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Geschäftsgeheimnisse in Gefahr

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Wie Arbeitgeber mit den Anforderungen des Geschäftsgeheimnisgesetzes und der Rechtsprechung des BAG umgehen sollten.

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen hat für viele Unternehmen existenzielle Bedeutung. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts führt eindrücklich vor Augen, welche weitgehenden Wirkungen unzureichende Vertragsklauseln und Versäumnisse der Vergangenheit haben können: Unternehmen können die Verbreitung von Geschäftsgeheimnissen nicht durch Unterlassungsklagen verhindern.

Dieser Beitrag illustriert anhand des BAG-Urteils vom 17. Oktober 2024 (Aktenzeichen 8 AZR 172/23) die Bedeutung von Geheimhaltungsmaßnahmen, Anforderungen an wirksame Geheimhaltungsklauseln, Besonderheiten beim nachvertraglichen Geheimnisschutz und enthält Hinweise für die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen.

Der Fall des Bundesarbeitsgerichts

Ein Hersteller von Abfüllmaschinen für Lebensmittel und Getränke klagte gegen einen ehemaligen Mitarbeiter, der von Oktober 1988 bis Dezember 2016 beschäftigt war. Der Arbeitnehmer spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Maschinen und hatte Zugang zu sensiblen technischen Daten.

Nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wechselte der Arbeitnehmer zu einem Hauptkunden seines bisherigen Arbeitgebers. Im Oktober 2018 erfuhr der ehemalige Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer bereits im Jahr 2015 unter einem Pseudonym E-Mails mit vertraulichen technischen Daten an einen potenziellen Wettbewerber gesendet hatte.

Das Unternehmen mahnte den ehemaligen Arbeitnehmer ab und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die der Arbeitnehmer verweigerte. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung blieb erfolglos. Das Unternehmen erhob daraufhin Klage auf Unterlassung der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen.

Das Bundesarbeitsgericht wies die Unterlassungsklage ab, weil das Unternehmen eine unwirksame Geheimhaltungsklausel verwendet und keine geeigneten Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen hatte.

Dabei beurteilte das BAG den Fall nach dem 2019 in Kraft getretenen Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG). Ein Unterlassungsanspruch bestehe nur, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung rechtswidrig ist.

Bedeutung von Geheimhaltungsmaßnahmen

Dreh- und Angelpunkt des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen bilden die Bestimmungen des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG). Eine Information kann erst dadurch in den Stand eines Geschäftsgeheimnisses aufsteigen, dass der Inhaber „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ (§ 2 Nr. 1b GeschGehG) zu ihrem Schutz ergreift.

Den Kernbestand solcher Schutzmaßnahmen bilden wirksame Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen. Veraltete Klauseln, insbesondere sog. Catch-all-Klauseln (s. dazu unten) reichen nicht aus. Die Praxis zeigt, dass Unternehmen, die eine Catch-all-Klausel verwenden auch ansonsten keine hinreichenden Geheimschutzmaßnahmen ergreifen. Sie können sich dann aber nicht auf den Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes berufen.

Der mangelnde Schutz von Geschäftsgeheimnissen kann für Unternehmen dramatische Folgen haben. Es drohen nicht nur Nachteile gegenüber Konkurrenten. Kunden oder Zulieferer können Schadensersatzansprüche geltend machen. Auch Datenschutzverstöße und entsprechende Entschädigungsansprüche von Arbeitnehmern müssen befürchtet werden.

Bespiel für eine unzulässige Catch-all-Klausel:

Der Arbeitnehmer wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen.“

Praxishinweis: Unternehmen sollten ihre Arbeitsverträge regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Wer unzulässige Catch-all-Klauseln in seinen Arbeitsverträgen findet, muss unverzüglich handeln. Es reicht nicht nur, die Muster für künftige Neueinstellungen anzupassen. Die bestehenden Geheimschutzmaßnahmen müssen umfassend analysiert und angepasst werden. Dazu gehören auch Weisungen gegenüber Arbeitnehmern zum Umgang mit Geschäftsgeheimnissen.

Anforderungen an wirksame Geheimhaltungsklauseln

Eine wirksame Geheimhaltungsklausel zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Anforderungen des Geschäftsgeheimnisgesetzes, insbesondere des § 2 GeschGehG nachzeichnet. Dazu gehören nicht nur Bereichsausnahmen für allgemein bekannte Informationen. Der Arbeitnehmer muss aus der Klausel erkennen können, welche Informationen zu dem Bereich der geschützten Geschäftsgeheimnisse gehören. Eine konkrete Auflistung von Geschäftsgeheimnissen wäre allerdings nicht nur realitätsfern, sondern auch kontraproduktiv. Das zeigt nur umso deutlicher, dass Geheimhaltungsklauseln regelmäßig angepasst werden müssen.

