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Lohnpfändung – die wichtigsten Verhaltensregeln für Arbeitgeber

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In Zeiten steigender Energiekosten und Verbraucherpreise geraten Arbeitnehmer vermehrt in Zahlungsschwierigkeiten. Die Zwangsvollstreckung in Lohnforderungen dürfte in den nächsten Monaten daher noch weiter an Relevanz gewinnen. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten Verhaltensregeln, um einen störungsfreien Ablauf bei Lohnpfändungen sicherzustellen und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Bei der Lohnpfändung wird ein Teil des Lohns des Schuldners (Arbeitnehmer) direkt vom Arbeitgeber einbehalten und stattdessen an den Gläubiger des Arbeitnehmers gezahlt. Dafür stellt der Gläubiger des Arbeitnehmers bei dem zuständigen Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Erlass eines sog. Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB). Ab Zustellung des PfÜB an den Arbeitgeber ist diesem untersagt, den pfändbaren Teil des Arbeitslohns an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Vielmehr muss er diesen Betrag grundsätzlich an den Gläubiger auskehren. Der Arbeitgeber wird so zum sog. Drittschuldner. Als solcher haftet er für Fehler. Damit es zu solchen nicht kommt:

Die wichtigsten Verhaltensregeln für Arbeitgeber

  • Drittschuldnererklärung abgeben

Arbeitgeber sollten dem Gläubiger auf Verlangen innerhalb von zwei Wochen nach wirksamer Zustellung des PfÜB eine sog. Drittschuldnererklärung i.S.d. § 840 ZPO übermitteln. Darin müssen sie erklären, ob und inwieweit sie die Forderung als begründet anerkennen und zur Zahlung bereit sind, ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen sowie ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist. Kommen Arbeitgeber dieser Erklärungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, machen sie sich gegenüber dem Gläubiger evtl. schadenersatzpflichtig.

 

  • Pfändbare Gehaltsanteile ermitteln

Arbeitgeber sind verpflichtet, dem Gläubiger die pfändbaren Beträge zu überweisen. Dies macht es erforderlich, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu ermitteln. Dabei gilt es zunächst, die unpfändbare Bezüge (vgl. § 850a ZPO) und die bedingt pfändbare Bezüge, die nur unter bestimmten Voraussetzungen gepfändet werden können (vgl. § 850b ZPO), zu erkennen.

Nicht pfändbar sind z.B. die Hälfte des für Mehrarbeitsstunden gezahlten Teils des Arbeitseinkommens (vgl. § 850a Nr. 1 ZPO). Das BAG hat kürzlich entschieden (Az. 8 AZR 14/22), dass ferner eine Corona-Prämie als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar ist, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.

Da der Gesetzgeber versäumt hat, die Unpfändbarkeit der Energiepreispauschale (sehen Sie zu dieser unseren Blogbeitrag vom 6. September 2022) klar im Gesetz zu verankern, ist strittig, ob diese als Arbeitslohn pfändbar ist. Das Bundesfinanzministerium in seinen FAQs zur Energiepauschale (Nr. 27) vertritt die Ansicht, dass die Energiepreispauschale unpfändbar ist. Den FAQ kommt insoweit jedoch keine Rechtsverbindlichkeit zu.

 

  • Pfändungsfreigrenzen beachten

Haben Arbeitgeber den pfändbaren Bruttolohn berechnet, müssen sie nach § 850e Nr. 1 ZPO durch Abzug der darauf anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge noch den pfändbaren Nettolohn berechnen. Ausgehend von diesem müssen sie die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO beachten. Diese dienen dazu sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den Lebensunterhalt für sich und ggf. seine Familie weiter bestreiten kann. Die Pfändung betrifft nur den, die einschlägigen Freigrenzen beachtenden, überschießenden Betrag.

 

  • Beachtung des Auszahlungsverbots

Dem Arbeitgeber als Drittschuldner ist es untersagt, den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens an den Schuldner (Arbeitnehmer) auszuzahlen. Zahlt er dennoch an den Arbeitnehmer, hat dies gegenüber dem Gläubiger keine schuldbefreiende Wirkung, d.h. dieser kann vom Arbeitgeber weiter Zahlung verlangen. Halten sich Arbeitgeber nicht an das Auszahlungsverbot besteht deshalb die Gefahr einer Doppelzahlung.

 

  • Beachtung des Prioritätsprinzips

Sollten mehrere Gläubiger pfänden, müssen Arbeitgeber zuerst denjenigen befriedigen, dessen Pfändung sie zuerst erhalten haben. Erst wenn dessen Forderung vollständig (inkl. etwaiger Zinsen und Vollstreckungskosten) beglichen ist, dürfen sie an den nächsten Gläubiger zahlen. Verstoßen Arbeitgeber gegen dieses sog. Prioritätsprinzip, werden sie gegenüber dem vorrangigen Gläubiger nicht von der Zahlungspflicht befreit und müssen an diesen noch einmal leisten. Sind Arbeitgeber unsicher, welcher Gläubiger der vorrangige ist, können sie den pfändbaren Betrag alternativ auch bei dem zuständigen Gericht hinterlegen. Auf diese Weise können Doppelzahlungen vermieden werden.

 

Die Kosten trägt grundsätzlich der Arbeitgeber

Mit der Bearbeitung von Lohnpfändungen gehen neben dem bloßen verwaltungstechnischen Mehraufwand üblicherweise auch nicht unerhebliche Mehrkosten einher. Diese muss der Arbeitgeber grundsätzlich selbst tragen. Ein gesetzlicher Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer besteht nicht. Auch der Weg der Abwälzung entsprechender Kosten durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung ist Arbeitgebern nach der Entscheidung des BAG vom 18. Juli 2006 (Az. 1 AZR 578/05) versperrt. Als einzige Option verbleibt damit in der Regel ein (pauschalierter) Kostenerstattungsanspruch durch individualvertragliche Vereinbarung.

Lohnpfändung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund

Abmahnen oder kündigen können Arbeitgeber wegen einer Lohnpfändung im Übrigen grundsätzlich nicht, da Schulden zu dem Bereich der privaten Lebensführung der Arbeitnehmer gehören. Denkbar wäre eine Kündigung nur im Ausnahmefall, wenn etwa dem Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensstellung zukommt oder sich wesentliche Störungen im Arbeits- bzw. betrieblichen Organisationsablauf durch die Pfändung ergeben.

Best Practice

Arbeitgeber sollten die Lohnpfändung generell nicht auf die leichte Schulter nehmen, da sie mit einem bedeutsamen Haftungsrisiko einhergehen kann. Bei Einhaltung der genannten wichtigsten Verhaltensregeln können Arbeitgeber dieses Risiko minimieren. Gerade bei Unsicherheiten und Zweifeln im Einzelfall (z.B. mit Blick auf die Pfändbarkeit bestimmter Einzelleistungen) oder in Sonderfällen (wie z.B. im Falle der Lohnpfändung wegen Unterhaltsansprüchen) empfiehlt es sich aber immer, vorsorglich individuellen Rechtsrat einzuholen.

Sabine Vorbrodt, LL.M.

Rechtsanwältin

Associate
Sabine Vorbrodt berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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