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„Brückenteilzeit“: Wer zu spät kommt …

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Flexible Arbeitszeitgestaltungen werden immer beliebter. Viele Beschäftigte streben nach einer Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Ein Instrument des Gesetzgebers hierzu ist die Brückenteilzeit. Zu möglichen Fallstricken bei einem Antrag auf Brückenteilzeit äußerte sich nun das BAG.

Seit nunmehr gut drei Jahren regelt § 9a TzBfG einen gesetzlichen Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit, die sog. „Brückenteilzeit“. Für Arbeitnehmer ist sie eine attraktive Möglichkeit, die Arbeitszeit an ihre individuellen Lebensumstände anzupassen, für Arbeitgeber dagegen eine bürokratische und planerische Herausforderung.

Für ein Mindestmaß an Planungssicherheit soll die erforderliche Einhaltung einer Mindestankündigungsfrist sorgen: Spätestens drei Monate vor Beginn muss die Brückenteilzeit in Textform geltend gemacht werden.

Doch was passiert, wenn die Ankündigungsfrist nicht eingehalten wird? Was ist bei der Ablehnung eines Antrags auf Brückenteilzeit zu beachten? Und kann ein verspäteter Antrag zumindest als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirkendes Angebot auf Verringerung der Arbeitszeit verstanden werden?

Mit diesen Fragen hatte sich kürzlich das BAG zu befassen und hat Klarheit geschaffen.

Worum ging es?

Die klagende Arbeitnehmerin war seit 2007 – zunächst in Vollzeit – bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem sie bereits auf Grundlage tarifvertraglicher Regelungen ihre Arbeitszeit verringert hatte, begehrte sie hieran anschließend ab April 2020 erneut eine Arbeitszeitverringerung unter Hinweis auf die Pflegebedürftigkeit ihres Vaters.

Ende Januar 2020 stellte die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit in Schriftform. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Zur Begründung führte die Arbeitgeberin aus, dass die Angaben ohne Attest oder Gutachten nicht ausreichten. Zudem stünden der Reduzierung der Arbeitszeit dienstliche Belange entgegen. Es erfolgte allerdings kein Hinweis auf die nicht gewahrte Ankündigungsfrist.

Gegen diese Ablehnung wandte sich die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage. Sie war der Ansicht, dass ihr ein Anspruch gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 TzBfG auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit zustehe.

Die Entscheidung des BAG

Nachdem sowohl erstinstanzlich (ArbG Düsseldorf vom 30.6.2020 – 5 Ca 1315/20) als auch zweitinstanzlich (LAG Düsseldorf vom 28.10.2020 – 12 Sa 450/20) die Arbeitnehmerin zunächst Recht erhielt, blieb die Klage vor dem BAG erfolglos. Die Erfurter Richter entschieden mit Urteil vom 7. September 2021 (9 AZR 595/20), dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch gegen ihre Arbeitgeberin auf Zustimmung zur Brückenteilzeit habe. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Arbeitnehmerin die Mindestankündigungsfrist gem. § 9a Abs. 3 Satz 1 TzBfG i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht eingehalten habe.

Die Vorinstanzen gingen zwar auch von einer Fristversäumung aus. Jedoch stand diese nach ihrer Ansicht dem Anspruch auf Brückenteilzeit nicht entgegen, da die Arbeitgeberin auf die Einhaltung der Frist verzichtet habe. Der Verzicht sei darin zu sehen, dass die Arbeitgeberin das verspätete Verringerungsverlangen aus sachlichen Gründen abgelehnt habe, ohne zusätzlich den Verstoß gegen die Ankündigungsfrist zu rügen.

Dies sah das BAG anders und lehnte einen solchen Verzicht ab. Grundsätzlich können Arbeitgeber zwar auf die Einhaltung der Frist verzichten, da das TzBfG nur Abweichungen zu Lasten des Arbeitnehmers verbietet. Dieser Verzicht müsse indes unmissverständlich und zweifelsfrei erkennbar sein. Dies sei nicht bereits der Fall, wenn die Ablehnung der Brückenteilzeit unter Angabe betrieblicher Gründe erfolge, ohne zusätzlich auf die Fristversäumnis hinzuweisen. Es müssten vielmehr weitere Anhaltspunkte hinzukommen, die auf einen Verzichtswillen schließen lassen.

Nachdem ein Verzicht „vom Tisch“ war, stellte sich die entscheidende Frage, welche Folgen sich aus der Fristversäumnis bei der Brückenteilzeit ergeben. Das BAG führte aus, dass der verspätete Antrag der Klägerin nicht ohne Weiteres als ein zum frühestmöglichen Zeitpunkt wirkendes Angebot auf Änderung der Arbeitszeit verstanden werden könne. Hierin liegt ein deutlicher Unterschied zur zeitlich unbefristeten Teilzeit nach § 8 TzBfG – dort wird eine solche Auslegung vorgenommen. Nach Ansicht des BAG lasse sich diese Auslegungsregel jedoch nicht auf die Brückenteilzeit übertragen. Denn bei der Teilzeit nach § 8 TzBfG komme es dem Arbeitnehmer primär auf das „ob“ der Teilzeit an.

Dagegen könne bei der Brückenteilzeit nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass es dem Arbeitnehmer lediglich darum gehe, überhaupt für einen gewissen Zeitraum die Arbeitszeit zu reduzieren. Vielmehr könne es dem Arbeitnehmer auch auf den konkret beantragten Zeitpunkt ankommen. Ein verspäteter Antrag auf Brückenteilzeit könne daher nur dann als ein solcher zur Reduzierung zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgelegt werden, wenn der Arbeitgeber anhand konkreter Anhaltspunkte erkennen könne, dass es dem Arbeitnehmer vorrangig auf das „ob“ ankomme.

Fazit

Für Arbeitgeber gilt es, jeden Antrag auf Brückenteilzeit genau zu prüfen – insbesondere im Hinblick auf die Mindestankündigungsfrist. Denn wer zu spät beantragt, hat in der Regel keinen Anspruch auf Zustimmung zur befristeten Arbeitszeitreduzierung. Allerdings sollten Arbeitgeber bei der Ablehnung auf die Wahl ihrer Formulierung achten, um hier nicht unbeabsichtigt einen Verzicht auf die Ankündigungsfrist zu erklären.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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