Bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers sind unterschiedliche Fristen einzuhalten. Allein die Nichteinhaltung dieser Fristen hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Um welche Fristen handelt es sich und wie sind sie zu berechnen? Und was gilt bei fristlosen Kündigungen?
Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung hierzu anzuhören. Dies gilt für alle Arten von Kündigungen, für Änderungskündigungen gleichermaßen wie für Beendigungskündigungen und auch für Probezeitkündigungen. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Das Gleiche gilt für Kündigungen, zu denen der Betriebsrat zwar angehört worden ist, aber nicht ordnungsgemäß, insbesondere weil die hierbei zu beachtenden Fristen nicht eingehalten worden sind: So hat der Betriebsrat bei einer ordentlichen Kündigung eine Woche Zeit zur Stellungnahme, bevor die Kündigung ausgesprochen werden darf; bei einer außerordentlichen Kündigung beträgt die Stellungnahmefrist drei Tage. Eine Unterschreitung dieser Fristen führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Der Betriebsrat muss allerdings keine Stellungnahme abgeben und kann die Frist(en) auch verstreichen lassen. Nach Ablauf der Frist(en) kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen, unabhängig davon, ob der Betriebsrat zur Kündigung Stellung genommen hat und wie die Stellungnahme ausfällt.
Ordentliche Kündigung
Soll die Kündigung eines Arbeitnehmers unter Einhaltung der Kündigungsfrist ausgesprochen werden, hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, dem Arbeitgeber etwaige Bedenken gegen die Kündigung mitzuteilen bzw. der Kündigung zu widersprechen (§ 102 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BetrVG). Die Betriebsratsanhörung sollte idealerweise dem empfangszuständigen Betriebsratsvorsitzenden bzw. im Falle seiner Verhinderung (z.B. Krankheit, Urlaub) dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden persönlich übergeben werden (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Denn bei Übergabe an ein sonstiges Betriebsratsmitglied trägt der Arbeitgeber das Risiko der rechtzeitigen betriebsratsinternen Weitergabe des Anhörungsschreibens und muss damit rechnen, dass die Wochenfrist erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnt – und entsprechend später endet. Bei Einwurf des Anhörungsschreibens in den Briefkasten des Betriebsrats oder bei Übersendung per E-Mail ist zu beachten, dass der Zugang unter Umständen erst am nächsten Tag erfolgt, etwa wenn der Einwurf bzw. die Übersendung nach Büroschluss erfolgt.
Der Tag des Zugangs der Betriebsratsanhörung ist bei der Berechnung der Wochenfrist nicht mitzuzählen (§ 187 Abs. 1 BGB). Wird das Anhörungsschreiben dem Betriebsratsvorsitzenden z.B. am 05.04.2023 (Mittwoch) übergeben, beginnt die Wochenfrist am 06.04.2023 (Donnerstag) und endet mit Ablauf des 12.04.2023 (Mittwoch), d.h. um 24:00 Uhr (§ 188 Abs. 2 BGB). Die Kündigung darf erst am 13.04.2023 (Donnerstag) ausgesprochen werden. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist erst am nächsten Werktag (§ 193 BGB). Bei Übergabe des Anhörungsschreibens am 03.04.2023 (Montag) endet die Wochenfrist daher nicht bereits am 10.04.2023 (Ostermontag), sondern erst mit Ablauf des 11.04.2023 (Dienstag), weshalb die Kündigung in diesem Fall erst am 12.04.2023 (Mittwoch) ausgesprochen werden darf. Mit „Ausspruch“ der Kündigung ist dabei die Absendung der Kündigung, nicht deren Zugang beim Arbeitnehmer gemeint. Die Wochenfrist darf – auch in „Eilfällen“ – nicht verkürzt werden. Dem Betriebsrat muss die volle Woche für seine Stellungnahme zur Verfügung stehen.
