Zeichnet sich ein als Führungskraft bewährter Arbeitnehmer besonders aus, kommt es nicht selten vor, dass er zum (Fremd-)Geschäftsführer „befördert“, d.h. zum Organ der Gesellschaft bestellt wird. Wir zeigen auf, welche Folgen die „Beförderung“ eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer für das Rechtsverhältnis zur Gesellschaft hat.
Wird ein Arbeitnehmer zum (Fremd-)Geschäftsführer „befördert“, schließen der neu zu bestellende Geschäftsführer und die Gesellschaft erstaunlich häufig keinen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag ab. Die einzige rechtliche Gestaltung, die die Parteien vornehmen, ist die Bestellung des bisherigen Arbeitnehmers zum Geschäftsführer, also ein rein korporativer Akt. Die Frage, welche vertragliche Grundlage die neue Funktion des bisherigen Arbeitnehmers als Organ der Gesellschaft haben soll, wird zwischen den Parteien daneben nicht erörtert. Diese Fallgestaltung wirft zahlreiche Rechtsunsicherheiten auf: Was ist die vertragliche Grundlage der Geschäftsführertätigkeit? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Vertragsbeendigung? Welche vertraglichen Regelungen finden Anwendung?
Vertragsgrundlage der Geschäftsführertätigkeit
Problematisch ist die Bestimmung der Vertragsgrundlage, wenn der Arbeitnehmer ohne weitere Absprache zum Geschäftsführer „befördert“ wurde. Dem Geschäftsführer kommt in der Regel kein Arbeitnehmerstatus zu, da er im Lager des Arbeitgebers steht. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Geschäftsführertätigkeit ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt. Die Bestellung zum Geschäftsführer als solche begründet kein Vertragsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer. Stattdessen kommt es nach der Rechtsprechung des BAG (BAG vom 26. Oktober 2012 – 10 AZB 55/12) auf die Umstände des Einzelfalls bei der Bestellung zum Geschäftsführer an. Hierbei ist zwischen zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1. Fallkonstellation: Konkludenter Geschäftsführerdienstvertrag
Für den Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages besteht kein Formerfordernis. Liegen besondere Anhaltspunkte vor, aus denen gefolgert werden kann, dass die Parteien zusätzlich zum Arbeitsvertrag einen Geschäftsführerdienstvertrag schließen wollten, ist neben dem bereits bestehenden Arbeitsvertrag ein konkludenter Geschäftsführerdienstvertrag zustande gekommen, der nunmehr Grundlage der Geschäftsführertätigkeit ist. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere, wenn im Zusammenhang mit der Bestellung zum Geschäftsführer die Vergütung erhöht wurde. Die Geschäftsführertätigkeit geht schließlich oftmals mit finanziellen Anreizen einher. In einem solchen Fall bringen die Parteien zum Ausdruck, dass die bisherigen (Arbeits-)Bedingungen nicht mehr Grundlage der Beschäftigung als Geschäftsführer sein sollen. Nicht ausreichend ist dagegen die bloße Änderung des Tätigkeitsbereiches, da auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses verschiedene Aufgaben wahrgenommen werden können.
Zu beachten ist, dass der konkludente Geschäftsführerdienstvertrag neben den bereits vorher bestehenden Arbeitsvertrag tritt. Kommt der konkludente Geschäftsführerdienstvertrag ohne jede Schriftlichkeit zustande, wird der ursprüngliche Arbeitsvertrag mangels Einhaltung der Schriftform nach § 623 BGB nicht aufgehoben. Vielmehr besteht das Arbeitsverhältnis als „ruhendes Arbeitsverhältnis“ fort.
2. Fallkonstellation: Bisheriger Arbeitsvertrag
Soweit keine besonderen Anhaltspunkte für die Annahme eines konkludenten Geschäftsführerdienstvertrag bestehen, wird der zum Geschäftsführer bestellte Arbeitnehmer weiterhin auf Grundlage des bisherigen Arbeitsvertrags tätig. In diesem Fall haben die Parteien lediglich die Tätigkeit des Geschäftsführers einvernehmlich – formlos – geändert. Statt Arbeitnehmeraufgaben ist der Geschäftsführer nunmehr mit der Repräsentation der Gesellschaft betraut.
