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Nur noch 2. Mannschaft? – Versetzungsrecht im Profisport

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Wenn Fußballprofis aussortiert werden, geraten Bundesligaklubs in die Medien. Jedenfalls in prominenten Fällen wie zuletzt etwa bei Max Kruse, sorgt das für Schlagzeilen. Unter welchen Umständen sind Versetzungen im Profifußball zulässig? – eine Frage, die auch Arbeitsrechtler beschäftigt und einige Tücken der Arbeitsvertragsgestaltung und der Reichweite des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts veranschaulicht. Eine bespielhafte Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover erging in diesem Jahr zur Versetzung eines Reha- und Athletiktrainers.

Auch Fußballprofis sind Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung. Sowohl für Profispieler als auch für -Trainer bedeutet das grundsätzlich das Training (in) der 1. Mannschaft eines Bundesligaklubs. Immer wieder fallen in Pressekonferenzen Sätze wie: Man „plane nicht mehr mit dem Spieler“ und man „habe sich entschieden, jüngeren Spielern eine Chance zu geben“. Der Spieler oder Trainer wird in eine andere Mannschaft „versetzt“. Wie das arbeitsrechtlich einzuordnen ist und unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung von Spielern und Trainern im Profisportbereich allgemein zulässig ist, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Ausgangslage

Ob es einer arbeitsvertragsgemäßen Beschäftigung entspricht, einen Lizenzspieler oder Lizenztrainer künftig nur noch am Training der 2. Mannschaft des Klubs teilnehmen zu lassen, hängt von der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags ab. Grundsatz: Der Lizenzklub ist als Arbeitgeber in den Grenzen des § 106 GewO weisungsbefugt. Zwischen der 1. und 2. Mannschaft eines Klubs können teils erhebliche Klassen- und Qualitätsunterschiede liegen. Spieler können daher einwenden, dass in der 2. Mannschaft nicht leistungsgerecht trainiert werden kann. Eine entsprechende „Degradierung“ ist nicht ohne weiteres vom Direktionsrecht des Klubs gedeckt, denn die Zuweisung einer anderen als der vertraglich vereinbarten Tätigkeit kraft Direktionsrecht ist nur zulässig, wenn sie gleichwertig ist. Wird ein angestellter Berufsfußballspieler der 1. bis 3. Liga beispielsweise in den Trainingsbetrieb der Regionalligamannschaft „versetzt“, wechselt er formell regelmäßig vom Profi- in den Amateurtrainingsbetrieb.

Nicht selten finden sich in Lizenzspieler- oder Lizenztrainerverträgen jedoch Versetzungs- bzw. sog. Abstellungsklauseln. Die Vertragsparteien vereinbaren zunächst eine bestimmte Tätigkeit, wobei der Arbeitgeber berechtigt ist, den Spieler oder Trainer in bzw. für eine andere Mannschaft des Klubs abzustellen.

Versetzungs- und Abstellungsklauseln – sind Profifußballer „normale“ Arbeitnehmer?

Ist die Versetzung eines Profifußballspielers Gegenstand eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht, geht es in der Regel um die Anwendung und Auslegung von Versetzungs- bzw. Abstellungsklauseln. Solche Klauseln in Lizenzverträgen sind grundsätzlich allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB, die der sog. Inhaltskontrolle unterliegen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie überraschend sind oder den Spieler / Trainer unangemessen benachteiligen. Einige Arbeitsgerichte haben Abstellungsklauseln bereits genauer unter die Lupe genommen und einige Besonderheiten des Profisports herausgearbeitet:

Arbeitsgericht Bielefeld:

Mit Urteil vom 16.02.2011 – 6 Ga 7/11 hatte das Arbeitsgericht Bielefeld über die folgende Klausel im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Pflichten des Spielers“ zu befinden:

Der Spieler verpflichtet sich, seine ganze Kraft und seine sportliche Leistungsfähigkeit uneingeschränkt für den Club einzusetzen, alles zu tun, um sie zu erhalten und zu steigern und alles zu unterlassen, was ihr vor und bei Veranstaltungen des Clubs abträglich sein könnte. Gemäß diesen Grundsätzen ist der Spieler insbesondere verpflichtet

  1. a) an allen Spielen und Lehrgängen des Clubs, an jedem Training – gleich ob allgemein vorgesehen oder besonders angeordnet -, an allen Spielerbesprechungen und an allen sonstigen der Spiel- und Wettkampfvorbereitung dienenden Veranstaltungen teilzunehmen. Dies gilt auch, wenn ein Mitwirken als Spieler oder Ersatzspieler nicht in Betracht kommt. Der Spieler ist bei entsprechender Anweisung auch verpflichtet, an Spielen oder am Training der zweiten Mannschaft des Clubs teilzunehmen, falls diese in der Oberliga oder einer höheren Spielklasse spielt; […]“

Eine solche Klausel im Arbeitsvertrag eines Profispielers sei nicht überraschend, so das Arbeitsgericht. Die Regelung sei auch wirksam, sofern sie unmissverständlich und bestimmt formuliert sei. Der Vertragszweck liege außerdem nicht ausschließlich in einer Beschäftigung für die 1. Mannschaft, sondern lediglich in der Beschäftigung als Fußballer gegen Entgelt. Die vertragliche Regelung, nach der ein Spieler bei entsprechender Anweisung auch verpflichtet ist an Spielen oder am Training der 2. Mannschaft des Klubs teilzunehmen, falls diese in der Oberliga oder einer höheren Spielklasse spielt, hielt das Arbeitsgericht für wirksam.

