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Solo-Freelancer weiter im Fadenkreuz der DRV Bund – Gesetzgeber plant Sicherung der Bildung

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Seit dem BSG-Urteil zu Musikschullehrern hat die DRV Bund ihre Praxis in Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungen verschärft. Freiberufliche Lehrkräfte und Solo-Freelancer geraten zunehmend in den Verdacht abhängiger Beschäftigung, mit erheblichen Folgen. Während der Bildungssektor auf ein gesetzliches Moratorium hofft, dehnt die DRV ihre Prüfpraxis auch auf andere Branchen aus. Problematisch ist insbesondere der Einsatz von Solo-Freelancern als Subunternehmer.

Seit der Musikschullehrerentscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 3/20 R) qualifiziert die DRV Bund weiter schematisch in Statusfeststellungsverfahren freiberufliche Lehrkräfte als abhängige Beschäftigte. Als Folge droht die Nachzahlungspflicht von Sozialbeiträgen. Während Interessenverbände der Bildung weiter mit der DRV Bund unter Moderation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an einer künftigen rechtssicheren Ausgestaltung der Freiberuflichkeit im Bildungssektor arbeiten, plant der Gesetzgeber eine Absicherung dieses Prozesses durch ein Moratorium. In den Fokus der DRV Bund rücken jedoch schrittweise auch andere Branchen. Die DRV Bund erkennt auch dort schematisch eine abhängige Beschäftigung, soweit Solo-Freelancer im Rahmen von Kundenbeziehungen eingesetzt werden.

Update: Fachgesprächsprozess im Bildungssektor

Inhalt der beiden bisherigen Fachgespräche im Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Juni und im Oktober 2024 waren der Austausch über Vertragsmuster und Einsatzbedingungen, unter denen eine freiberufliche Tätigkeit von Lehrkräften weiter möglich bleibt (Blogbeitrag vom 18. Juli 2024: Fachgespräch im BMAS zu Honorarlehrkräften – was jetzt zu tun ist). Am 22. Januar 2025 ist ein weiteres Fachgespräch terminiert.

Besonders wichtig bleibt für die DRV Bund, dass Lehrkräften eine erfolgsbasierte Vergütung gezahlt wird und kein fixes Stundenhonorar. Dass dieses Honorar nur anfällt, soweit die Lehrkraft ihre Leistung erbracht hat, und nicht bei einem kurzfristigen Kursausfall oder einer Erkrankung der Lehrkraft, reicht der DRV Bund nicht aus. Auch argumentiert die DRV Bund, dass jede Nutzung von Infrastruktur, also insbesondere Kursräume, der Lehrkraft von der Bildungseinrichtung in Rechnung gestellt werden soll. Eine kostenlose Nutzung sei kritisch.

Die Interessenverbände argumentieren, dass ein fixes Stundenhonorar pro geleisteter Stunde einer Dienstleistung in klassischerweise selbständigen Berufsbildern üblich ist und die Inrechnungstellung einer Raum- bzw. Infrastrukturpauschale eine Umsatzsteuerpflicht auch in umsatzsteuerbefreiten Bildungsbetrieben auslöst.

Landesozialgerichte stärken Position der Interessenverbände

Gestärkt werden die Argumente der Interessenverbände durch ein Urteil des Landessozialgerichts Hamburg (Urteil vom 27. April 2023 – L 1 BA 12/22) sowie ein Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22. Juli 2024 – L 28 BA 68/21). Beide Urteile erkennen auch nach der Musikschullehrerentscheidung eine freiberufliche Tätigkeit von Lehrkräften ohne erfolgsbasierte Vergütung und bei kostenloser Nutzung von Räumlichkeiten und Infrastruktur an.

Gesetzgeber plant gesetzliche Absicherung eines Moratoriums nach BSG-Urteil

Zwischenzeitlich hatten die Rentenversicherungsträger für die Betriebsprüfungen bereits einen Beschluss gefasst, nach dem die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Lehrkräften stufenweise erfolgt:

  • Sachverhalte bis einschließlich zum 31. Dezember 2022 werden nach den zuvor geltenden Kriterien ungeachtet der Verschärfung der Verwaltungspraxis seit der Musikschullehrerentscheidung geprüft.
  • Sachverhalte ab dem 1. Januar 2023 werden zunächst ruhend gestellt, die Betriebsprüfung im Übrigen abgeschlossen und zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss des Fachgesprächsprozesses und einer weiteren Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung wiederaufgerufen.

Das Bundessozialgericht hat sich zwischenzeitlich in einem bislang nicht veröffentlichten Urteil über den sozialversicherungspflichtigen Status einer Volkshochschullehrkraft laut der Pressemitteilung gegen einen Vertrauensschutz in der Statusbeurteilung ausgesprochen. Parallel arbeitet der Gesetzgeber seit Ende 2024 an einem gesetzlichen Moratorium. Dieses soll für die Vergangenheit und einen begrenzten Zeitraum für die Zukunft den Fachgesprächsprozess absichern und den Beginn einer etwaigen Sozialversicherungspflicht der Lehrkräfte in die Zukunft verschieben.

DRV: Einsatz von Solo-Freelancer zur Vertragserfüllung gegenüber Kunden stets kritisch

Auch unabhängig von freiberuflichen Lehrkräften und dem Bildungssektor verschärft die DRV Bund ihre Praxis bei der Beurteilung von Solo-Freelancern. So sprechen agile Methoden der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Freelancern nun für eine abhängige Beschäftigung. Besonders kritisch sieht die DRV Bund einen Einsatz von Solo-Freelancern zur Erfüllung von vertraglichen Pflichten gegenüber Kunden, also beim Einsatz als „Subunternehmer“. Auch außerhalb des Bildungssektors erkennt die Clearing-Stelle in solchen „Dreiecksfällen“ schematisch eine abhängige Beschäftigung, soweit nicht überwiegende unternehmerische Chancen und Risiken, wie eine erfolgsbasierte Vergütung oder eine Beteiligung an genutzter Infrastruktur, vorliegen.

Fazit

Unternehmen, die Solo-Selbständige, insbesondere gegenüber Kunden bzw. als Subunternehmer, einsetzen, sollten die vertragliche Grundlage und die operativen Einsatzbedingungen überprüfen. Auch wenn der Bildungssektor durch ein gesetzliches Moratorium zunächst geschützt wird, hält dies die DRV Bund nicht ab ihre Prüfpraxis in anderen Branchen weiter anzuwenden.

Tobias Lamß

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Tobias Lamß berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen sowie Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Seine Schwerpunkte liegen dabei im Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs-, Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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