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Neues zur Vorstandsvergütung in der Insolvenz

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Wie wirkt sich die Insolvenz der Gesellschaft auf die Vergütungsansprüche der Vorstandsmitglieder aus? Der BGH bestätigt, dass der Insolvenzverwalter nach § 87 Abs. 2 AktG die Vorstandsbezüge in der Unternehmensinsolvenz reduzieren kann. Er äußert sich außerdem zu den Kriterien der Anpassung und klärt zugleich einige offene Rechtsfragen.

Grundsätze zur Vorstandsvergütung

Nach § 87a Abs. 2 Satz 1 AktG verpflichtet sich der Aufsichtsrat, ein Vergütungssystem für den Vorstand einer Aktiengesellschaft zu beschließen, das „klar“ und „verständlich“ ist. Das Vergütungssystem stellt den abstrakten Rahmen der Vorstandsvergütung dar. Das Gesetz sieht dazu bestimmte Mindestangaben vor. Wichtige Bestandteile des Systems sind vor allem die festen und variablen Vergütungsteile und deren Anteil an der Gesamtvergütung sowie die Festlegung einer Maximalvergütung.

Bei börsennotierten Gesellschaften beschließt zwingend die Hauptversammlung das Vergütungssystem. Das Votum der Hauptversammlung bindet den Aufsichtsrat. Die Vorstandsvergütung kann nach Abschluss dieses Prozesses grundsätzlich nur noch im Einklang mit diesem Vergütungssystem festgesetzt werden oder das Vergütungssystem kann durch ein neues ersetzt werden. Daneben ist die Hauptversammlung nach § 87 Abs. 4 AktG berechtigt, die im Vergütungssystem vorgesehene Maximalvergütung herabzusetzen.

Vergütungsanspruch bleibt in der Insolvenz bestehen

Auch in der Insolvenz bleibt der volle Vergütungsanspruch von Vorstandsmitgliedern zunächst bestehen und zwar auch, wenn von dem Sonderkündigungsrecht nach § 113 InsO Gebrauch gemacht wird. Das Vorstandsmitglied erhält somit für drei Monate die volle Vergütung, obwohl sich die Gesellschaft in der Insolvenz befindet und seine Aufgaben unter Umständen deutlich reduziert sind.

Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Vergütung derart, dass die Weitergewährung der Bezüge für die Gesellschaft unbillig wäre, soll der Aufsichtsrat die Bezüge in angemessener Höhe herabsetzen.

Die Herabsetzung der Vorstandsvergütung in der Unternehmensinsolvenz war bislang in vielen Punkten streitig.

BGH bestätigt frühere Entscheidungen und klärt offene Rechtsfragen

Der BGH hatte in seiner Entscheidung (Urteil v. 22. Oktober 2024 – II ZR 97/23) gleich zu mehreren streitigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 2 AktG Stellung zu nehmen:

  • Nach der Insolvenzeröffnung steht dieses Recht zur Anpassung der Vorstandbezüge dem Insolvenzverwalter zu, wie der BGH nun bestätigte. Die Vorstandsbezüge und deren Anpassungsmöglichkeiten beträfen die Insolvenzmasse und fielen daher in die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters und nicht des Aufsichtsrats.
  • Ebenso streitig war bislang, ob Voraussetzung der Herabsetzung der Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 2 AktG ist, dass dem Vorstandsmitglied die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft zugerechnet werden kann. Der BGH entschied, dass die Zurechenbarkeit keine Voraussetzung für den Herabsetzungsanspruch sei und ergänzte damit eine frühere Entscheidung (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – II ZR 296/14). Bereits der Wortlaut der Norm spräche dagegen. Der BGH bezweifelte zudem, dass die Berücksichtigung des Kriteriums der Zurechenbarkeit zu sachgerechten Lösungen führen würde. Die Zurechenbarkeit sei vielmehr nur in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Der BGH bestätigt seine frühere Entscheidung zur Gesamtabwägung (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – II ZR 296/14). Bei der rechtlichen Prüfung der Billigkeit sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind insbesondere der Umfang der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft gegenüber dem Zeitpunkt der Vereinbarung der Vergütung sowie weiter zu berücksichtigen, in welchem Grad die Verschlechterung dem Vorstandsmitglied zurechenbar ist und ob er sie gegebenenfalls sogar pflichtwidrig herbeigeführt hat.

Aus Sicht des BGH war die Gesamtabwägung der Vorinstanz fehlerhaft, weil das OLG auf die Unbilligkeit der Herabsetzung der Vergütung für das Vorstandsmitglied abgestellt habe und nicht darauf, ob die Fortzahlung der vertraglich geschuldeten Vergütung für die Gesellschaft unbillig ist. Hierzu hat das OLG nun Stellung zu nehmen.

Eine Besonderheit im hiesigen Fall war zudem, dass das Vorstandsmitglied seinen Dienst noch nicht angetreten hatte, als sich die wirtschaftliche Lage verschlechterte und die Vergütung reduziert wurde. Der BGH wies darauf hin, dass in diesem Fall die Unbilligkeit regelmäßig ausgeschlossen sein dürfte. Auch hierzu muss das OLG Feststellungen treffen.

Fazit

Für eine Reduzierung der Vorstandsvergütung nach § 87 Abs. 2 AktG muss der Insolvenzverwalter im Rahmen einer Gesamtabwägung und -würdigung prüfen und abwiegen, ob die vertraglich geschuldete Vergütung in einem adäquaten Verhältnis zu den verbliebenen Aufgaben und der Verantwortung unter Berücksichtigung der Zurechenbarkeit der Verschlechterung der Lage steht oder unbillig ist.

Eine Herabsetzung der Bezüge kommt dabei umso eher in Betracht, als dass das Vorstandsmitglied zum Zeitpunkt der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft bereits im Amt war und diese ihm zurechenbar ist. War das betroffene Vorstandsmitglied noch nicht im Amt, spricht dies regelmäßig gegen eine Unbilligkeit.

Zu beachten ist, dass über § 87 Abs. 2 AktG die Vergütung nur für die Zukunft, aber nicht rückwirkend reduziert werden kann. Insolvenzverwalter haben die Möglichkeit der Vergütungsanpassung daher zwingend und zeitnah zu prüfen. Die BGH-Entscheidung gesteht dem Insolvenzverwalter einen großen Entscheidungsspielraum zu. Die Bestimmung der „billigen“ Vergütung im Einzelfall birgt Schwierigkeiten und Konfliktpotential.

Miriam Siemen


Rechtsanwältin
Senior Associate
Miriam Siemen berät nationale und internationale Unternehmen in allen Angelegenheiten des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Ausgestaltung und Beendigung von Arbeits- und Dienstverhältnissen. Sie begleitet Restrukturierungsprozesse und berät Mandant in Kündigungsstreitigkeiten und im Bereich des Betriebsverfassungsrechts. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe „Whistleblowing und Compliance.“
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