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Das geheime Doppelleben des Arbeitnehmers im Homeoffice

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Doppeltes Gehalt bei einfacher Arbeitszeit? Das klingt nach dem Traum vieler Arbeitnehmer. Das Homeoffice hat für viele von ihnen bereits ein hohes Maß an Flexibilität ins Arbeitsleben gebracht. Manch einer hat die größere zeitliche Verfügbarkeit im Homeoffice (keine Arbeitswege, etc.) dazu genutzt, sein Gehalt durch eine Nebentätigkeit aufzubessern. Wenn die Nebentätigkeit jedoch während der Arbeitszeit der Haupttätigkeit erledigt wird, kann dies erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dieser Beitrag widmet sich der Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Nebentätigkeit im Homeoffice und den Möglichkeiten des Arbeitgebers, ein solches „doppeltes Spiel“ zu unterbinden.

Eine Mitteilung aus den USA schlug kürzlich hohe Wellen: So gab ein Programmierer zu, sich während des pandemiebedingten Homeoffice einen zweiten Vollzeitjob gesucht zu haben. Nach eigenen Angaben erledigt er beide Vollzeittätigkeiten während seiner 40-stündigen Arbeitswoche. Getreu dem Motto: „Arbeite nicht härter (bzw. länger), sondern klüger“. Das Ganze natürlich ohne Wissen des einen oder anderen Chefs. Zwangsläufig stellt sich die Frage, ob sich Arbeitgeber in Deutschland auch mit derartigem Verhalten konfrontiert sehen können.

Was gilt in Deutschland?

Nebentätigkeiten sind in Deutschland grundsätzlich zulässig und müssen vom Arbeitgeber auch nicht genehmigt werden. Eine Nebentätigkeit kann in folgenden Formen ausgeübt werden:

  • Ein weiteres angestelltes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber oder
  • ein freies Dienstverhältnis (selbständige Nebentätigkeit).

Nimmt ein Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit auf (egal ob eine Stunde pro Woche oder 40), der er während seiner regulären Arbeitszeit seiner Haupttätigkeit nachgehen will, dann stellt dies eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Denn während der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Einsatz seiner vollen Arbeitskraft. Das Modell des Programmierers aus den USA dürfte also erhebliche Sanktionen (s.u.) nach sich ziehen, wenn es hier in Deutschland ausprobiert würde.

Welchen Risiken setzen sich Arbeitgeber aus?

Um auf Nummer sicher zu gehen, verpflichten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer meistens arbeitsvertraglich, sämtliche Nebentätigkeiten anzuzeigen bzw. vom Arbeitgeber genehmigen zu lassen. Eine solche Regelung ist zulässig und sinnvoll. Sie ermöglicht dem Arbeitgeber, jede Nebentätigkeit zu überprüfen. Diese Überprüfung sollte der Arbeitgeber ernst nehmen. Denn hierdurch kann nicht nur eine Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers vermieden werden, sondern auch bußgeld- und strafbewehrten Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetzt vorgebeugt werden.

Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, darauf zu achten, dass die tägliche Höchstarbeitszeit von regelmäßig acht Stunden nicht überschritten wird. Außerdem müssen Ruhezeiten von mindestens elf Stunden zwischen den Arbeitseinsätzen liegen. Gerade im Homeoffice sind diese Grenzen bereits fließend. Wenn zu dem Hauptarbeitsverhältnis nun eine Nebentätigkeit hinzukommt, liegt das Risiko von Verstößen auf der Hand.

Bei selbständiger Nebentätigkeit des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber keine Sanktionen befürchten, da das Arbeitszeitgesetz nur für die angestellte Nebentätigkeit greift.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Hat der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit nicht angezeigt, stehen dem Arbeitgeber die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung, um zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer eine Nebentätigkeit ausübt:

  • Indizien für ein doppeltes Spiel können sein: mangelnde telefonische Erreichbarkeit des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit, häufige Verlegung von Meetings oder Telefonaten, keine Teilnahme an „optionalen“ Terminen, oder ein deutlicher Leistungsabfall im Laufe der Arbeitswoche aufgrund der Doppelbelastung.
  • Hilfreich können ebenfalls Hinweise von anderen Arbeitnehmern, Kunden, Lieferanten oder sonstigen Unternehmenspartnern sein.
  • Bei einer Nebentätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber kann die Veränderung der Steuerklasse ein wichtiges Indiz sein. Nur eines der beiden Arbeitsverhältnisse kann das „Hauptarbeitsverhältnis“ sein. Sofern nicht ausdrücklich anders angemeldet, wird das zuletzt angemeldete Arbeitsverhältnis als „Hauptarbeitsverhältnis“ behandelt. Das vorherige Arbeitsverhältnis wird automatisch zum Nebenarbeitsverhältnis mit Steuerklasse VI. Wenn der Arbeitnehmer bzw. der neue Arbeitgeber bei der Anmeldung zur Sozialversicherung nicht achtgeben, erhält der bisherige Hauptarbeitgeber auf diesem Wege einen eindeutigen Hinweis.
  • Bei konkretem Verdacht der Ausübung der Nebentätigkeit während der Arbeitszeit kann die betriebliche IT-Infrastruktur (E-Mails, Browserverlauf, etc.) nach dahingehenden Hinweisen ausgewertet werden. Hierfür sind jedoch erhebliche Verdachtsmomente im Vorfeld erforderlich und insbesondere bei erlaubter Privatnutzung sind datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Dem Arbeitgeber stehen bei Verdacht auf ein doppeltes Spiel die üblichen Mittel zur Verfügung: von Personalgespräch über Abmahnung bis hin zur außerordentlichen Kündigung. Außerdem sollte die Rückkehr aus dem (pandemiebedingten) Homeoffice erwogen werden. Denn wenn der Arbeitsort weder im Arbeitsvertrag noch kraft späterer Vereinbarung ins Homeoffice des Arbeitnehmers verlegt wurde, dann besteht kein Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice.

Hinweise für die Praxis

Arbeitgeber, die das Risiko eines doppelten Spiels verringern möchten, sollten insbesondere folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Vorbeugen, z.B. durch entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln zur Nebentätigkeit,
  • überprüfen, z.B. hinsichtlich des Einsatzes für das Unternehmen aus dem Homeoffice heraus,
  • ansprechen, sobald erste Verdachtsmomente vorliegen und wenn keine Besserung eintritt, mit den üblichen arbeitsrechtlichen Mitteln vorgehen.

Jörn-Philipp Klimburg LL.M.

Rechts­an­walt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Jörn-Philipp Klimburg berät deutsche und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden die Gestaltung und Begleitung von Restrukturierungen, Outsourcing-Projekten und M&A-Transaktionen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen. Besondere Expertise hat er zudem im Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht sowie im Bereich der Anstellungsverhältnisse von Vorständen und Geschäftsführern. Jörn-Philipp Klimburg ist bei KLIEMT.Arbeitsrecht verantwortlich in der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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