Allerdings führt es nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben bereits am letzten Tag der Wochenfrist bei Dienstschluss einem Kurierdienst übergibt und gleichzeitig dafür sorgt, dass eine Zustellung erst so spät erfolgt, daß er sie noch verhindern kann, wenn der Betriebsrat wider Erwarten doch noch zur Kündigung Stellung nimmt (BAG vom 08.04.2003 – 2 AZR 515/02). Hiervon sollte aber aufgrund der damit verbundenen rechtlichen Risiken nur Gebrauch gemacht werden, wenn der sofortige Zugang der Kündigung unabdingbar ist, z.B. weil anderenfalls eine Quartalskündigungsfrist nicht mehr gewahrt werden kann. Rechtssicherer ist es, den Ablauf der Wochenfrist abzuwarten, bevor die Kündigung auf den Weg gebracht wird. Das Gleiche gilt, wenn zwar bereits eine Stellungnahme des Betriebsrats zur Kündigung vorliegt, aber nicht sicher ist, ob diese als abschließend zu qualifizieren ist (vgl. hierzu unseren Blog-Beitrag). Denn nur bei einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats kann eine Kündigung auch bereits vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen werden (BAG vom 24.06.2004 – 2 AZR 461/03).
Außerordentliche Kündigung
Eine außerordentliche, fristlos erklärte Kündigung aus wichtigem Grund muss dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen seit Kenntniserlangung des Arbeitgebers vom Kündigungsgrund zugehen (§ 626 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so zeitig zur Kündigung anhören, dass innerhalb der Zweiwochenfrist nicht nur das Anhörungsverfahren abgeschlossen, sondern auch der Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer bewirkt werden kann. Der Betriebsrat hat drei Tage Zeit, seine Bedenken zur Kündigung zu äußern (§ 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Hierbei handelt es sich um Kalendertage, d.h. Wochenenden und Feiertage zählen mit: Erfolgt die Betriebsratsanhörung beispielsweise am 14.04.2023 (Freitag), beginnt die Dreitagesfrist am 15.04.2023 (Sonnabend) und endet mit Ablauf des 17.04.2023 (Montag), so dass die außerordentliche Kündigung ab dem 18.04.2023 (Dienstag) ausgesprochen werden kann. Für die Fristberechnung gelten die oben dargestellten Grundsätze entsprechend (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB).
Regelmäßig wird eine außerordentliche fristlose Kündigung zugleich hilfsweise ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist ausgesprochen. Wenn in diesem Fall der Betriebsrat keine Stellungnahme abgibt, sondern die Dreitagesfrist für die außerordentliche Kündigung und die Wochenfrist für die hilfsweise ordentliche Kündigung verstreichen lässt, muss das Kündigungsschreiben unter Umständen gesplittet werden: Dies ist dann der Fall, wenn die außerordentliche Kündigung zwecks Wahrung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) zu einem Zeitpunkt ausgesprochen werden muss, zu dem zwar die Dreitagesfrist, nicht jedoch die Wochenfrist verstrichen ist. In diesem Fall wird die außerordentliche fristlose Kündigung nach Ablauf der Dreitagesfrist, die hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung durch gesondertes Kündigungsschreiben nach Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen. Das Gleiche gilt übrigens dann, wenn der Betriebsrat innerhalb der Dreitagesfrist nur zur außerordentlichen fristlosen, nicht jedoch zur hilfsweise ordentlichen fristgemäßen Kündigung Stellung genommen hat.
Fazit
Da eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, sollte immer sorgfältig darauf geachtet werden, dass die insoweit maßgeblichen Fristen eingehalten werden. Eine vor Fristablauf ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Auch ein valider Kündigungsgrund hilft nicht weiter, wenn die Kündigung wegen Nichtbeachtung der bei der Betriebsratsanhörung einzuhaltenden Fristen bereits aus formellen Gründen scheitert. Dies ist gerade bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung misslich, da diese wegen der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist regelmäßig nicht wiederholt werden kann. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ – dieses geflügelte Wort gilt zwar für die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist, nicht jedoch bei den Fristen zur Anhörung des Betriebsrats.