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MAV-Wahlen bei der Evangelischen Kirche und der Diakonie – Was tun bei Fehlern?

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Etwa 700.000 Arbeitnehmer arbeiten derzeit in Deutschland für die evangelische Kirche und ihren Wohlfahrtsverband, die Diakonie Deutschland. Derzeit wählen diese Mitarbeiter in vielen Dienststellen eine neue Mitarbeitervertretung (MAV). Auch hierbei kommt es immer wieder zu Verstößen gegen das Wahlverfahren, die Wahlberechtigung oder die Wählbarkeit. Wir zeigen, wie dann zu reagieren ist.

MAV-Wahlen werden selten völlig fehlerfrei durchgeführt. Nicht jeder Tippfehler kann jedoch vor dem Kirchengericht verfolgt werden. Kommt es zu wesentlichen Verstößen, die Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben, lohnt sich der Gang zum Kirchengericht.

Anfechtung der Wahl

Eine Anfechtung der MAV-Wahl vor dem Kirchengericht setzt zunächst voraus, dass

  • ein Verstoß gegen wesentliche Bestimmungen über die Wahlberechtigung, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vorliegt,
  • der Verstoß nicht behoben wurde und
  • durch den Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst oder geändert werden konnte.

Ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Wahlberechtigung ist bspw. anzunehmen, wenn wahlberechtigte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nicht wählen durften. Entsprechend liegt in der Nichtzulassung von wählbaren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern als Wahlbewerber ein wesentlicher Verstoß gegen die Wählbarkeit. Wesentliche Verstöße gegen das Wahlverfahren sind insbesondere bei Verstößen gegen die Wahlgrundsätze anzunehmen, also bspw. gegen den Grundsatz der geheimen Wahl. Ein wesentlicher Verstoß liegt auch vor, wenn der Wahlvorstand vor der Stimmabgabe nicht festgestellt hat, dass die Wahlurnen leer sind oder sie nicht bis zum Abschluss der Wahlhandlung verschlossen gehalten werden.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Wahl innerhalb zwei Wochen, gerechnet vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an, angefochten werden. Anfechtungsberechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte oder die Dienststellenleitung. Die Anfechtung muss schriftlich beim zuständigen Kirchengericht erfolgen.

Ist die Anfechtung der Wahl erfolgreich, erklärt das Kirchengericht das Wahlergebnis für ungültig und ordnet eine Wiederholung der Wahl an. Eine Wahlanfechtung hat allerdings keine aufschiebende Wirkung. Die neu gewählte MAV kann sich daher auch im Fall der Wahlanfechtung konstituieren.

Nichtigkeit der Wahl

In besonderen Ausnahmefällen kann das Kirchengericht die Nichtigkeit einer MAV-Wahl feststellen. Das setzt voraus, dass in so hohem Maße gegen wesentliche Wahlrechtsgrundsätze verstoßen wurde, dass nicht einmal der Anschein einer gesetzeskonformen Wahl vorliegt. Dies ist bspw. der Fall, wenn eine MAV unmittelbar in einer Wahlversammlung per Akklamation gewählt wird.

Die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl kann von jedermann beantragt werden, der an der der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat, also bspw. von der Dienststellenleitung, von Wahlbewerbern oder Wahlberechtigten. Eine Frist ist nicht zu beachten.

Eine nichtige Wahl ist von Anfang an unwirksam. Eine in einer nichtigen Wahl gewählte MAV hat rechtlich nie bestanden. Das hat zur Folge, dass die Beschlüsse einer so entstandenen MAV keine rechtliche Wirkung haben.

Abbruch der Wahl oder Untersagung der Wahl per einstweiliger Verfügung?

Eine Überprüfung der Wahl im laufenden Wahlverfahren scheidet nach der derzeitigen Rechtsprechung der Kirchengericht aus, wenn im Wahlverfahren begangene Fehler lediglich zur Anfechtbarkeit der Wahl führen. Offen gelassen hat es der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland bislang, ob im Falle der Nichtigkeit einer MAV-Wahl per einstweiliger Verfügung ein Abbruch einer Wahl erreicht werden kann (KGH.EKD, Beschluss vom 6.9.2020 – I-0124/S53-10).

Fazit

Wesentliche Verstöße gegen die Vorschriften über die Wahlberechtigung, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren können vor dem Kirchengericht in einem Anfechtungsverfahren überprüft werden. Dies ist allerdings nur innerhalb einer zweiwöchigen Frist ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses möglich. Ist diese Frist verstrichen, können nur noch extreme Verstöße gegen die genannten Vorschriften dahingehend untersucht werden, ob sie die Nichtigkeit der Wahl nach sich ziehen. Jedenfalls in derartigen Ausnahmefällen sollte auch der Abbruch einer Wahl per einstweiliger Verfügung möglich sein. Denn nur so kann der Gefahr einer Zeit ohne rechtlich existente MAV vorgebeugt sowie Zeit und Geld auf dem Weg zur ordnungsgemäßen Wahl einer MAV gespart werden.

Dr. Julia Christina König

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht
Counsel
Julia König berät Arbeitgeber sowohl zu Fragen des Arbeit­neh­mer­da­ten­schut­zes als auch im Umstruk­tu­rie­rungkontext. Besondere Expertise besitzt sie im Bereich von Unter­neh­men in kirchlicher Trä­ger­schaft sowie aus dem Gesund­heits­sek­tor.
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