Die EU-Kommission will ESG-Berichtspflichten für Unternehmen in einer sogenannte Omnibus-Verordnung konsolidieren. Ziel soll sein, den administrativen Aufwand für Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsangaben zu verringern. Dazu will sie sich überschneidende Berichtspflichten vereinheitlichen bzw. sogar abbauen. Das betrifft voraussichtlich insbesondere Pflichten aus der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD), dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) und der EU-Taxonomie-Verordnung. Nicht überall stößt dies auf Beifall.
November 2024: Budapester Erklärung
Im November 2024 fand in Budapest ein Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft statt. Ein Thema war u.a. die Wettbewerbsfähigkeit der EU.
Der Europäische Rat verfasste daraufhin die Budapester Erklärung, in der er zwölf Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit benannte. Demnach brauche es u.a. die „Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand, insbesondere für KMU, drastisch verringert […].“ Man müsse „eine befähigende, auf Vertrauen basierende Denkweise einnehmen, die es Unternehmen ermöglicht, sich ohne übermäßige Regulierung zu entfalten“.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, kündigte die Zusammenfassung verschiedener ESG-Berichtspflichten in einer Omnibus-Verordnung an.
Exkurs – was ist eine Omnibus-Verordnung?
Von einer Omnibus-Verordnung spricht man in der EU-Gesetzgebung, wenn mehrere bestehende Verordnungen oder Richtlinien mit einem einzigen Rechtsakt gleichzeitig angepasst werden.
Januar 2025: Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 29. Januar 2025 den „Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit“. In der zugehörigen Pressemitteilung heißt es, für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sei entscheidend, dass der „Regelungs- und Verwaltungsaufwand drastisch reduziert“ werde. Die Omnibus-Verordnung solle Berichterstattung zur Nachhaltigkeit, die Sorgfaltspflicht und die Taxonomie einfacher gestalten. Ziel sei, den Verwaltungsaufwand um mindestens 25 % und für KMU sogar um mindestens 35 % zu senken.
Es wird erwartet, dass von der Konsolidierung insbesondere die Berichtspflichten aus den folgenden drei Nachhaltigkeitsrechtsakten betroffen sein werden:
- CSRD (kurz für Corporate Sustainability Reporting Directive), Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie. Sie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen. In Deutschland ist sie bisher noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden, obwohl eine Umsetzung bis zum 6. Juli 2024 hätte erfolgen müssen.
- CSDDD (kurz für Corporate Sustainability Due Diligence Directive), auch EU-Lieferkettengesetz Sie verpflichtet Unternehmen, ihre Lieferketten auf nachhaltige Umwelt- und Arbeitspraktiken zu überprüfen (s. auch unseren Beitrag vom 25. März 2024). Die Umsetzung in nationales Recht (bspw. durch Anpassung des bereits existierenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes) muss bis zum 25. Juli 2026 erfolgen.
- EU-Taxonomie-Verordnung: diese Verordnung schafft einen Rahmen, anhand dessen beurteilt werden kann, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig zu bewerten ist. Sie ist seit dem 1. Januar 2022 anzuwenden.
Durch die Anpassung der Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten will die EU-Kommission einen Bürokratieabbau erreichen, der Unternehmen entlastet und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärkt.
Kritik an dem Vorhaben
Das Vorhaben stößt nicht nur auf Beifall.
Über 150 Business und Human Rights Expert:innen haben in einem offenen Brief am 22. Januar 2025 (hier als Download verfügbar) vor negativen Auswirkungen des Omnibus-Verfahrens gewarnt. Wer bereits in Compliance-Prozesse investiert habe, werde durch die geplanten Anpassungen bestraft, während Nachzügler, die sich nicht um die Umsetzung gekümmert hätten, belohnt würden.
Kritik kommt auch von mehreren großen Unternehmen, die die Kommission in einem offenen Brief am 17. Januar 2025 (hier als Download verfügbar) aufgefordert haben, die Gesetzestexte inhaltlich nicht neu zu verhandeln. Zahlreiche Unternehmen hätten bereits erheblichen (finanziellen) Aufwand mit Blick auf die Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen getätigt und müssten sich auf die (Fort-) Geltung der bestehenden Regelungen verlassen können.
Wie geht’s weiter?
Die EU-Kommission soll laut Budapester Erklärung im ersten Halbjahr 2025 konkrete Vorschläge zur Verringerung der Berichtspflichten vorlegen. Bereits heute, am 26. Februar 2025, will die EU-Kommission die geplanten Änderungen der Öffentlichkeit vorstellen.
Im Vorhinein sind schon einzelne Details aus dem Vorschlag der Kommission geleakt worden (s. eine Zusammenfassung und Einordnung bspw. hier). Diese zeigen weitreichende Anpassungen, darunter u.a.:
- CSRD: Anpassung des Geltungsbereichs an den der CSDDD durch Anhebung der Schwellenwerte für Berichtspflichten (> 1.000 Arbeitnehmer:innen und Nettoumsatz von 450 Millionen Euro/Geschäftsjahr); Verzicht auf die Befugnis der Kommission, sektorspezifische Berichtsstandards festzulegen.
- CSDDD: erhebliche Reduktion der Prüfpflichten in Bezug auf Lieferanten; keine Pflicht mehr, Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten ggf. zu beenden, wenn deren Geschäftstätigkeit negative Auswirkungen hat; Abschaffung des EU-weiten Haftungsregimes (Haftung für Verstöße im Rahmen der CSDDD allenfalls noch nach nationalem Recht).
Auch abseits des Leaks gibt es Spekulationen über die geplanten Anpassungen. So rechnen bspw. viele Kommentator:innen damit, dass die Pflichten aus der EU-Taxonomie-Verordnung in ein auf Freiwilligkeit basierendes System übergeleitet werden.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Laut Ursula von der Leyens Ankündigung soll der Kern der bereits bestehenden Regelungen erhalten bleiben. Welche konkreten Anpassungen nicht nur vorgeschlagen, sondern dann auch umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Für Unternehmen ist es daher nicht zu empfehlen, bereits getroffene Vorkehrungen für die Erfüllung von Nachhaltigkeitsberichtspflichten prophylaktisch wieder abzuschaffen.
Vielmehr ist es nun umso wichtiger, die weiteren Entwicklungen zu verfolgen und sich über mögliche Anpassungen informiert zu halten, um rechtzeitig reagieren zu können.