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Politische Betätigung als Kündigungsgrund? – Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (Teil 2)

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In den vergangenen Jahren haben Parteien mit extremen politischen Positionen in Europa vermehrt Zulauf erfahren. Sowohl rechts- als auch linksextreme Positionen konnten sich in den verschiedenen Gesellschaftsschichten etablieren. Auch am Arbeitsplatz können daher Menschen mit sehr unterschiedlichen politischen Gesinnungen aufeinander treffen. Doch welche Auswirkungen kann die politische Einstellung eines Mitarbeiters auf sein Arbeitsverhältnis haben? Kann eine politische Betätigung eines Arbeitnehmers einen verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellen?

Differenzierung erforderlich

Zunächst müssen Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, um die es im ersten Teil dieses Blogbeitrags ging, und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, die in diesem zweiten Teil des Beitrags betrachtet werden, unterschieden werden. Darüber hinaus bedarf es einer genauen Betrachtung des jeweiligen Tätigkeitsfelds eines Mitarbeiters im öffentlichen Dienst.

Arbeitnehmer mit hoheitlichen Befugnissen

Im Vergleich zu Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft bestehen für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst strengere Anforderungen an ihr Verhalten. Seit Oktober 2005 regelt § 41 TVöD in Satz 2, dass Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen.

Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ist zudem Art. 33 Abs. 2 GG einschlägig, wonach jeder Deutsche „nach seiner Eignung […] gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“ hat. Diese Eignung umfasst alle Eigenschaften, die zur Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgabe erforderlich sind, somit auch die Treue zur Verfassung.

Während bei Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft die politische Betätigung in der Freizeit als verhaltensbedingter Kündigungsgrund grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn hierdurch Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt werden, sind die Hürden für eine solche Kündigung bei Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst deutlich geringer. Die Formulierung „durch ihr gesamtes Verhalten“ in § 41 Satz 2 TVöD hat zur Folge, dass neben einem zu beanstandenden innerbetrieblichen Verhalten auch außerdienstliche Straftaten und selbst ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers, das die Schwelle zur Straftat nicht überschreitet, als Kündigungsgrund herangezogen werden können, wenn durch den Verstoß gegen die Treuepflicht des Angestellten eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist. Dieser Verstoß kann im Leistungsbereich oder im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personellen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich liegen (vgl. BAG, Urteil vom 20.7.1989 – 2 AZR 114/87).

Arbeitnehmer ohne hoheitliche Befugnisse

Für Arbeitnehmer, die im Rahmen ihres Aufgabenbereichs keine hoheitlichen Tätigkeiten ausüben, besteht nach der Rechtsprechung des BAG nur eine „einfache politische Treuepflicht“ (vgl. BAG, Urteil vom 12.5.2011 – 2 AZR 479/09). Diese Pflicht werde erst durch ein Verhalten verletzt, dass in seinen konkreten Auswirkungen darauf gerichtet sei, verfassungsfeindliche Ziele einer Organisation zu fördern oder zu verwirklichen. Ein Arbeitnehmer wahre seine einfache Treuepflicht bereits dadurch, dass er die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aktiv bekämpfe.

Den Fall eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst ohne hoheitliche Befugnisse hatte am im November 2015 das ArbG Gelsenkirchen zu entscheiden: Einem im öffentlichen Dienst tätigen Gärtner und Straßenreiniger war aufgrund ausländerfeindlicher Äußerungen auf dessen privatem Facebook-Account außerordentlich gekündigt worden. Das Gericht hat die Kündigung als rechtswirksam angesehen. Es liege auf der Hand, dass die Äußerung extremer politischer Auffassungen durch einen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dem Ruf des Arbeitgebers abträglich sein könne (vgl. ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15).

Verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigung?

Eine personenbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst kommt – ebenso wie bei Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft – dann in Betracht, wenn dieser aufgrund seiner politischen Einstellung die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen. Während dies bei einem Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft nur in äußerst seltenen Fällen angenommen werden kann, sind die Anforderungen für eine Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst deutlich geringer. In diesem Fall kann sich ein nicht behebbarer Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. Zwar soll nach der Rechtsprechung des BAG allein die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei in der Regel noch keinen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen. Allerdings sind die Anforderungen an den Ausspruch einer wirksamen Kündigung umso geringer, je umfangreicher die Treuepflicht des Arbeitnehmers aufgrund seiner Stellung und seiner Tätigkeit ausgeprägt ist. So hat das BAG die Kündigung eines Angestellten der Finanzverwaltung aufgrund rechtsextremistischer Tätigkeiten und insbesondere aufgrund eines Aufrufs im Internet zur Teilnahme an einer von der NPD organisierten Demonstration als rechtmäßig angesehen (vgl. BAG, Urteil vom 6.9.2012 – 2 AZR 372/11).

Im Januar 2019 erachtete das ArbG Berlin eine außerordentliche Kündigung eines angestellten Lehrers aufgrund von dessen politischer Betätigung und Äußerungen auf seinem eigenen Youtube-Kanal für rechtswirksam. Die Richter führten aus, dass es an der Geeignetheit für eine Lehrtätigkeit im öffentlichen Dienst fehle, wenn nicht einmal ein Mindestmaß an Bekenntnis zum Grundgesetz und seiner Werte bestehe. Die außerdienstliche politische Betätigung eines Lehrers könne sowohl einen personenbedingten als auch einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen (vgl. ArbG Berlin, 16.1 2019 – 60 Ca 7170/18).

Im Juli 2019 war es erneut das ArbG Berlin, das die Kündigung eines bei der Bundeswehr beschäftigten Hausmeisters für rechtswirksam erachtete. Dieser soll einer rechtsextremen Kameradschaft zugehörig sein, an Veranstaltungen der rechten Szene teilgenommen und seine Zustimmung zu rechtsextremen Inhalten in den sozialen Medien geäußert haben (vgl. ArbG Berlin, 17.7.2019 – 60 Ca 455/19). Das Arbeitsgericht stellte fest, dass dem Kläger die persönliche Eignung fehle, Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes zu sein und für den Arbeitgeber ein personenbedingter wichtiger Grund zur Kündigung bestehe.

Die Grenzen zwischen einer personenbedingten und einer verhaltensbedingten Kündigung lassen sich jedoch nicht abstrakt bestimmen. Hier kommt es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Zu beachten ist ferner, dass eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel nur dann wirksam ausgesprochen werden kann, wenn gegenüber dem Mitarbeiter zuvor eine Abmahnung ausgesprochen wurde.

Fazit

Aufgrund der Treuepflichten der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst kann eine politische Betätigung in ihrem Fall deutlich schneller zum Ausspruch einer wirksamen Kündigung führen, als dies bei Arbeitnehmern der Privatwirtschaft der Fall ist. Insbesondere kann ein außerdienstliches Verhalten eines Angestellten zu der Bewertung führen, dass diesem die erforderliche Eignung für die Ausübung einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst fehlt, was zur Rechtfertigung einer Kündigung aus personenbedingten Gründen führen kann.

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