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Kein Karneval – und trotzdem frei?

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Der Kalender für das Jahr 2021 wird so manchem Arbeitnehmer einen Schrecken einjagen. Ganze fünf gesetzliche Feiertage fallen in diesem Jahr auf das Wochenende. Doch zumindest für Arbeitnehmer aus dem Rheinland könnte es Abhilfe geben. Dort ist es nämlich üblich, dass der Rosenmontag arbeitsfrei ist – ganz ohne Anrechnung auf den Urlaubsanspruch. Aber gilt das auch in diesem Jahr? Denn dieses Jahr werden alle größeren Karnevalsveranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden können. Private Feiern dürften angesichts der aktuellen Umstände ebenfalls nur schwer vorstellbar sein. Daher stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf den zusätzlichen freien Tag für die Arbeitnehmer aus dem Rheinland hat.

Rechtliche Grundlagen für den freien Tag

Für die Beantwortung der Frage muss zunächst geklärt werden, auf welcher rechtlichen Grundlage überhaupt ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung in Betracht kommt. Es handelt sich nicht um einen gesetzlichen Feiertag, sodass ein Anspruch aus § 9 Abs. 1 ArbZG ausscheidet. Denn hierfür ist nicht ausreichend, dass es sich um einen (regionalen) Brauchtumstag handelt, an dem für gewöhnlich nicht gearbeitet wird.

In der Regel wird es auch sonst an ausdrücklichen Regelungen hierzu – etwa in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertag – fehlen. In den meisten Fällen kommt als Rechtsgrundlage also nur die sog. betriebliche Übung in Betracht. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann entstehen, wenn der Arbeitgeber durch gleichförmiges und wiederholtes Verhalten bei den Arbeitnehmern die berechtigte Erwartung weckt, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dies wird in der Regel dann angenommen, wenn eine Vergünstigung drei Jahre in Folge ohne Vorbehalt gewährt wurde. Da die Freistellung häufig über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren gewährt wurde, dürften die Voraussetzungen für einen Anspruch aus betrieblicher Übung häufig gegeben sein.

Gilt das auch, wenn Karneval „ausfällt“?

Im Ausgangspunkt dürfte der Umstand, dass die üblichen Karnevalsveranstaltungen dieses Jahr nicht stattfinden können, nichts an der Entstehung eines solchen Anspruchs ändern. Zwar besteht der Zweck des freien Tages ersichtlich darin, die Ausübung des „Karnevalsbrauchtums“ zu ermöglichen. Ein derartiger ausdrücklicher Vorbehalt seitens der Arbeitgeber wird in aller Regel aber nicht erfolgt sein. Der freie Tag wird in der Regel pauschal gewährt und nicht davon abhängig gemacht, dass die Arbeitnehmer auch wirklich Karneval feiern. Er kommt also auch immer „Karnevalsmuffeln“ zugute.

Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit die Besonderheiten der Corona-Pandemie die Bewertungsmaßstäbe der Arbeitsgerichte beeinflussen. Es könnte durchaus sein, dass Arbeitsgerichte hier ein engeres Verständnis für die betriebliche Übung an den Tag legen und so einen Anspruch ablehnen.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung scheidet jedenfalls aus, wenn der Arbeitgeber den freien Tag jährlich neu angeordnet und sich jedes Jahr ausdrücklich vorbehalten hat, den freien Tag erneut anzuordnen. In diesen Fällen ist kein entsprechender Vertrauenstatbestand bei den Arbeitnehmern entstanden. Wenn dann in diesem Jahr keine erneute Anordnung des freien Tages erfolgt, besteht auch kein Anspruch der Arbeitnehmer.

Außerdem kann eine (wirksame) doppelte Schriftformklausel im Arbeitsvertrag unter Umständen einen Anspruch aus betrieblicher Übung verhindern. Die betriebliche Übung führt nämlich zu einer konkludenten Änderung des Arbeitsvertrages. Da die betriebliche Übung nur durch schlüssiges Verhalten erfolgt, kann sie die Vorgaben einer (wirksamen) doppelten Schriftformklausel nicht wahren, sodass der Arbeitsvertrag nicht wirksam geändert wird und kein Anspruch der Arbeitnehmer entsteht.

Besonderheiten im öffentlichen Dienst

Für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten dies Grundsätze der betrieblichen Übung nach der Rechtsprechung des BAG nur eingeschränkt. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes darf grundsätzlich nur davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber Leistungen gewähren will, zu denen dieser rechtlich verpflichtet ist und darf nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen. Dies führt dazu, dass ein Arbeitnehmer ohne besondere Anhaltspunkte auch bei langjähriger Gewährung von (überobligatorischen) Vergünstigungen nicht annehmen darf, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet beibehalten.

Daher scheidet hier ein Anspruch aus betrieblicher Übung in der Regel aus. Dementsprechend hat das Innenministerium in NRW bekanntgegeben, dass dieses Jahr in allen Dienststellen des Landes am Rosenmontag Dienst zu leisten ist.

Fazit

Arbeitgeber sollten vor der Entscheidung, ob sie auch in diesem Jahr den freien Tag am Rosenmontag gewähren, sorgfältig prüfen, wie der freie Tag in der Vergangenheit gewährt und kommuniziert wurde. Wurde der freie Tag von Jahr zu Jahr mit einem entsprechenden Vorbehalt neu angeordnet, könnte dies einem Anspruch der Arbeitnehmer entgegenstehen. Außerdem lohnt sich ein Blick in den Arbeitsvertag: Ist hier eine (wirksame) doppelte Schriftformklausel enthalten, könnte dies einem Anspruch der Arbeitnehmer ebenfalls entgegengehalten werden.

Unabhängig davon ist angesichts der besonderen Umstände der Corona-Pandemie nicht auszuschließen, dass Arbeitsgerichte ein engeres Verständnis einer etwaigen betrieblichen Übung an den Tag legen und so einen Anspruch ablehnen.

Dr. Markus Bohnau

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Bohnau berät Unter­neh­men aller Branchen insbesondere zu kollektivarbeits­recht­li­chen Themen und verhandelt mit Betriebs­rä­ten sowie Gewerk­schaf­ten, ins­be­son­dere bei (Post-Merger) Umstruk­tu­rie­run­gen und Out­sour­cing-Projekten - auch grenzüberschreitend. Weitere Schwer­punkte sind die arbeits­recht­li­che Begleitung von Trans­ak­tio­nen (inkl. Due Diligence und Har­mo­ni­sie­rung von Arbeits­be­din­gun­gen) sowie die arbeits­recht­li­che Beratung im Profisport, vor allem bei Transfers im Berufs­fuß­ball.
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