Früher gerne belächelt, heute zunehmend professionalisiert und stetig wachsend: die E-Sports-Branche. Ab wann wird aus einem Spieler ein Arbeitnehmer? Wo liegen die Schnittstellen zwischen Arbeitsrecht und E-Sport? Und worauf haben E-Sports-Teams in arbeitsrechtlicher Hinsicht besonders zu achten? Der folgende Beitrag soll einen kompakten Überblick verschaffen.
Beim sog. E-Sport messen sich Spieler weltweit in professionell organisierten Teams in verschiedenen Computerspielen vor einem teils großen (Millionen-)Publikum. Der E-Sport-Markt wächst seit mehreren Jahren weltweit kontinuierlich und soll diese Entwicklung laut aktueller Prognosen auch zukünftig beibehalten. 2021 konnte die Branche weltweit die Marke von einer Milliarde US-Dollar Umsatz brechen. Allein in Deutschland, wo der Markt jährlich um 20 Prozent wächst, wird für 2024 ein Umsatz von 150 Millionen Euro erwartet. Gleichlaufend mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung kann auch eine zunehmende Professionalisierung der Branche beobachtet werden. Dies zeigt sich durch verstärkte Vereins-, Verbands- und Organisationsstrukturen sowie einem breitgefächerten Gerüst verschiedener Turniere und Ligen. Zahlreiche Profi-Sport-Vereine wie Eintracht Frankfurt, Hertha BSC und Schalke 04 sind mit eigenen E-Sports-Teams im Markt vertreten. Diese zunehmende Professionalisierung verstärkt die Berührungspunkte und Spannungsfelder zum Arbeitsrecht.
Noch Spieler oder schon Arbeitnehmer?
Die Schnittstelle zwischen E-Sport und Arbeitsrecht bildet insbesondere die Frage, wann der E-Sportler als Arbeitnehmer anzusehen ist. Die Beantwortung dieser Frage fällt insbesondere im Übergangsbereich vom hobbymäßig, semi-professionell betriebenen E-Sport zu einer professionellen E-Sport-Organisation schwer.
Die Arbeitnehmereigenschaft wird nach § 611 a Abs. 1 BGB dahingehend definiert, dass eine Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorliegen muss, bei gleichzeitiger Eingliederung in eine betriebliche Organisation. Klassische Tätigkeiten eines E-Sportlers sind vor allem das Training, aber auch die Teilnahme an Online- und Offline-Wettkämpfen (sog. „LANs“) und Wettbewerben, sowie – je nach Grad der Professionalisierung – Werbetätigkeiten und Marketingauftritte. Zum Zwecke des kompetitiven Wettkampfs auf professionellem Niveau muss der E-Sportler kognitive Höchstleistungen erbringen, bei denen es insbesondere auf eine gute Hand-Augen-Koordination und schnelle Reaktionsfähigkeiten ankommt.
Sportliche Betätigung ist dem Grundsatz nach keine Arbeit, da sie in der Regel der privaten Freizeitgestaltung und damit dem Selbstzweck dient. Sport wird dann zur Arbeit, wenn der Sporttreibende unter Ausnutzung seiner sportlichen Fähigkeiten im Rahmen einer persönlichen Abhängigkeit ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt (Verdienen des Lebensunterhalts) und gleichzeitig die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers (hier der E-Sport-Organisation) fördert. Anhand dieser Definition wird auch der Arbeitnehmerstatus von Lizenzfußballspielern begründet.
Die Arbeitnehmereigenschaft eines E-Sportlers kommt also insbesondere dann in Betracht, wenn der E-Sportler im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit seiner E-Sport-Organisation eine Vergütung bezieht, die Organisation Weisungen zum zeitlichen Umfang, dem Inhalt und der Art und Weise des Spielens vorgibt und eine gewisse betriebliche Organisationsstruktur vorhanden ist. Dauernde oder detaillierte Weisungen sind hierbei nicht erforderlich. Jedoch könnte bereits die Vorgabe, sich zu einer bestimmten Zeit in einer virtuellen Spiellobby einzufinden, als Weisung hinsichtlich des virtuellen/digitalen Arbeitsortes ausgelegt werden. Viele E-Sports-Teams verfügen zudem über Betreuer, Trainer und Manager, sodass in diesem Zusammenhang schnell vom Vorliegen einer betrieblichen Organisationsstruktur und einer Eingliederung des E-Sportler in diese ausgegangen werden kann.
Ob ein E-Sportler im Einzelfall unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist, ist stets unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Probleme bereitet hier nicht selten der Umstand, dass die Arbeit zum Großteil in Telearbeit erbracht wird. Regelmäßig wird die Arbeitnehmereigenschaft zudem von der Selbstständigkeit (vor allem in Hinblick auf eine fehlende Weisungsgebundenheit und/oder eine fehlende persönliche Abhängigkeit) abzugrenzen sein. Viele E-Sport-Teams betrachten ihre Spieler vermeintlich als Freelancer, obwohl diese unter Zugrundlegung der o.g. Maßstäbe, insbesondere durch Eingliederung in eine feste Organisationsstruktur, tatsächlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind.
