Der Abfallbeauftragte genießt Sonderkündigungsschutz. Doch ist das auch der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Abfallbeauftragten freiwillig bestellt, ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein? Wir klären, in welchen Fällen der Sonderkündigungsschutz gilt.
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz verpflichtet bestimmte Anlagenbetreiber zur Bestellung eines Abfallbeauftragten. Dieser Abfallbeauftragte genießt Sonderkündigungsschutz, den wir bereits auf unserem Blog vorgestellt haben. Doch was gilt, wenn der Arbeitgeber einen Abfallbeauftragten freiwillig bestellt, ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein? Oder wenn die gesetzliche Bestellungspflicht nachträglich entfällt, etwa wegen einer Änderung der betrieblichen Verhältnisse? Besteht auch in diesen Fällen ein Sonderkündigungsschutz des „unechten“ Abfallbeauftragten? Lesen Sie hierzu unseren Beitrag.
Sonderkündigungsschutz des Abfallbeauftragten
Die ordentliche Kündigung eines kraft gesetzlicher Verpflichtung bestellten Abfallbeauftragten während seiner Amtszeit ist ausgeschlossen. Zulässig ist nur eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Auch nach der Abberufung ist für die Dauer eines Jahres nur eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässig (§ 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 2 BImSchG). Erst nach Ablauf eines Jahres seit der Abberufung kann der ehemalige Abfallbeauftragte unter Einhaltung der Kündigungsfrist auch ordentlich gekündigt werden.
Damit stellt sich die Frage, ob dieser Sonderkündigungsschutz auch dann greift, wenn der Arbeitgeber gar nicht zur Bestellung des Abfallbeauftragten verpflichtet war, ihn aber gleichwohl aus umweltpolitischem Engagement bestellt hat. Denkbar ist auch, dass sich die betrieblichen Verhältnisse nachträglich derart geändert haben, dass keine Bestellungspflicht mehr besteht, weil z.B. keine gefährlichen Abfälle mehr anfallen. In Betracht kommt schließlich, dass zwar nach der Abfallbeauftragtenverordnung 1977 eine Bestellungspflicht bestand, nicht mehr jedoch nach der aktuellen Abfallbeauftragtenverordnung 2016.
Bislang keine höchstrichterliche Klärung
Höchstrichterlich ist diese Frage bislang nicht geklärt. Der Gesetzeswortlaut spricht allerdings dafür, dass in diesem Fällen kein Sonderkündigungsschutz des „unechten“ Abfallbeauftragten (mehr) besteht, da es sich beim Arbeitgeber um keinen „zur Bestellung Verpflichteten“ (§ 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG) bzw. „zur Bestellung verpflichteten Betreiber“ (§ 58 Abs. 2 BImSchG) handelt. Auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erfordern keinen Sonderkündigungsschutz des „unechten“ Abfallbeauftragten, da dieser nicht des Schutzes seiner Unabhängigkeit bedarf, um gesetzliche Aufgaben als Abfallbeauftragter wahrnehmen zu können, die ihm gar nicht zukommen. So hat denn auch das BAG für den Datenschutzbeauftragten entschieden, dass dessen Sonderkündigungsschutz dem Schutz der Unabhängigkeit seiner Stellung im Interesse eines effektiven Datenschutzes dient und daher ausscheidet, wenn dem Datenschutzbeauftragten keine gesetzlichen Befugnisse (mehr) zustehen (BAG vom 05.12.2019 – 2 AZR 223/19).
Der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten ist nach der Gesetzesbegründung (Seite 30) dem Sonderkündigungsschutz der Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz, Gewässerschutz, Abfall und Störfälle nachgebildet und ausdrücklich für freiwillig bestellte Datenschutzbeauftragte ausgeschlossen worden. Dies spricht dafür, dass die Erwägungen des BAG zum Datenschutzbeauftragten auf den Abfallbeauftragten „rückübertragen“ werden können. Alles andere wäre umweltpolitisch auch kontraproduktiv, da anderenfalls Arbeitgeber aus Sorge, einen Sonderkündigungsschutz auszulösen, von der freiwilligen Bestellung bzw. Beibehaltung eines Abfallbeauftragten abgehalten werden könnten.
Praxishinweise
Das letzte Wort zu dieser Frage wird freilich das BAG haben. Entschließt sich ein Arbeitgeber zur Bestellung eines Abfallbeauftragten, ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein, empfiehlt es sich, hierbei ausdrücklich klarzustellen, dass es sich um keine Bestellung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der Abfallbeauftragtenverordnung handelt und hierdurch kein Sonderkündigungsschutz begründet wird. Fällt die gesetzliche Bestellungspflicht nachträglich weg, sollte erwogen werden, den Abfallbeauftragten vorsorglich explizit abzuberufen, auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung der Sonderkündigungsschutz automatisch in Wegfall gerät; zu berücksichtigen ist in jedem Fall, dass der ehemals „echte“ Abfallbeauftragte den einjährigen nachwirkenden Sonderkündigungsschutz genießt.