Ein Bewerbungsverfahren birgt für Arbeitgeber zahlreiche rechtliche Fallstricke. Kommt es im Bewerbungsprozess zu einer Diskriminierung, drohen insbesondere Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (nachfolgend: „AGG“). Eine Reihe von Entscheidungen der jüngeren Zeit zur vermeintlichen Altersdiskriminierung zeigen, dass auch fast 20 Jahre nach Einführung des AGG weiterhin Klärungsbedarf besteht. Hinzu kommt, dass die bis spätestens zum 7. Juni 2026 umzusetzende Entgelttransparenzrichtlinie 2023/970/EU – nachfolgend „Richtlinie“ – nicht nur Auswirkungen im Hinblick auf die Vergütung von Mitarbeitern hat. Was diesbezüglich zu tun ist, haben wir bereits in unseren Blogbeiträgen vom 24. April 2024 und 18. September 2024 aufgezeigt. Vielmehr ergeben sich aus der Richtlinie auch zusätzliche Anforderungen für den Bewerbungsprozess. Wir nehmen dies zum Anlass, um im Folgenden die wichtigsten Anforderungen des AGG im Bewerbungsverfahren in Erinnerung zu rufen und auf die Neuerungen hinzuweisen, die durch die Richtlinie entstehen.
Die Grundlagen des diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens
Das AGG zielt darauf ab, Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern. Gerade in Bewerbungsverfahren spielt das AGG deshalb eine gewichtige Rolle. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Stellenausschreibungen, Auswahlverfahren und Vorstellungsgespräche diskriminierungsfrei gestaltet sind. Eine Ungleichbehandlung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn sie z.B. durch eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gerechtfertigt ist.
Stellenausschreibungen: Die rechtlichen Fallstricke beginnen bereits bei der Stellenausschreibung. Diese muss insbesondere geschlechtsneutral formuliert sein und darf keine Altersangaben enthalten, die auf eine bevorzugte Altersgruppe hinweisen. Beispielsweise ist die Formulierung „junge dynamische Verkäuferin“ problematisch, da sie sowohl eine Geschlechts- als auch eine Altersdiskriminierung impliziert.
Neu: Eine entsprechende Verpflichtung auf geschlechtsneutrale Stellenausschreibung und Berufsbezeichnung ergibt sich zukünftig auch aus Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie, sodass ein Verstoß bei entsprechender Umsetzung auch hiernach sanktioniert werden kann.
Vorstellungsgespräche: Insbesondere Fragen nach Familienstand, Schwangerschaft, (Schwer-)Behinderung, Religionszugehörigkeit, Alter, ethnischer Herkunft sowie zur sexuellen Identität, sind grundsätzlich unzulässig.
Neu: Nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie darf der Arbeitgeber Bewerber zukünftig auch nicht mehr nach deren Vergütung in einer laufenden oder einer früheren Beschäftigung fragen.
Neu: Schließlich muss der Arbeitgeber Bewerber zukünftig nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie bereits im Vorfeld von Gehaltsverhandlungen (z.B. in einer veröffentlichten Stellenausschreibung oder der Einladung zum Vorstellungsgespräch) über das Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne informieren sowie gegebenenfalls über die einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags, den der Arbeitgeber in Bezug auf die Stelle anwendet.
Die Beweislast als Dreh- und Angelpunkt im Diskriminierungsprozess
In Diskriminierungsprozessen spielt die Beweislast eine entscheidende Rolle. Nach allgemeinen Grundsätzen muss die anspruchstellende Person, hier also der Bewerber, die Voraussetzungen eines Anspruches darlegen und beweisen. Demgegenüber enthält das AGG eine Umkehr der Beweislast. Das bedeutet, dass die betroffene Person zunächst nur Indizien vorbringen muss, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Wenn diese Indizien glaubhaft gemacht werden, liegt es an der beklagten Partei (z.B. dem Arbeitgeber), zu beweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat. Besondere Bedeutung kommt dabei der Stellenausschreibung zu. Ist diese fehlerhaft, so indiziert dies regelmäßig, dass eine spätere Nichteinstellung infolge einer unzulässigen Benachteiligung erfolgte.
Die Beweislastumkehr soll es den Betroffenen erleichtern, ihre Rechte durchzusetzen, da sie oft nicht über die notwendigen Beweise verfügen, die sich meist im Besitz der anderen Partei befinden. Umgekehrt gelingt es Arbeitgebern häufig nicht, die entsprechende Vermutung zu entkräften. Aus diesem Grund ist es entscheidend, bereits im Vorfeld dafür zu sorgen, dass das Bewerbungsverfahren gänzlich neutral ausgestaltet ist. Dazu gehört zunächst einmal die sorgfältige Stellenausschreibung, aber auch die gründliche Schulung aller beteiligten Mitarbeiter, um Diskriminierungen in jedem Verfahrensstadium zu vermeiden. Zudem sollte der gesamte Bewerbungsprozess dokumentiert werden, um im Falle einer Klage des Bewerbers nachweisen zu können, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat.
