Der wachsende Wunsch nach Flexibilität in der heutigen Arbeitswelt hat in den letzten Jahren – insbesondere durch die Covid-Pandemie – neue Arbeitsmodelle hervorgebracht. Hierbei finden Modelle wie Workation immer mehr Zuspruch bei Arbeitnehmern und gehören für diese zu einer guten Work-Life-Balance. Für Unternehmen kann es rentabel sein, ihren Mitarbeitern flexible und damit motivierende Arbeitsbedingungen anzubieten. Daher ermöglichen viele Unternehmen mittlerweile Workation oder ähnliche Optionen.
Interessanterweise fand im Ausschuss Tourismus des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 2024 eine Anhörung zu flexiblen Arbeitsmodellen, hierunter auch Workation, statt. Ziel ist, klare rechtliche Regelungen für solche Arbeitsmodelle zu schaffen. Bis solche vom Gesetzgeber realisiert werden, wird Workation jedoch weiter diverse rechtliche Unsicherheiten und damit erhebliche Risiken für den Arbeitgeber mit sich bringen. Im Grundsatz gilt dabei: Je länger sich ein Arbeitnehmer im Ausland aufhält, desto größer ist das (finanzielle) Risiko des Arbeitgebers.
Welches Recht findet Anwendung?
Welches Recht Anwendung findet und damit den rechtlich zulässigen Rahmen für Gehaltsanforderungen, Arbeitsschutz- und Arbeitszeit bildet, bestimmt sich seit dem 17. Dezember 2009 für alle EU-Mitgliedsstaaten nach der Rom I-Verordnung (Rom-I-VO) als unmittelbar geltendes Unionsrecht. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit; entscheidend ist mithin, ob die Arbeitsvertragsparteien eine entsprechende Regelung getroffen haben.
Gerade bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten wird dies regelmäßig nicht der Fall sein. Bei fehlender Rechtswahl kommt es gemäß Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO auf den „gewöhnliche Arbeitsort“ des Arbeitnehmers an. Als Faustregel gilt: Als gewöhnlicher Arbeitsort gilt der Staat, in dem der Arbeitnehmer mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit tätig ist. Dies wird in der Regel Deutschland sein, so dass deutsches Recht grundsätzlich bei Workation anwendbar bleibt.
Abweichungen können sich allerdings durch zwingende, grundsätzlich nicht abdingbare arbeitnehmerschützende Vorschriften (Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO) ergeben. Soweit das gewählte Recht nicht günstiger ist oder jedenfalls einen vergleichbaren Schutz gewährleistet, beispielsweise im Rahmen von Kündigungsschutz, müssen diese zwingenden Vorschriften des jeweiligen Einsatzstaates trotz möglicherweise abweichender Rechtswahl angewendet werden. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass zwingende arbeitnehmerschützende Vorschriften weiter Geltung haben müssen, selbst wenn keine Rechtswahl getroffen wurde.
Eine weitere Schranke ergibt sich aus Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO durch Eingriffsnormen des jeweiligen Einsatzstaates. Es handelt sich hierbei um Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen werden, dass deren Geltung ungeachtet des geltenden Rechts Anwendung finden müssen. Deutsche Eingriffsnormen sind beispielsweise der Mutterschutz (§ 14 MuSchG) oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG).
Welche weiteren Risiken gibt es?
Auch wenn es für Arbeitnehmer unkompliziert scheint, ein paar Tage oder wenige Wochen im Jahr aus dem Ausland zu arbeiten, sollten Arbeitgeber immer die Risiken im Blick behalten, um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Der Katalog möglicher Risiken scheint schier endlos; nachfolgend einige Beispiele:
Sozialversicherungsrechtliche Risiken
Zunächst besteht das Risiko einer doppelten Sozialversicherungsbeitragspflicht. Dieses Risiko lässt sich bei Remote-Tätigkeiten im europäischen Ausland jedoch regelmäßig durch die Beantragung einer sogenannten A1-Bescheinigung vermeiden. Mit einer A1-Bescheinigung wird nachgewiesen, dass der Arbeitnehmer dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt und die entsprechenden Beiträge an die deutschen Sozialversicherungsträger abgeführt werden.
Unfälle und Krankheit im Ausland
Durch die Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts, die der Arbeitnehmer durch die A1-Bescheinigung nachweisen kann, unterliegt dieser im gleichen Umfang dem deutschen Unfallversicherungsschutz. Dies setzt jedoch voraus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und der dienstlichen Verrichtung für den Arbeitgeber zum Unfallzeitpunkt bestand. Bei Workation befindet sich der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch im Ausland, sodass es hier auf den Einzelfall ankommt. Arbeitgeber können bei Abschluss einer (Gruppen-)Unfallversicherung entsprechende Tarife wählen, die auch Unfälle bei der Tätigkeit im Ausland umfassen. Ähnliches gilt für den Versicherungsschutz bei Krankheit. In EU-Mitgliedstaaten haben Versicherte bei vorübergehenden Aufenthalten jedenfalls Anspruch auf medizinisch notwendige Leistungen.
Steuerrechtliche Risiken
Durch Workation bestehen schließlich steuerrechtliche Risiken, vor allem die Gefahr der Bildung einer Betriebsstätte im Ausland, was sich nach dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht beurteilt. Hierzu ist mithin eine enge steuerrechtliche Abstimmung notwendig. Trotz einiger Harmonisierung der Betriebsstättendefinition aufgrund des OECD-Musterabkommens (OECD-MA), gibt es keine abschließende international einheitliche Auslegung. Schließlich ist in diesem Zusammenhang stets zu prüfen, ob der Arbeitgeber verpflichtet sein könnte, eine Gehaltsabrechnung im Land der Workation zu erstellen bzw. gar einer Doppelbesteuerung oder jedenfalls Anmeldepflichten unterliegen könnte. Arbeitnehmer können durch die Arbeit im Ausland weitere Einkommensteuerverpflichtungen auslösen. Hierzu ist im Einzelfall vor allem die Dauer der Tätigkeit und so bekannte „183-Tage-Regel“ zu beachten. Nicht zuletzt ist auch die Entstehung etwaiger Einbehaltungsverpflichtungen für Unternehmenssteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf Seiten des Arbeitgebers zu beachten.
Praxishinweise
Workation ist zweifelsohne eine attraktive Möglichkeit, um Flexibilität und Mitarbeiterzufriedenheit zu fördern. Um die Risiken für den Arbeitgeber abzumildern, sind im Vorhinein getroffene klare Regeln zwischen den Arbeitsvertragsparteien unerlässlich, beispielsweise durch Zusatzvereinbarungen oder Policies. Bei Bestehen eines Betriebsrats sind dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. Regelmäßig ist es für Arbeitgeber ratsam, Workation auf wenige Tage oder Wochen zu begrenzen, um steuer- und sozialversicherungsrechtliche Risiken gering zu halten. Es empfiehlt sich vor diesem Hintergrund – und nicht zuletzt wegen datenschutzrechtlicher Problematiken – zudem, Workation auf das EU-Ausland zu beschränken. „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“ klingt zwar nett, sollte jedoch rechtlich gut durchdacht und weitestmöglich abgesichert sein.