Arbeitsgericht Berlin:

Ein weiterer Fall der Abstellungsklausel im Arbeitsvertrag eines Bundesligaspielers beschäftigte das Arbeitsgericht Berlin. Mit Beschluss vom 17.02.2014 – 38 Ga 2145/14 begründete das Arbeitsgericht die Wirksamkeit einer Versetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren wie folgt: Arbeitnehmer, die über besondere Qualifikationen verfügen, wie zum Beispiel Profifußballspieler, bedürfen nicht in gleicher Weise des Schutzes vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie „normale“ Arbeitnehmer. Profifußballspieler haben, im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern, die Möglichkeit, auf die Vertragsbedingungen, die ihnen offeriert werden, real Einfluss zu nehmen, zumal sie häufig die Verträge nicht selbst verhandeln, sondern für diese professionelle Berater tätig werden. Jeder Profifußballspieler wisse, dass der Verein allein nach sportlichen Gesichtspunkten und nicht aufgrund abstrakter rechtlicher Erwägungen über den Einsatz seiner Spieler entscheiden will. Mit Vertragsabschluss gehe ein Profisportler das Risiko auch „nur“ in der 2. Mannschaft eingesetzt zu werden ein, hoffend aufgrund seiner Leistung stets nur in der 1. Mannschaft zu spielen, so das Arbeitsgericht Berlin.

Wie verhält es sich mit der Versetzung eines Trainers?

Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgericht Hannover vom 29.03.2022 – 1 Ca 147/21 hatte die Frage nach einer vertragsgerechten Beschäftigung eines Reha- und Athletiktrainers im „Lizenzspielerbereich“ zum Gegenstand. Der Trainer sollte vom Profibereich in das Nachwuchsleistungszentrum der Arbeitgeberin versetzt werden. Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein befristeter Arbeitsvertrag zugrunde, der die Regelung enthielt, dass auch der Nachwuchsbereich dem „Lizenzspielerbereich“ unterfällt und dieser dem Trainer zugewiesen werden kann. Später wurde der Vertrag durch einen neuen Arbeitsvertrag abgelöst, der diese Regelung nicht mehr enthielt. Das Arbeitsgericht entnahm der Vertragshistorie, dass eine Tätigkeit im Nachwuchsbereich gerade nicht das Gleiche sei wie das Training im „Lizenzspielerbereich“. Ansonsten wäre eine explizite Erwähnung obsolet. Entsprechend sei eine Versetzung in den Nachwuchsbereich nicht vom Direktionsrecht umfasst. Im Bereich des Profisports mache es einen für die persönliche und berufliche Entwicklung relevanten Unterschied, ob vorwiegend mit Profisportlern zusammengearbeitet wird oder eben nicht, allein schon deshalb, weil die Anforderungen an einen Profibereich um ein Vielfaches höher seien als im Nachwuchsbereich, dem i.d.R. nur vereinzelt Lizenzspieler angehörten.

Praxishinweis

Findet sich im Arbeitsvertrag eine Abstellungsklausel und erweist diese sich als zulässig, können Spieler und Trainer entsprechend versetzt werden. Im Einzelfall können jedoch weitere Umstände entgegenstehen.  Zu denken ist insoweit an mögliche Unterschiede zwischen den Ligen der beiden Mannschaften, so dass eine Teilnahme des Profifußballers am Training der 2. Mannschaft seinem Beschäftigungsanspruch nicht in ausreichendem Maße gerecht wird. Unproblematisch jedenfalls, wenn die 2. Mannschaft zumindest in der Oberliga antritt und ein Spieler seinem Leistungsniveau entsprechend trainieren kann (vgl. auch LAG Hamm, Urteil vom 28.11.2011 – 11 SaGa 35/11).

Insbesondere die Entscheidung des ArbG Hannover zeigt einmal mehr, dass eine interessegerechte Arbeitsvertragsgestaltung anspruchsvoll ist und gut durchdacht sein will.

 

Vielen Dank an Jana Schön (wissenschaftliche Mitarbeiterin im Berliner Büro) für die Mitwirkung bei der Erstellung des Beitrags

Isabell Flöter

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Isabell Flöter berät Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs- Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppeen "ESG" und "Unternehmensmitbestimmung".
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