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Arbeitsrechtliche Steuerung durch die Konzernspitze – Wie funktioniert das eigentlich?

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Ob Ethik- und Compliance-Richtlinien, Mitarbeiterbefragungen oder Aktien(options)- und (sonstige) Bonusprogramme – immer häufiger werden typische Arbeitgeberhandlungen zentralisiert von der Konzernspitze gesteuert. Doch wie funktioniert das eigentlich?

In Konzernen trifft die Konzernobergesellschaft regelmäßig Entscheidungen in arbeitsrechtlich relevanten Bereichen, die für den ganzen Konzern Geltung beanspruchen (sollen). Diese zentrale Steuerung wirft Fragen auf, da die Arbeitnehmer in der Regel bei einer der Tochtergesellschaften und nicht direkt beim herrschenden Unternehmen angestellt sind. Es besteht also kein Arbeitsvertrag mit der Konzernmutter. Wie kann die Konzernspitze dennoch „von außen“ auf das Arbeitsverhältnis einwirken, an dem sie aus rechtlicher Perspektive eigentlich gar nicht beteiligt ist?

Indirekte Konzernsteuerung

Die Konzernspitze kann den Tochtergesellschaften Weisungen erteilen, die sie dann gegenüber ihren Arbeitnehmern umsetzen müssen. Diese sog. indirekte Konzernsteuerung erfolgt zunächst über das konzerngesellschaftsrechtliche Weisungsrecht der Konzernmutter gegenüber ihren abhängigen Gesellschaften (§ 308 AktG [analog], § 37 Abs. 1 GmbHG). Die Tochtergesellschaften setzen die Vorgaben dann mithilfe ihres eigenen arbeitsvertraglichen Weisungsrechts gegenüber ihren jeweiligen Arbeitnehmern um (§ 106 GewO). Die Arbeitnehmer werden so mittelbar verpflichtet, die konzerngesellschaftsrechtliche Weisung der Konzernmutter zu befolgen. Diese Art der Konzernsteuerung ist in der Praxis beispielsweise verbreitet, wenn konzernweit eine einheitliche Ethik- und Compliance-Richtlinie eingeführt werden soll.

Direkte Konzernsteuerung durch Übertragung des Weisungsrechts

Es kommt auch häufig vor, dass die Konzernobergesellschaft direkt auf die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften einwirken will. Beispielsweise möchte sie selbst eine konzernweite Mitarbeiterbefragung durchführen, an der alle konzernangehörigen Arbeitnehmer verpflichtend teilnehmen sollen. Da die Muttergesellschaft jedoch formal nicht Arbeitgeber ist, müssen die Tochtergesellschaften zur sog. direkten Konzernsteuerung das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern an die Konzernspitze „delegieren“. Dies kann rechtlich über eine Vollmacht (Stellvertretungslösung gem. §§ 164 ff. BGB) oder eine Ausübungsermächtigung (Ermächtigungslösung gem. § 185 Abs. 1 BGB analog) erfolgen. Letztere bedarf der Zustimmung der Arbeitnehmer (§ 613 Satz 2 BGB), etwa durch Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Arbeitsvertrag. In jedem Fall ist der Umfang der „Übertragung“ des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts beschränkt. Die Tochtergesellschaften können nur das fachliche Weisungsrecht und einige disziplinarische Annexkompetenzen an die Konzernspitze „delegieren“, nicht jedoch den Kern des disziplinarischen Weisungsrechts. Die Kompetenz für Abmahnungen und Kündigungen bleibt also immer beim eigentlichen Arbeitgeber.

Direkte Konzernsteuerung kraft eigener Rechtsmacht

Eine weitere Form der sog. direkten Konzernsteuerung ist das Handeln der Konzernspitze kraft eigener Rechtsmacht. Hier greift die Konzernobergesellschaft nicht direkt in das Arbeitsverhältnis ein. Stattdessen schafft sie ein zusätzliches Vertragsverhältnis mit den Arbeitnehmern der Tochtergesellschaften oder nimmt kraft ihrer Organisationsgewalt sonstige (rein tatsächliche) Handlungen vor. Teilweise wirken die Tochtergesellschaften hieran (rein tatsächlich) mit oder treten (rechtlich) in das fremde Vertragsverhältnis mit ein, indem sie sich hierzu arbeitsvertraglich verpflichten. Ein typisches Beispiel für eine direkte Konzernsteuerung kraft eigener Rechtsmacht ist ein konzernweites Aktien(options)- oder (sonstiges) Bonusprogramm der Konzernmutter.

Empfehlungen für die Praxis

Die arbeitsrechtliche Steuerung durch die Konzernspitze kann über verschiedene Modelle erfolgen. Es ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, welche Art der Konzernsteuerung für die gewünschte konzernweite Maßnahme am besten „passt“. Auch sollte die Arbeitgeberseite in ihre Überlegungen einbeziehen, welche Auswirkungen die jeweilige Form der Konzernsteuerung auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats hat. Zentral ist stets eine nachvollziehbare schriftliche Dokumentation der Vorgänge. Dies ist besonders wichtig, wenn man die dargestellten Weisungsmöglichkeiten für eine mehrdimensionale Matrixorganisation nutzen möchte.

Dr. Vincent Jungbauer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Associate
Vincent Jungbauer berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Seine Schwerpunkte liegen dabei in der Gestaltung von Restrukturierungsprojekten, in der Führung von Kündigungsrechtsstreitigkeiten und in Verfahren aus dem Betriebsverfassungsrecht.
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