Jedes Jahr am 8. März ist der Weltfrauentag. Seit einigen Jahren ist dieser Tag in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher Feiertag. Der Weltfrauentag soll darauf aufmerksam machen, dass (insbesondere) Frauen in vielen Lebensbereichen heute wie früher benachteiligt werden. Dass Frauen auch in Arbeitsverhältnissen besonders schutzbedürftig sind, ist unbestritten. Auf die bestehende „Pay Gap“ zwischen Männern und Frauen weist der jährliche „Equal Pay Day“ hin. Der diesjährige „Equal Pay Day“ fand in Deutschland am 7. März 2025 statt und markiert symbolisch, dass Frauen in Deutschland bis zu diesem Datum im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen „umsonst“ gearbeitet haben.
Doch auch wenn im Unternehmen Mitarbeitende jeden Geschlechts gleichbehandelt werden, müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aufpassen. Warum?
Im Zweifel haften sie auch für Diskriminierungen durch Dritte! Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – kurz AGG – enthält in § 12 Abs. 4 folgende Regelung:
„Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.“
Eine Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG ist gegeben, wenn eine Schlechterstellung – unmittelbar oder mittelbar – aus Gründen
- der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft,
- des Geschlechts,
- der Religion oder Weltanschauung,
- einer Behinderung
- des Alters
- oder der sexuellen Identität erfolgt.
Doch was bedeutet das genau, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für Diskriminierungen durch Dritte haften?
Einen plakativen Fall hatte vor Kurzem das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschieden:
Eine angestellte Architektin bekam zur Bearbeitung ein Bauvorhaben einer Bauinteressentin zugewiesen. Nach einer ersten Kontaktaufnahme wandte sich die Bauinteressentin an den (männlichen) Vorgesetzen der Architektin und erklärte, dass sie keine Frau als Beraterin wolle. Der Vorgesetzte zog die Architektin daraufhin von dem Bauvorhaben ab und übernahm dieses selbst. Die Architektin beschwerte sich über die geänderte Zuordnung. Vor Gericht klagte die Architektin gegen ihre Arbeitgeberin auf Schadensersatz wegen entgangener Provisionen aufgrund des Entzugs des Bauvorhabens gem. § 15 Abs. 1 AGG und auf (immaterielle) Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG. Die Parteien einigten sich im Hinblick auf die entgangenen Provisionen. Streitig zur Sache musste indes über die in Höhe von 84.300 € eingeklagte Entschädigung entschieden werden.
Gem. § 15 Abs. 2 AGG besteht ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch, wenn eine Benachteiligung gem. § 7 Abs. 1 AGG gegeben ist. Die Entschädigungszahlung erfüllt dabei eine Doppelfunktion. Sie dient sowohl der vollen Schadenskompensation als auch der Prävention, wobei jeweils der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist Während die erste Instanz die Klage der Architektin noch zurückgewiesen hat, gab das LAG Baden-Württemberg der Architektin dem Grunde nach recht. Die Arbeitgeberin habe die Architektin durch den Entzug des Bauvorhabens unmittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Der Architektin wurde wegen ihres Geschlechts die Chance genommen, durch die Betreuung des Bauvorhabens Provisionen zu verdienen. Auch wenn die primäre Diskriminierung von der Bauinteressentin ausgegangen sei, so habe es die Arbeitgeberin unterlassen geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Architektin vor einer Diskriminierung durch Dritte gemäß § 12 Abs. 4 AGG zu ergreifen.
Doch was hätte die Arbeitgeberin zum Schutz der Architektin tun können?
Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 AGG schreibt keine konkreten Schutzmaßnahmen vor. Klar ist, dass die Reaktionsmöglichkeiten von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern eingeschränkt sind. Gegenüber Kunden bestehen kaum geeignete Druckmittel, die eine Diskriminierung verhindern oder beenden können, außer dass – als ultima ratio – die Geschäftsbeziehung abgebrochen wird. Vor diesem Hintergrund gilt:
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber schulden lediglich zumutbare und verhältnismäßige Bemühungen, um eine Beendigung der Benachteiligung zu erreichen, jedoch keinen Erfolg. Bleibt der Erfolg trotz angemessener Bemühungen aus, sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht haftbar. Zu den Bemühungen gehört einzelfallabhängig, dass mit Geschäftspartnerinnen und -partnern in eine Kommunikation eingetreten werden muss. Anstrengungen zum Ausräumen von Vorbehalten müssen unternommen, Diskriminierungen muss widersprochen werden.
Im konkret entschiedenen Fall hat das LAG Baden-Württemberg gefordert, dass der Vorgesetzte der Architektin die Bauinteressentin von der Eignung und Qualifikation der Architektin zu überzeugen und sie umzustimmen versucht. Entsprechende Versuche hat die Arbeitgeberin indes nicht unternommen.
Auch wenn das LAG Baden-Württemberg deshalb der Klage der Architektin dem Grunde nach stattgegeben hat, dürfte die Architektin mit dem Ergebnis dennoch unzufrieden gewesen sein. Anstatt einer Entschädigungsleistung in Höhe von 84.300 € sprach ihr das Gericht nur 1.500 € zu. Der Diskriminierungsanteil der Arbeitgeberin sei im Vergleich zur Bauinteressentin wesentlich geringer. Um die Arbeitgeberin zukünftig von weiteren Diskriminierungen abzuhalten, sei aus Präventionsgründen in diesem Einzelfall eine Entschädigungszahlung i.H.v. 1.500 € ausreichend. Das LAG Baden-Württemberg hat die Revision zugelassen.
Festzustellen ist, dass die Höhe der vom LAG Baden-Württemberg festgesetzten Entschädigungszahlung im Vergleich zur sonstigen Rechtsprechung in Diskriminierungsfällen vergleichsweise gering ist. Im Regelfall wird eine Entschädigungssumme in Höhe von 1,5 Brutto-Monatsgehältern festgesetzt.
Worauf müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern also achten?
- Mitarbeitende sind nicht nur in der reinen Arbeitsbeziehung – also innerbetrieblich – vor Diskriminierungen zu schützen. Mitarbeitende dürfen weder von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, Kolleginnen und Kollegen noch von Dritten diskriminiert werden!
- Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber treffen Schutzpflichten gegenüber ihren Mitarbeitenden.
- Zu möglichen Schutzmaßnahmen gehören: Meldewege etablieren, Dritte ermahnen und sich vor betroffene Mitarbeitende stellen.
- In Betracht gezogene, umgesetzte oder verworfene Schutzmaßnahmen sind zu dokumentieren, um in einem etwaigen Gerichtsverfahren darlegen zu können, dass aktiv gehandelt wurde.