Freelancing ist ein attraktives Modell: Flexible Spezialist*innen, die bei Bedarf überall auf der Welt – aus dem Homeoffice, vom Strand oder aus dem Café nebenan – Auftragsspitzen abdecken und mit ihrem Know-how ohne einen statischen Arbeitsvertrag kurzfristig tätig werden. Trotz der Vorteile für beide Seiten müssen aber die Risiken mitgedacht werden.
Verlockende Aussichten durch maximale Flexibilität
Der Einsatz von freien Mitarbeiter*innen erfreut sich großer Beliebtheit. Im IT-Bereich, aber auch in der Veranstaltungs- und Werbebranche steigt der Bedarf an flexiblen Spezialist*innen. Sie werden bei Projekten, zur Deckung von Auftragsspitzen und nicht selten auch im Rahmen des Geschäftsmodells für den „regulären“ Bedarf an Arbeitskraft eingesetzt.
Eine Zusammenarbeit mit Freelancern bringt für beide Seiten Vorteile mit sich, die das vergleichsweise starre Arbeitsverhältnis nicht bietet: Unternehmen müssen keinen Allrounder einstellen, der alles nur ein bisschen kann, sondern können gezielt für einzelne Projekte oder Aufgaben Freelancer mit dem passenden Know-how beauftragen. Der Kündigungsschutz findet keine Anwendung, über eine Befristung muss man sich nicht streiten und die Beauftragung ist in der Regel kurzfristig möglich. Zugleich werden Lohnnebenkosten gespart, der Betriebsrat redet nicht mit und die Freelancer sind – wenn es mal brennt – nicht an das Arbeitszeitgesetz gebunden. Im Lichte von „New Work“ schätzen zugleich auch qualifizierte Fachkräfte die damit einhergehende Flexibilität und die Möglichkeit, die Konditionen ihrer Arbeit – einschließlich des Tätigkeitsorts und zum Teil hoher Honorare – selbst zu steuern.
Damoklesschwert Scheinselbstständigkeit
Klingt zu gut, um wahr zu sein? Tatsächlich ist der Einsatz von Freelancern, auch wenn es sich dabei um gut bezahlte Spezialist*innen handelt, weiterhin ein Compliance-Thema, das zuletzt durch das Crowdworking-Urteil aus Dezember 2020 erneut in den Fokus gerückt ist. Die Kernfrage bleibt, ob Freelancer die geschuldete Dienstleistung bzw. das in Auftrag gegebene Werk im Einzelfall weitgehend frei erbringen bzw. erstellen können. Nicht selten führen jedoch eine in der Praxis erforderliche enge Einbindung in das Projektteam oder klare Vorgaben zu Zeit, Art und Ort der Leistungserbringung dazu, dass in der vielzitierten „Gesamtschau“ das Risiko eines Arbeitsverhältnisses bzw. eine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn besteht. Wenn die richtige Einordnung nicht gelingt, drohen neben arbeitsrechtlichen Implikationen auch negative steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgen (v. a. durch die Haftung für nicht abgeführte Lohnsteuer sowie für die nicht abgeführten Gesamtsozialversicherungsbeiträge) sowie im „worst case“ straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen. Diese Risiken machen die Freelancer-Compliance zur Sache der Unternehmensleitung.
Dos & Don’ts
Für mehr Rechtssicherung soll hier ab April 2022 das novellierte Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV sorgen. Bei Lichte betrachtet schafft das darin vorgesehene Prognoseverfahren jedoch mehr Risiken als Chancen und bietet bei einem kurzfristigen Einsatz von Freelancern keine schnelle Abhilfe. Außerhalb dieser recht starren Überprüfungsmöglichkeit können sich Unternehmen unter Compliance-Gesichtspunkten am besten durch eine gute Vertragsgestaltung einerseits sowie klare Guidelines für das operative Geschäft andererseits absichern.
Wir stellen die Do’s & Don’ts zusammen:
- Keine Vorgaben bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes; grobe (!) Zeitpläne sowie vorgegebene Abgabezeitpunkte für die Leistungserbringung sind hingegen unschädlich.
- Präzise Beschreibung des Vertragsgegenstands, h. der geschuldeten Leistung. Bei wiederkehrender Beauftragung kann das z.B. durch für jedes Projekt gesondert abgeschlossene Einzelaufträge in Ergänzung zu einer Rahmenvereinbarung umgesetzt werden.
- Begrenzung der Laufzeit der Zusammenarbeit, im besten Fall auf abgrenzbare Projekte.
- Keine geschuldete Annahme von Aufträgen, d.h. Freelancer sollten die Möglichkeit haben, Anfragen des Unternehmens ohne Nachteile abzulehnen.
- Kein generelles Verbot, für Dritte am Markt tätig zu werden; zulässig und aus Compliance Gesichtspunkten ratsam sind jedoch Geheimhaltungsvereinbarungen.
- Kein Verbot der Delegation von Aufgaben an Dritte; eine (zwingend) persönliche Leistungserbringung ist nur in Ausnahmefällen außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.
- (Größtmöglicher) Gestaltungsspielraum bei der Durchführung der Tätigkeit; die praktisch erforderliche Vorgaben können z.B. durch einen Anforderungskatalog abgebildet werden.
- Keine engmaschige Überwachung und Dokumentation der aufgewendeten Zeiten; Zwischenabnahmen sind zulässig.
- Keine Bereitstellung von Arbeitsmitteln wie z.B. Dienstkleidung, Laptop, Handy. Die Nutzung der im Unternehmen genutzten Software ist teils zur Leistungserbringung notwendig.
- Keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche; die damit verbundenen Risiken fallen ausschließlich in die Sphäre der Freelancer.
- Keine Eingliederung in die Betriebsorganisation z.B. durch eine E-Mail-Adresse des Unternehmens, die Aufnahme in Schicht- oder Urlaubspläne oder gar ein Organigramm. Auch Schulungen durch Mitarbeiter*innen des Unternehmens oder eine engmaschige Einbindung in ein bestehendes Team bergen Risiken.
Maßgeblich ist eine wertende Gesamtschau der aufgezeigten Kriterien, sodass das Vorliegen einzelner Kriterien allein nicht entscheidungserheblich ist. Lesen Sie mehr zu diesen Kriterien sowie zum Sonderfall einer selbstständigen Tätigkeit neben dem Arbeitsverhältnis auch den Blogbeitrag vom 13.11.2017.
Best Practice
Eine gute Vertragsgestaltung ist der erste Schritt, den alle Unternehmen, die mit Freelancern zusammenarbeiten, gehen müssen. Im zweiten Schritt ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses entscheidend. Neben Mitarbeiter*innen im HR-Bereich sollte daher vor allem das Führungspersonal geschult werden, um teure Fehlentscheidungen zu vermeiden. Die Unternehmensleitung muss auch bei guter Papierform darauf achten, dass die aufgezeigten Standards in der Praxis eingehalten werden. Verständliche Übersichten zu den angerissenen Do’s & Don’ts erleichtern die Selbstkontrolle auf allen Ebenen. Dann können die Vorteile dieser Form der Zusammenarbeit guten Gewissens genutzt werden.
Dieser Beitrag entstand mit Unterstützung von Gerrit Ippen, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Hamburg Büro.