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Individualarbeitsrecht

Rechtsprechungsänderung des BAG zu Ausschlussklauseln

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Bei der Gestaltung arbeitsvertraglicher Ausschlussklauseln in Formulararbeitsverträgen ist stets höchste Sorgfalt geboten. Ein Urteil des BAG aus November 2020 enthält neue, wenn auch nicht gänzlich unbekannte, Fallstricke.

Mit Urteil vom 26. November 2020 hat das BAG entschieden, dass eine pauschale Ausschlussklausel, nach der alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden, auch Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfasst. Eine solche Ausschlussklausel sei aber wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB i. V. m. § 134 BGB unwirksam (BAG vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG war dies nicht der Fall: Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung fielen nicht unter pauschale Ausschlussklauseln. Der folgende Beitrag beleuchtet die neue Entscheidung des BAG und zeigt ihre Konsequenzen für die Praxis auf.

Worum ging es?

Die Parteien stritten zuletzt über einen Schadensersatzanspruch. Die Klägerin und Widerbeklagte war bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt. § 13 ihres Arbeitsvertrags aus Dezember 2010 enthielt folgende Klausel:

„§ 13 Verfallsfristen: Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

Der Klägerin oblag die Finanz- und Lohnbuchhaltung, welche sie auf Anweisung ihres früheren Ehemannes durchführte. Dieser war sowohl Kommanditist und Geschäftsführer der Beklagten als auch Geschäftsführer bei einer luxemburgischen Gesellschaft. Mitte August 2017 wurde festgestellt, dass der frühere Ehemann der Klägerin mehrfach private Rechnungen und Verbindlichkeiten mit Firmengeldern der Beklagten und der luxemburgischen Gesellschaft beglichen hatte, wobei die Überweisungen von der Klägerin gebucht wurden. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Widerklagend machte die Beklagte im Kündigungsschutzprozess eigene und abgetretene Schadensersatzansprüche geltend.

Während die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung mit insoweit rechtskräftigem Urteil bestätigt wurde, gaben die Vorinstanzen der auf Zahlung gerichteten Widerklage statt. Mit der Revision verfolgte die Klägerin die Abweisung der Zahlungsansprüche weiter.

Entscheidung des BAG

Die Revision der Klägerin hatte zunächst Erfolg. Das BAG hob das Urteil auf und verwies die Sache an das LAG zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung zurück. Insbesondere stellte das BAG fest, dass die Nichtanwendung der Verfallklausel zu Lasten der Beklagten und Widerklägerin zwar in der Sache, nicht aber mit der gegebenen Begründung gerechtfertigt sei.

Unwirksamkeit der Ausschlussklausel

Die von der Beklagten aus abgetretenem Recht geltend gemachten Ansprüche würden von der Verfallklausel schon deshalb nicht erfasst, weil sie ihren Ursprung nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien hätten. Ein Verfall etwaiger Ansprüche der Beklagten aus eigenem Recht scheitere daran, dass die Ausschlussklausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei. Nach § 202 Abs. 1 BGB könne die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Diese Vorschrift ergänze den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasse nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Es handele sich um eine Verbotsnorm i. S. v. § 134 BGB.

Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung von pauschalen Ausschlussklauseln erfasst

Bislang habe das BAG zwar angenommen, dass die Vertragsparteien mit Ausschlussklauseln, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen, keine Fälle im Widerspruch zum Gesetz und unter Verstoß gegen eine gesetzliche Verbotsnorm regeln wollten (BAG vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12). Hieran hält das BAG aber nicht mehr fest. Vielmehr würden von einer pauschalen Ausschlussklausel, wonach ausnahmslos alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden, auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst.

Verwender kann sich auf Unwirksamkeit der Ausschlussklausel berufen

Auch die Beklagte als Verwenderin der Ausschlussklausel könne sich auf deren Unwirksamkeit berufen. Dem stünden die Grundsätze über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht entgegen. Zwar diene die Inhaltskontrolle grundsätzlich nicht dem Schutz des Verwenders der Klauseln vor selbst eingeführten Bestimmungen. Dieser Grundsatz finde aber in einem Fall wie dem vorliegenden keine Anwendung, wenn eine Klausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei. Denn § 202 Abs. 1 BGB enthalte kein typisches Arbeitnehmerschutzrecht, sondern verbiete zusammen mit § 276 Abs. 3 BGB allgemein, die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus zu erlassen.

Fazit

Bereits vor dem Urteil des BAG aus November 2020 wurden in gut formulierten Ausschlussklauseln Ansprüche aus einer Haftung wegen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit genau wie gesetzlich nicht verzichtbare Ansprüche (z. B. Mindestlohnansprüche) von den Ausschlussfristen ausgenommen. Mit dem Urteil des BAG aus November 2020 steht nunmehr fest, dass Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung aus dem Anwendungsbereich von Ausschlussklauseln ausdrücklich ausgenommen werden müssen. Geschieht dies nicht, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Bei der Erstellung vorformulierter Arbeitsverträge sollten Arbeitgeber daher künftig hierauf achten. Bisherige Arbeitsverträge sollten überprüft und – soweit erforderlich – entsprechend angepasst werden.

Dr. Alexa Paehler, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Alexa Paehler berät Arbeitgeber schwerpunktmäßig bei Kün­di­gungs­rechts­strei­tig­kei­ten, zu Organverhältnissen (Geschäfts­füh­rer/Vorstände), kollektivarbeits­recht­li­chen Fragen sowie zu Unter­neh­mens­käufen.
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