Weitere Schwierigkeiten kann der Umstand bereiten, dass viele E-Sport-Teams aus Spielern unterschiedlicher Nationen bestehen, sodass vor der Prüfung des Arbeitnehmerstatus zunächst anhand der Rom-I-Verordnung geklärt werden muss, welches nationale Recht auf den einzelnen E-Sportler Anwendung findet.
Sobald eine E-Sports-Organisation ihren Spielern also eine regelmäßige Vergütung zahlt, Vorgaben zu Trainings- und Wettkampfzeiten macht und der E-Sportler mit der Tätigkeit seinen „Lebensunterhalt“ verdient, sollten die Alarmglocken schrillen und das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft genau geprüft werden. Im Ergebnis wird insbesondere bei den Spitzenteams regelmäßig vom Arbeitnehmerstatus auszugehen sein.
Kollision von E-Sport und Arbeitsrecht
Muss nach den zuvor genannten Grundsätzen von einer Arbeitnehmereigenschaft ausgegangen werden, bringt das verschiedene – teils weitreichende – Konsequenzen für die E-Sport-Organisation mit sich. So hat das E-Sport-Team als Arbeitgeber eine Vielzahl arbeits(schutz)rechtlicher Vorschriften sowie steuer- und sozialversicherungsrechtliche Pflichten zu beachten.
Beispielhaft soll hier nur Folgendes angeführt werden:
- Es ist eine Höchstarbeitszeit von grundsätzlich acht Stunden werktäglich (§ 3 ArbZG) und eine Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen einzuhalten. Beides kann aufgrund des umfangreichen Trainings und häufig lang andauernder Wettbewerbe, die auch mehrere Tage am Stück dauern können, schnell zum Problem werden.
- Großes Augenmerk sollte aufgrund der Minderjährigkeit vieler E-Sportler auch auf die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzes gelegt werden. Gerade die Spitzen-E-Sportler sind aufgrund ihrer den Älteren überlegenen Reaktionsfähigkeiten häufig noch nicht volljährig. Hier kann vor allem das grundsätzliche Verbot der Arbeit nach 20 Uhr einen Stolperstein darstellen (§ 14 JArbSchG). Auch sollten Veranstalter von offline E-Sports-Wettkämpfen § 6 Abs. 1 JuSchG im Blick haben, wonach Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen nicht gestattet werden darf.
- Auch arbeitsschutzrechtliche Vorschriften wie § 618 BGB, das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung, die im E-Sport insbesondere in Hinblick auf die Ergonomie von Bildschirmen, Stühlen und Headsets Bedeutung haben können, sind zu beachten. Dies gilt umso mehr als das der „Arbeitsort“ des E-Sportlers häufig zwischen dem heimischen Arbeitsplatz, dem Arbeitsplatz in einem sog. E-Sports-Haus und den Arbeitsplätzen bei Offline-Wettbewerben wechselt. Auch können psychische Aspekte wie ein hoher Leistungsdruck, sowie unregelmäßige und lange Arbeitszeiten arbeitsschutzrechtliche Fragen aufwerfen und sollten nicht außer Acht gelassen werden.
- Ferner haben E-Sports-Organisationen grundsätzlich auch entsprechende Sozialversicherungsabgaben und Steuern für ihre E-Sportler abzuführen, sobald eine Arbeitnehmereigenschaft anzunehmen ist.
- Zudem hat der E-Sportler als Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub.
Ausblick
Der professionelle E-Sportler stellt einen Hybrid aus kompetitivem Leistungssportler und Telearbeiter dar. In den kommenden Jahren ist infolge des steigenden Umsatzes mit einer weiter zunehmenden Professionalisierung der Branche zu rechnen. Dies wird zwangsläufig auch zu einer größeren Zahl an E-Sport-Teams und -Spielern im semi-professionellen Grenzbereich führen, im welchem die Frage, ob die E-Sportler noch Spieler oder schon Arbeitnehmer sind, eine herausragende Rolle spielen wird. So schwer die Abgrenzung im Einzelfall auch sein mag, so entscheidend ist sie für die Anwendung der arbeits(schutz)rechtlichen Vorschriften und die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Konsequenzen. Bei nachträglicher Feststellung des Arbeitnehmerstatus drohen erhebliche rückwirkende Zahlungsverpflichtungen für die E-Sports-Teams in Hinblick auf Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.
Unter Beachtung dieser Risiken sollten E-Sports-Organisationen bei zunehmender Professionalisierung auch immer die arbeitsrechtliche Perspektive im Blick haben und im Zweifel rechtlichen Rat einholen.