Der vom Bundesfinanzministerium am 27. August 2024 veröffentlichte Referentenentwurf des Zweiten Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zweites Zukunftsfinan-zierungsgesetz – ZuFinG II) soll den gelockerten Kündigungsschutz für hochverdienende Risikoträger in systemrelevanten Banken auf den gesamten Finanzsektor ausweiten. Dies betrifft auch nicht-systemrelevante Banken sowie Versicherungen, Wertpapierinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften.
Kündigungsschutz als Bestandsschutz
Im deutschen Recht ist Kündigungsschutz grundsätzlich Bestandsschutz: Erachtet das Gericht auf die Kündigungsschutzklage eines entlassenen Mitarbeiters hin die Kündigung für unwirksam, so stellt es fest, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin besteht. Von dem Grundsatz des Bestandsschutzes gibt es nur wenige Ausnahmen: § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG erlaubt dem Arbeitgeber, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung gerichtlich zu beantragen, wenn die Kündigung zwar wegen Sozialwidrigkeit unwirksam ist, aber der Arbeitgeber grundsätzlich darlegen und beweisen kann, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. An die Auflösungsgründe stellt die Rechtsprechung jedoch hohe Anforderungen. In Betracht kommen beispielsweise verleumderische Tatsachenbehauptungen und ehrverletzende Äußerungen.
Kündigungsschutz ausnahmsweise als Abfindungsschutz
Bei leitenden Angestellten wandelt sich der Kündigungsschutz vom Bestandsschutz fast gänzlich zum Abfindungsschutz: Der Arbeitgeber muss den Auflösungsantrag nicht begründen, § 14 Abs. 2 KSchG, sondern soll frei entscheiden können, ob das zwischen ihm und dem leitenden Angestellten regelmäßig erforderliche besondere Vertrauensverhältnis – trotz der Sozialwidrigkeit der Kündigung – weiterhin besteht. Das Gericht hat dann nach seinem Ermessen eine Abfindung festzusetzen, deren Höchstbetrag nach dem Alter gestaffelt ist (§ 10 Abs. 1, 2 KSchG).
Den leitenden Angestellten insofern gleichgestellt worden sind im Zuge des sog. Brexit-Steuerbegleitgesetzes (mit dem die Attraktivität des Standortes Deutschland für Finanzinstitute gesteigert werden sollte) Risikoträger bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Sinne des § 159 SGB VI überschreitet, § 25a Abs. 5a KWG (Kreditwesengesetz). Auch hier erfordert seither der Auflösungsantrag des Instituts keine Begründung. Solche Risikoträger müssen dafür – anders als leitende Angestellte i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG – nicht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sein. Auch ohne leitende Angestellte zu sein, haben hochverdienende Risikoträger nach der gesetzgeberischen Wertung ein vergleichbares besonderes Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber inne. In der Praxis hat die Regelung hauptsächlich dazu geführt, dass in Trennungsverhandlungen die Institute ein gewichtiges Argument mehr auf ihrer Seite hatten.
Bloßer Abfindungsschutz für hochverdienende Risikoträger auch in anderen Finanzsektoren
Der Referentenentwurf ZuFinG II sieht diesen ausnahmsweisen Abfindungsschutz nunmehr für sämtliche Unternehmen im Finanzsektor vor, die nach den jeweiligen aufsichtsrechtlichen Vorgaben Risikoträger beschäftigen. So sollen im Bankensektor nicht mehr nur bedeutende Institute i.S.d. § 1 Abs. 3c S. 1 KWG erfasst werden, sondern alle CRR-Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 3d KWG (§ 25a Abs. 5a KWG idF des ZuFinG II). Neu erfasst werden sollen zudem Wertpapierinstitute (§ 46 Abs. 4 WpIG idF des ZuFinG II), Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 37 Abs. 4 KAGB idF des ZuFinG II) und Versicherungsunternehmen (§ 24 Abs. 5 VAG idF des ZuFinG II). Sämtliche der genannten Unternehmen haben Risikoträger aufgrund einer Risikoanalyse anhand der jeweiligen, unternehmensspezifischen europäischen Vorgaben eigenverantwortlich zu ermitteln. Welche Mitarbeiter als Risikoträger anzusehen sind, richtet sich nach den jeweils einschlägigen regulatorischen Vorgaben.
