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Das neue Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats – Hemmschuh für die Einführung mobiler Arbeit?

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Im Frühling dieses Jahres wurde das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen und so ein neues Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates geschaffen. Der im Juni in Kraft getretene § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG vermittelt dem Betriebsrat einen Mitbestimmungstatbestand bei der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“. Die Bundesregierung bezweckte hiermit die Förderung ortsflexiblen Arbeitens durch eine Vereinheitlichung des betrieblichen Rechtsrahmens. Doch was umfasst die Neuregelung und wie förderlich ist sie wirklich? Zeit für eine erste Bestandsaufnahme.

Der Wortlaut der neuen Nr. 14 des Mitbestimmungskataloges ist denkbar kurz. Den sich aufdrängenden Fragen, was ist mobile Arbeit, wie weit reicht die Mitbestimmung und wie verhält sich die Neuregelung zu den anderen Mitbestimmungstatbeständen, soll sich daher im Folgenden genähert werden.

Begriff der „mobilen Arbeit“ i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG

In der Gesetzesbegründung findet sich erstmals eine – recht sperrige – Definition „mobiler Arbeit“:

Ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitet mobil, wenn er oder sie die geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten seiner oder ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringt.

Hiervon soll sowohl die anlassbezogene als auch die regelmäßige mobile Arbeit umfasst sein.

Nicht erfasst werden sollen Tätigkeiten, die zwar unterwegs, aber nicht mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht werden (Bsp.: Bote, Fahrer), zudem solche Tätigkeiten bei denen sich die Mobilität zwingend aus der Eigenart der geschuldeten Arbeitsleistung ergibt (Bsp.: Handelsvertreter, Monteure).

Der Gesetzgeber versteht zudem unter „mobiler Arbeit“ nicht nur die örtlich völlig flexible Arbeitserbringung, sondern auch die (wenig mobile) Arbeit aus dem „Home-Office“ der ArbeitnehmerInnen.

Umfang des Mitbestimmungsrechts – „Wie“ nicht „Ob“

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats betrifft die inhaltliche Ausgestaltung, also das „Wie“ der mobilen Arbeit. Nicht mitbestimmt sein soll hingegen das „Ob“: Die Entscheidung über die Einführung der mobilen Arbeit im Betrieb und im Umkehrschluss auch die Entscheidung, flexible Arbeitsmodelle wieder aufzugeben, obliegt weiterhin dem Arbeitgeber.

Der Begriff der inhaltlichen Ausgestaltung ist jedoch denkbar weit. Zur Konkretisierung schwebten dem Gesetzgeber Regelungen

  • über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit,
  • über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit,
  • über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf,
  • zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte,
  • zur Erreichbarkeit der ArbeitnehmerInnen,
  • zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und
  • über einzuhaltende Sicherheitsaspekte

vor.

Doch an diesen Beispielen entzünden sich bereits die ersten Diskussionen. Ob etwa mit zeitlichem Umfang wirklich der Umfang des Anteils mobiler Arbeit an der Wochenarbeitszeit gemeint sein soll, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird hierunter (vorzugswürdig) nur die Verteilung der mobilen Arbeitszeiten auf einzelne Wochen(-tage) verstanden. Eine Mitbestimmung auch hinsichtlich des zeitlichen Anteils am Arbeitszeitdeputat käme bereits dem „Ob“ sehr nahe – woran sich zeigt, wie schwierig sich die Abgrenzung zwischen „ob“ und „wie“ in der Praxis darstellen kann. Auch hinsichtlich des Umgangs mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit sind Streitigkeiten vorprogrammiert – soll hierdurch die Ausstattung der ArbeitnehmerInnen und eine (weitergehende) Kostentragungspflicht der ArbeitgeberInnen begründet bzw. ausgeweitet werden – oder wortwörtlich bloß der Umgang mit den im Einzelfall überlassenen Arbeitsmitteln?

Verhältnis zu anderen Mitbestimmungsrechten

Zudem stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des neuen Nr. 14 zu anderen Mitbestimmungstatbeständen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll Nr. 14 lediglich einen Auffangtatbestand darstellen und andere Mitbestimmungsrechte unberührt lassen. Die anderen im Rahmen mobiler Arbeit ohnehin zu beachtenden Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG gelten daher unverändert fort. Das heißt insbesondere die Mitbestimmung bei Fragen der Ordnung des Betriebs (Nr. 1), der Arbeitszeit (Nr. 2) und der Einführung technischer Einrichtungen (Nr. 6) wird nicht beschnitten. Wieviel Platz für Nr. 14 neben den angewendeten Mitbestimmungstatbeständen bestehen bleibt, wird sich zeigen.

Ausblick

Die Neureglung lässt viele Fragen offen. Feststeht lediglich, dass die Einführung mobiler Arbeitsformen weiterhin mitbestimmungsfrei bleibt und nicht erzwungen werden kann. Im Übrigen bleibt eine gewisse Ungewissheit, die aus der relativ konturenlosen Zielrichtung der Neuregelung folgt – einen Auffangtatbestand für alle Regelungen mit denen mobile Arbeit ausgestaltet werden kann abzubilden. Es wird abzuwarten sein, wie weit der Begriff der „Ausgestaltung“ mobiler Arbeit durch die Rechtsprechung ausgelegt wird. Eine restriktive Handhabung wäre wünschenswert, da anderenfalls eher mit einer Hemmung der Einführung mobiler Arbeit zu rechnen ist als mit der gesetzlichen Intention der Förderung. Bis auf Weiteres sollte vor der Einführung mobiler Arbeit (und der Anpassung bestehender Bestimmungen) jedenfalls noch gründlicher geprüft werden, ob eine Beteiligung des Betriebsrates erforderlich ist.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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