In der zweiten Jahreshälfte 2023 waren der Industrie zuletzt so viele Aufträge weggebrochen wie seit der Corona-Pandemie nicht mehr. Trotz schwacher Auftragslage und zugleich hoher Energiekosten stieg die Zahl der Beschäftigten jedoch überraschend an und der Anteil der Beschäftigten in Kurzarbeit sank deutschlandweit. Seit einigen Monaten scheint sich dieser Trend jedoch umzukehren: Gerade im produktionsstarken Südwesten Deutschlands führen Konjunkturkrise und Strukturwandel in der Metall- und Automobilproduktion zu immer mehr Kurzarbeit. So berichtete die Tagesschau Ende Oktober 2024, die Kurzarbeiterquote im Industriemotor Baden-Württemberg belaufe sich nunmehr auf 1,2 Prozent. Kurzarbeit ist und bleibt für Arbeitgeber ein probates und attraktives Mittel, um bei einem vorübergehenden Arbeitsausfall die personellen Kapazitäten zu reduzieren, ohne in Zeiten des Fachkräftemangels zu betriebsbedingten Kündigungen als „ultima ratio“ greifen zu müssen. Nachfolgend zeigen wir auf, was es bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld zu beachten gilt und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Kann Kurzarbeit (einseitig) eingeführt werden?
Nein, da es sich um eine Änderung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten handelt, kann Kurzarbeit nicht einseitig vom Arbeitgeber im Wege seines Direktionsrechts angeordnet werden. Vielmehr bedarf es einer besonderen rechtlichen Grundlage (z.B. Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Regelung im Arbeitsvertrag). Sofern eine solche Rechtsgrundlage fehlt, müssen entsprechende Zusatzvereinbarungen mit den Arbeitnehmern getroffen werden, auf deren Grundlage dann Kurzarbeit eingeführt werden kann. Weigert sich der Arbeitnehmer diese zu unterzeichnen, bleibt der Ausspruch einer Änderungskündigung (hierzu ausführlicher unser Blogbeitrag vom 25. Januar 2022).
Wie laufen Beantragung und Genehmigungsverfahren ab?
Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall in einem ersten Schritt bei Agentur für Arbeit schriftlich oder elektronisch anzeigen. Hierbei gilt das sog. Monatsprinzip, d.h. der Arbeitsausfall muss grundsätzlich in dem Kalendermonat angezeigt werden, in dem die Kurzarbeit beginnt. Zuständig ist dabei die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat.
Die Agentur für Arbeit prüft die Anzeige und erteilt daraufhin einen schriftlichen Bescheid, ob die Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld dem Grunde nach vorliegen. Ist dies der Fall, kann für die jeweiligen Kalendermonate Kurzarbeitergeld beantragt werden.
Hierzu errechnet der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld und zahlt es im Voraus an die Arbeitnehmer aus. Hierbei sollten für jeden Monat entsprechende Arbeitszeitnachweise geführt und die geleisteten Arbeits-, Ausfall- und Fehlzeiten der Arbeitnehmer genau dokumentiert werden.
Anschließend stellt der Arbeitgeber einen schriftlichen Antrag auf Erstattung des von ihm verauslagten Kurzarbeitergeldes. Dieser ist bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die für den Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt, einzureichen und ist für den jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) zu stellen. Die Beantragung muss dabei jeweils innerhalb der Ausschlussfrist von drei Monaten erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage der Kurzarbeit liegen.
Sowohl für die Anzeige als auch die spätere Antragstellung stellt die Bundesagentur für Arbeit auf ihrer Website entsprechende bereit.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (KUG) ergeben sich aus §§ 95 ff. SGB III. Erforderlich ist das Vorliegen eines erheblichen Arbeits- und Entgeltausfalls. Dies ist der Fall, wenn der Arbeits- und Entgeltausfall
- auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Hochwasser, behördliche Anordnung) beruht. Hierunter fallen z.B. konjunkturelle Schwankungen (Auftragsmangel oder Absatzschwierigkeiten, Auftragsstornierungen, etc.);
- unvermeidbar Im Betrieb müssen demnach zunächst alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern (z.B. Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub, zulässiger Abbau von Arbeitszeitkontoguthaben (hierzu ausführlicher unser Blogbeitrag vom 5. September 2024);
- nur vorübergehender Natur ist. Das bedeutet, dass innerhalb der Bezugsdauer grundsätzlich wieder mit dem Übergang zur regulären Arbeitszeit gerechnet werden kann. Als Anhaltspunkt kann die jeweilige Bezugsdauer herangezogen werden. Überschreitet die Dauer des Arbeitsausfalls diese deutlich, ist der Arbeitsausfall in der Regel nicht mehr nur vorübergehend.
- erheblich Hierzu müssen im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens 1/3 der im Betrieb beschäftigen Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres (individuellen) Bruttomonatsgehalts betroffen sein (zum Schwellenwert ausführlicher unser Blogbeitrag vom 5. September 2024).
Vorstehende Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.
Was passiert, wenn zu viel oder zu wenig Kurzarbeitergeld ausgezahlt wurde?
Das Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich vorläufig bewilligt und ausgezahlt. Ist die Kurzarbeit beendet, prüft die Agentur für Arbeit abschließend, ob die Voraussetzungen für die Kurzarbeit tatsächlich erfüllt waren und in der richtigen Höhe gewährt wurde (sog. Abschlussprüfung) und erlässt einen entsprechenden Prüfbescheid.
Vor diesem Hintergrund verbleibt für den Arbeitgeber bis zur Abschlussprüfung ein gewisses Restrisiko: Wurde zu viel Kurzarbeitergeld gewährt, wird die Agentur den Betrag zurückfordern. Wurde zu wenig Kurzarbeitergeld ausbezahlt, wird der fehlende Betrag im Rahmen eines Korrekturantrages nachgezahlt. In beiden Fällen sind die Entgeltabrechnung jeweils zu korrigieren.
Wie lange kann Kurzarbeit bezogen werden und sind Unterbrechungen möglich?
Die gesetzliche Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld beträgt grundsätzlich bis zu 12 Monate. Die Monate, für die Kurzarbeitergeld bezogen wird, müssen dabei nicht direkt aufeinanderfolgen, sondern können auch unterbrochen werden. Arbeitgeber können Arbeitnehmer z.B. vorübergehend wieder voll beschäftigen, um einen neuen Auftrag zu bearbeiten. Erst ab einer Unterbrechung von drei Monaten muss eine (weitere) Kurzarbeit erneut bei der Agentur für Arbeit angezeigt werden.
Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?
Das Kurzarbeitergeld berechnet sich nach dem Nettoentgeltausfall, d.h. der Differenz zwischen dem normalen Einkommen und dem, was durch die Kurzarbeit noch gezahlt wird. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt dabei grundsätzlich 60 % der Nettoentgeltdifferenz. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts.
Die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes erfolgt dabei nicht direkt an die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer, sondern wird von der Agentur für Arbeit an den Arbeitgeber ausbezahlt, welcher verpflichtet ist, es an die Arbeitnehmer weiterzuleiten.