Praxishinweis: Geheimhaltungsklauseln sollten von Vertragsstrafen flankiert sein. Diese verschaffen dem Arbeitgeber nicht nur weitere Rechtsschutzoptionen, sondern bilden auch eine zusätzliche (psychologische) Hürde gegen den Verrat von Geschäftsgeheimnissen.

Vertragsklauseln sind nicht alles – es braucht weitere Schutzmaßnahmen

Eine Vertragsklausel – sei sie auch noch so ausführlich formuliert – bildet nur das Fundament des Geheimnisschutzes. Auf diesem Fundament muss das Unternehmen weitere Maßnahmen aufbauen und diese kontinuierlich ausbauen und anpassen. Es gilt: Je wertvoller das Geschäftsgeheimnis, desto höher die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen. Pauschale Hinweise auf „angemessene IT-Sicherheit“ reichen dazu nicht aus.

Praxishinweis: Arbeitgeber sollten technische Schutzmaßnahmen regelmäßig überprüfen und anpassen. Dazu gehört ein aktuelles Berechtigungskonzept, das festlegt, welche Personen Zugriff auf welche Informationen erhalten.

Wie wichtig die kontinuierliche Prüfung und Weiterentwicklung des Geheimnisschutzkonzepts ist, illustriert das oben genannte Urteil des BAG vom 17. Oktober 2024 (Aktenzeichen 8 AZR 172/23). Obwohl der Arbeitnehmer seit 1988 beschäftigt war, die streitigen Verletzungshandlungen vor Inkrafttreten des GeschGehG stattfanden und das Arbeitsverhältnis vorher geendet hat, misst das BAG die Frage eines weiteren Unterlassungsanspruchs an § 6 GeschGehG. Diese Voraussetzungen hatte der Arbeitgeber aber nicht erfüllt, insbesondere weil er veraltete Klauseln verwendet hatte.

Das bedeutet: Ob es sich bei der Information, die der Arbeitnehmer nicht verbreiten soll, um ein Geschäftsgeheimnis handelt, bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des Geschäftsgeheimnisgesetzes.

Besonderheiten beim nachvertraglichen Geheimnisschutz

Viele Geheimnisklauseln leiden zudem darunter, dass Arbeitgeber ihre Anwendung pauschal auf den Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstrecken. Häufig enthalten Arbeitsverträge dazu folgende Formulierung: „Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages“. Das BAG hat in seiner Entscheidung nochmal in aller Deutlichkeit bestätigt, dass diese Klausel unwirksam ist, weil sie den Arbeitnehmer in seiner beruflichen Entwicklung unangemessen beeinträchtigt. So gerät sie nicht nur in Konflikt mit den Regelungen des AGB-Rechts. Sie steht auch im Widerspruch zum gesetzlichen Konzept des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Praxishinweis: Geheimnisklauseln sollten so konzipiert sein, dass der Arbeitnehmer sein berufliches Erfahrungswissen nutzen darf, wenn er dazu nicht auf Unterlagen des Arbeitgebers, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, zurückgreift. Zudem sollten Arbeitgeber mit herausgehobenen Arbeitnehmern nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbaren und darüber den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zusätzlich absichern.

Hinweise für die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen

Verstößt der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis gegen seine Geheimhaltungspflichten stehen die üblichen Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) zur Verfügung.

Komplizierter gestaltet sich die Rechtdurchsetzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber wird in erster Linie vom Arbeitnehmer verlangen, die Verbreitung von Geschäftsgeheimnissen zu unterlassen.

Dazu bedarf es eines präzisen Klageantrags. Es reicht nicht aus, zu beantragen: „Dem Beklagten wird es untersagt, Dienst- und Geschäftsgeheimnisse des Klägers zu verbreiten.“ Vielmehr muss der Antrag konkret zu erkennen geben, welches Geheimnis nicht verbreitet werden darf: „Dem Beklagten wird untersagt, den Inhalt der Leistungsbeschreibung zum System XY Dritten mitzuteilen oder indirekt zur Kenntnis zu bringen.“ Dieser Antrag sollte durch einen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft im Falle der Zuwiderhandlung flankiert werden. Bei der Formulierung des Klageantrags kann sich das Unternehmen auch beigefügter Fotografien, technischer Zeichnungen oder anderer Darstellungen bedienen. Nicht erforderlich ist, dass der Inhalt des Geschäftsgeheimnisses offengelegt wird.

Dr. Peter Körlings

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Peter Körlings berät Sie in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Dazu zählt insbesondere die Begleitung von Restrukturierungen und M&A-Transaktionen im nationalen und internationalen Kontext. Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden daneben die Beilegung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten und Verhandlungen von Kollektivvereinbarungen. Er unterstützt Unternehmen und Führungskräfte bei Abschluss und Beendigung von Dienstverträgen sowie bei der Gestaltung von RSUs/LTIs/STIs. Darüber hinaus verfügt er über vielfältige Erfahrungen bei Compliance-Untersuchungen und in den Bereichen Digitalisierung (Arbeitsrecht 4.0) und Diversity. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung".
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