenant) mit einer zentralen Administration geführt. Es erfolgt somit keine getrennte Datenverarbeitung für unterschiedliche Betriebe. Hauptargument für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats war die zentrale Überwachungsmöglichkeit, welche mit der einheitlichen Administration für das gesamte Unternehmen einherging (für Details siehe Blogbeitrag vom 12. Oktober 2022). Hieraus leitete das BAG das zwingende Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung ab.
Das BAG bestätigte diese Rechtsprechung 2024 (Beschl. v. 16. Juli 2024 – 1 ABR 16/23 – zum Instanzenzug siehe Blogbeitrag vom 30. August 2023) und ging sogar noch weiter: Es nimmt an, dass die zentrale Betreuung und Wartung eines IT-Systems selbst dann die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet, wenn die tatsächliche Überwachungsmöglichkeit nur auf der betrieblichen Ebene besteht. Im vorliegenden Fall ging es über die Einführung von Headsets zur Kommunikation zwischen den Verkäufern der Filialen einer Einzelhandelskette. Die Verteilung der Headsets war so ausgestaltet, dass der zentralen IT-Abteilung eine Zuordnung der Metadaten der Headsets zu den einzelnen Beschäftigten nicht möglich war. Die Gespräche selbst konnten weder mitverfolgt werden noch wurden sie aufgezeichnet. Jedoch konnte der direkte Vorgesetzte in der Filiale über sein eigenes Headset die Unterhaltungen der Mitarbeiter mitverfolgen.
Praxistipps
Nach der Rechtsprechung des BAG reicht somit die Möglichkeit einer zentralen Überwachung der Mitarbeiter mehrerer Betriebe aus, um die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu begründen.
Diesen Umstand kann der Arbeitgeber für sich nutzen. Denn durch die richtige Ausgestaltung der technischen Einrichtung kann der Arbeitgeber beeinflussen, welches Betriebsratsgremium für die Mitbestimmung zuständig ist. Bei dieser Entscheidung des Arbeitgebers über die Angelegenheit handelt es sich um eine Vorfrage zur Einführung der technischen Einrichtung, die nicht der Mitbestimmung unterliegt. Das hat das ArbG Bonn – und in der nächsten Instanz das LAG Köln – kürzlich explizit bestätigt.
Das zuständige Gremium muss die Angelegenheit sodann in ihrer Gesamtheit regeln. So begründete im Fall des BAG aus 2024 die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrat für die Software auch seine Zuständigkeit für die Hardware, also die Headsets.
Die Zuständigkeit für andere Mitbestimmungstatbestände, die durch die technische Einrichtung ebenfalls betroffen sein können, ist jedoch gesondert zu prüfen, sodass sich insoweit die Zuständigkeit eines anderen Betriebsratsgremiums ergeben kann. Je nach betroffener technischer Überwachungseinrichtung kommen bspw. die Tatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 7, 12 BetrVG in Betracht.