Auswirkungen auf den Kündigungsschutz
Die Einordnung der Vertragsgrundlage ist entscheidend für eine spätere Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers und den damit einhergehenden Kündigungsschutz.
Ist der Arbeitsvertrag die einzige Vertragsgrundlage der Geschäftsführertätigkeit (2. Fallkonstellation), kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Ist der Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch zum Organ bestellt, kann er gekündigt werden, ohne dass es einer sozialen Rechtfertigung bedarf. In diesem Fall greift die Bereichsausnahme nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ein, wonach einem Geschäftsführer kein Kündigungsschutz nach dem KSchG zusteht. Liegt der Zugang dagegen nach der Beendigung der Organstellung, findet § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung (mehr) und der ehemalige Geschäftsführer genießt (wieder) Kündigungsschutz. Im Ergebnis führt das dazu, dass der Geschäftsführer einer Kündigung und Abberufung durch eine Amtsniederlegung zuvorkommen kann, um den Kündigungsschutz aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen zu können.
Anders ist die Situation, wenn neben dem konkludenten Dienstverhältnis das Arbeitsverhältnis ruhend fortbesteht (1. Fallkonstellation). In diesem Fall gilt die Bereichsausnahme nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht für das Arbeitsverhältnis, sodass der Geschäftsführer im Hinblick auf das ruhende Arbeitsverhältnis stets Kündigungsschutz genießt. Beruft sich der Geschäftsführer auf diesen Kündigungsschutz aus dem ruhenden Arbeitsverhältnis, ist es an ihm, die Tatsachen darzulegen und notwendigenfalls zu beweisen, aus denen sich das Vorliegen von zwei klar abgrenzbaren Vertragsverhältnissen ergibt.
Auswirkungen auf vertragliche Regelungen
Ist die Vertragsgrundlage der Geschäftsführertätigkeit geklärt, stellt sich weiterhin die Frage, welche vertragliche Regelungen nunmehr für den Geschäftsführer gelten.
Ist der Arbeitsvertrag auch Grundlage der Geschäftsführertätigkeit (2. Fallkonstellation), ist die Antwort einfach: Für den Geschäftsführer gelten die arbeitsvertraglich festgeschriebenen Regelungen weiter. Ist im Arbeitsvertrag beispielsweise festgeschrieben, dass der Vertrag mit einer Frist von fünf Monaten gekündigt werden kann, gilt das ebenso für die Tätigkeit als Geschäftsführer. Der Arbeitsvertrag hat lediglich hinsichtlich der wahrzunehmenden Aufgaben eine Änderung erfahren.
Im Ergebnis ist nichts anderes anzunehmen, wenn zwischen den Parteien ein konkludenter Geschäftsführerdienstvertrag zustande gekommen ist. Mangels anderweitiger Absprachen ist der Geschäftsführerdienstvertrag dahingehend auszulegen, dass die arbeitsvertraglichen Regelungen auch Grundlage des Geschäftsführerdienstvertrages geworden sind. Abweichungen ergeben sich nur bezüglich besonderer Absprachen, mit denen die Parteien zum Ausdruck gebracht haben, dass die bisherigen (Arbeits-)Bedingungen nicht mehr Grundlage der Geschäftsführertätigkeit sein sollen. Haben die Parteien etwa im Zusammenhang mit der Bestellung zum Geschäftsführer eine höhere Vergütung vorgesehen, bemisst sich die Vergütung nunmehr nach dieser Absprache. Hinsichtlich der nicht geregelten Punkte (bspw. Kündigungsfrist), ist auf den Arbeitsvertrag Bezug zu nehmen.
Fazit
Wird ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer „befördert“, ohne dass die Parteien eine Vereinbarung treffen, treten zahlreiche rechtliche Unsicherheiten auf. Diese Unsicherheiten lassen sich nur dadurch vermeiden, dass die Parteien einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag schließen. Näheres zur Ausgestaltung des Geschäftsführerdienstvertrags finden Sie in den Beiträgen „Zum Geschäftsführer „befördert“ und dennoch Arbeitnehmer – typische Formfehler“ und „Vom Arbeitnehmer zum Geschäftsführer – und wieder zurück? Formfehler bei der „Beförderung“ zum Geschäftsführer“ auf unserem Blog.