Manche Mitarbeiter lässt man nur ungern wieder gehen. Aber ist es zulässig, wenn im Arbeitsvertrag festgehalten wird, dass ein Mitarbeiter erst nach 42 Monaten im Betrieb ordentlich kündigen darf? Warum andere Wege der Mitarbeiterbindung empfehlenswerter sind, zeigt dieser Beitrag.
Garantierte drei Jahre im Betrieb? Das LAG Baden-Württemberg hatte kürzlich (Urteil vom 10.5.2021 – 1 Sa 12/21) über die Wirksamkeit einer Vertragsklausel zu entscheiden: Laut dieser sollte das Arbeitsverhältnis einer Ärztin nach Ablauf der Probezeit erst 42 Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt werden können.
Worum ging es?
Die Klägerin (Ärztin) und die beklagte Klinik schlossen im Januar 2016 einen Arbeitsvertrag. Der Vertrag sah u.a. die Weiterbildung der Klägerin zur Fachärztin vor. Im von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrage hieß es wörtlich:
„Die ersten 5 Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
Nach Ablauf der Probezeit wird die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des 31.7.2019 (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen. Danach kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden. Für den Arbeitgeber aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften geltende längere Kündigungsfristen sind auch vom Arbeitnehmer einzuhalten.
Das Recht der Parteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt.“
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis Ende Januar 2018, also eineinhalb Jahre vor Ablauf des Zeitraums der 42 Monate, mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende Februar 2018. Hintergrund war ein beabsichtigter Wohnortwechsels zum Ehemann. Die Beklagte verrechnete daraufhin den Februarlohn auf eine ebenfalls im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafe wegen vorzeitiger Beendigung.
Das Arbeitsgericht gab der Lohnklage statt und wies die Widerklage auf Zahlung der Vertragsstrafe ab. Die Klägerin gewann auch die Berufung.
Unangemessene Benachteiligung der weiterzubildenden Ärztin
Der befristete Kündigungsausschluss sei eine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähige Nebenabrede. Diese Nebenabrede sei hier zwar weder überraschend noch intransparent. Die Regelung benachteilige die Klägerin aber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Rechtliche Maßstäbe zur Bewertung der Unangemessenheit der vorliegenden Vertragsklausel ergaben sich für das LAG im Streitfall aus zwei gesetzlichen Regelungen: Zum einen die Vorschriften zur Zulässigkeit beiderseitiger Verlängerung der Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 BGB) und zum anderen die Regelung zur Kündigungsmöglichkeit bei Arbeitsverhältnissen, die für die Lebenszeit einer Person eingegangen sind (§ 15 Abs. 4 TzBfG).
Hiervon ausgehend würdigte das LAG die typische Interessenlage der Parteien eines ärztlichen Weiterbildungsarbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Das LAG gelangte dabei zu dem Schluss, dass die berufliche Bewegungsfreiheit der weiterzubildenden Ärztin zu sehr eingeschränkt werde und letztlich auch die familiären Verhältnisse nach Art. 6 Abs. 1 GG zu sehr beeinträchtigt seien. Die wechselseitigen Belange des weiterzubildenden und des weiterbildenden Arztes rechtfertigten es daher letztlich nicht, dem weiterzubildenden Arzt einen Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit aufzuerlegen, die den Zeitraum der üblichen Kündigungsfristen erheblich übersteigt.
Die Klausel stelle eine damit unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar, weshalb die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB Anwendung fand.
Fazit
Auch wenn das letzte Wort (die Revision ist unter dem Aktenzeichen 8 AZR 332/21 rechtshängig) noch nicht gesprochen ist: Die Bindung eines Mitarbeiters durch bloßen Ausschluss der ordentlichen Kündigung für ein Vielfaches der Kündigungsfrist dürfte unwirksam sein – und zwar über die Anwendungsfälle ärztlicher Weiterbildungsverhältnisse hinausgehend. Arbeitgeber sind gut beraten, andere Instrumente einer Mitarbeiterbindung (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 26.8.2021) ins Auge zu fassen.