Vermeintliche Altersdiskriminierung bei der Suche nach Bewerbern mit „erster Berufserfahrung“ oder „Führungserfahrung“
Es kursiert das weit verbreitete Missverständnis, dass jegliche Eingrenzung des Bewerberkreises im Hinblick auf die (Berufs-)Erfahrung bereits eine Form der Altersdiskriminierung darstelle. Dieses Missverständnis mag nicht zuletzt auf einer Entscheidung des BAG (Urteil vom 11. August 2016 – 8 AZR 809/14) beruhen. Darin befand es, dass eine veröffentlichte Stellenanzeige einer Anwaltskanzlei, die „Berufseinsteiger bis zu 5 Jahre Berufserfahrung“ – sowohl mit Blick auf den Begriff des „Berufseinsteiger[s]“ als auch bezüglich der Wendung „bis zu 5 Jahre Berufserfahrung“ – mittelbar an den in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ anknüpfe und in diesem Fall eine Altersdiskriminierung indiziere.
Anders hat das BAG (Urteil vom 26. Januar 2017 – 8 AZR 73/16) kurz darauf in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden. Zwar hat es auch hier zugestanden, dass eine Stellenausschreibung für eine/n Volljuristin/en „mit ersten einschlägigen Berufserfahrungen“ und dem Zusatz „aber auch Berufsanfänger, die in den genannten Rechtsgebieten ihre Interessenschwerpunkte wiedererkennen, sind willkommen“, mit dem Alter verknüpft sei. Durch die alternierende Formulierung werde in diesem Fall aber klar, dass keine Altersgruppe ausgeschlossen werden sollte.
Diese Divergenz erklärt, dass die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte auch in der jüngeren Zeit wiederholt vergleichbare Formulierungen rechtlich zu würdigen hatten:
So hat das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 5. Dezember 2024 – Az. 5 SLa 81/24) entschieden, dass die Formulierung „Du bist Berufseinsteiger oder besitzt bis ca. 6 Jahre Berufserfahrung“ in einer Stellenanzeige keine (mittelbare) Diskriminierung älterer Bewerber wegen ihres Alters darstelle. Dabei stellte das LAG insbesondere darauf ab, dass die Formulierung keine fixe Obergrenze enthalte.
Die Suche nach Bewerbern (m/w/d) mit „erste[r] Führungserfahrung“ wurde vom LAG Köln (Urteil vom 20. Juni 2024 – 6 Sa 632/23) ebenfalls als unbedenklich eingestuft. Das Gericht argumentierte hier, dass diese Anforderung gerade keinen bestimmten Alterskorridor vorgebe und somit keine altersbedingte Benachteiligung darstelle.
Erst jüngst entschied das ArbG Mainz (Urteil vom 3. Februar 2025 – Az. 8 Ca 1266/24), dass auch eine mit dem Titel „Arbeitsrecht – Rechtsanwälte (m/w/d) mit erster Berufserfahrung“ überschriebene Stellenanzeige, in deren Beschreibungstext es zudem hieß „hierzu bringen Sie im besten Fall erste Berufserfahrung mit“ nicht genüge, einen Anspruch auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung zu begründen.
Die vorgenannten Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, dass die sorgfältige Formulierung der Stellenanzeige von entscheidender Bedeutung ist, um Fallstricke im Bewerbungsverfahren aus Arbeitgebersicht zu vermeiden und keine Angriffsfläche für Klagen zu bieten. So kann das Risiko deutlich minimiert werden, sich im Streitfall mit der schwierig zu beweisenden Frage auseinanderzusetzen, ob eine echte oder eine rechtsmissbräuchliche Bewerbung vorliegt. Eine solch missbräuchliche Bewerbung liegt regelmäßig bei Bewerbern vor, die sich gezielt auf diskriminierende Stellenanzeigen bewerben, ohne an einer Anstellung interessiert zu sein, sog. „AGG-Hopper“ (mit den Schwierigkeiten im Umgang mit „AGG-Hoppern“ haben wir uns u.a. in unseren Blogbeiträgen vom 27. November 2019 und vom 15. Oktober 2024 auseinandergesetzt).
Fazit
Arbeitgeber sollten sich der Anforderungen des AGG bewusst sein und sicherstellen, dass ihre Bewerbungsverfahren und insbesondere auch ihre Stellenausschreibungen diskriminierungsfrei gestaltet sind. Dazu gehört nicht nur das Aufstellen von internen Prozessen für ein ordnungsgemäßes Verfahren, sondern auch die regelmäßige Überprüfung derselben. Nur so ist sichergestellt, dass neue Anforderungen, die durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung aufgestellt werden, hinreichend Berücksichtigung finden. Durch die Einhaltung dieser Vorgaben können Arbeitgeber nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch ein faires und inklusives Arbeitsumfeld fördern.