Konsequente Logik des ZuFinG II-Entwurfs…
Die Ausdehnung des Referentenentwurfs auf hochverdienende Risikoträger in sämtlichen regulierten Branchen des Finanzsektors ist folgerichtig. Die Differenzierung des aktuellen § 25a Abs. 5a KWG zwischen Institutstypen war nicht nachvollziehbar. Aufgrund ihrer Eigenschaft als Risikoträger und zusätzlich infolge ihres hohen Verdienstes nehmen die betroffenen Personenkreise eine besondere Vertrauensstellung zum Unternehmen ein. Bei Verlust dieses Vertrauens ist den Instituten ihre Weiterbeschäftigung daher grundsätzlich nicht mehr zumutbar. Personen, die eine derartige Schlüsselposition mit einem sehr hohen Gehalt bekleiden, bewegen sich zudem typischerweise nicht nur auf dem nationalen, sondern internationalen Arbeitsmarkt, sodass sie typischerweise eine adäquate Anschlussbeschäftigung finden dürften.
Dies gilt aber nicht nur für hochverdienende Risikoträger in bedeutenden Instituten des Bankensektors, sondern auch für diejenigen sämtlicher regulierter Unternehmen des Finanzsektors. Die Tätigkeit der hochverdienenden Risikoträger ist für das jeweilige Unternehmen von besonderer Bedeutung. Sie kann sich damit auch auf den Bestand des Unternehmens und damit mittelbar auch den Finanzmarkt und letztlich die Finanzstabilität auswirken. Damit korrespondiert ein besonders schutzwürdiges Interesse des jeweiligen Unternehmens, das Beschäftigungsverhältnis zügig und rechtssicher beenden zu können.
… aber auch vermehrt zu erwartende Kritik
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die bereits gegen die Kündigungserleichterung für hochverdienende Risikoträger bedeutender Institute gemäß § 25 Abs. 5a KWG erhoben worden sind, dürften jedoch erst recht gegen die im ZuFinG II-Entwurf vorgesehene Kündigungserleichterung für andere regulierte Unternehmen der Finanzbranche geltend gemacht werden. Im Gegensatz zu Risikoträgern der Finanzbranche genießen vergleichbar einkommensstarke Arbeitnehmer, gleichermaßen für die Existenz des Arbeitgebers bedeutende Aufgaben wahrnehmen, ungeschmälerten kündigungsschutzrechtlichen Bestandsschutz. Diese kündigungsschutzrechtliche Schlechterstellung von Risikoträgern wird teilweise als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (Grundgesetz) betrachtet, an den (zumindest mittelbar) auch der Privatrechtsgesetzgeber gebunden ist. Bei Risikoträgern geht es jedoch nicht nur um den Bestand irgendeines Unternehmens. Vielmehr geht es um Unternehmen der Finanzbranche, die zur Gewährleistung der Finanzstabilität umfangreich reguliert sind. Dies galt insbesondere für systemrelevante Banken, ist aber auch auf die übrigen regulierten Unternehmen der Finanzbranche übertragbar. Vor diesem Hintergrund erscheint eine kündigungsschutzrechtliche Differenzierung durchaus vertretbar – auch in der durch den ZuFinG II-Entwurf erweiterten Variante.
Fazit
Die Ausdehnung der Kündigungserleichterung für hochverdienende Risikoträger auch auf andere Finanzsektoren durch den Referentenentwurf ist daher als folgerichtig zu begrüßen. Sie trägt dazu bei, den deutschen Finanzsektor flexibler und wettbewerbsfähiger zu machen. Insofern könnte sich die Prognose des Finanzministeriums, dass die vorgesehenen Erleichterungen bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen von Risikoträger-Spitzenverdienern im Finanzsektor zu einer spürbaren Entlastung der entsprechenden Finanzinstitute führen wird (S. 3 des Referentenentwurfs des ZuFinG II), als gerechtfertigt erweisen.