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Matrixorganisationen kommen immer häufiger vor. Ein Matrixteam besteht dabei oftmals aus Mitarbeitern und Vorgesetzten verschiedener Betriebe oder Unternehmen. Wie wirkt sich das auf die Mitbestimmung aus? Führt der betriebs- bzw. unternehmensübergreifende Bezug dazu, dass stets der Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat zuständig ist? Kann die Zuständigkeit des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat damit gerechtfertigt werden, dass sich nur so die Gleichbehandlung innerhalb des Matrixteams gewährleisten lässt? 

Was ist eine Matrixorganisation?

Die Matrixorganisation zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitarbeiter gleichzeitig in zwei Weisungsbeziehungen stehen: Der Matrixmanager ist für die fachliche Leitung des Matrixteams zuständig, während der disziplinarische Vorgesetzte die Personalverantwortung trägt. Häufig gehören sowohl der Matrixmanager als auch die Mitarbeiter eines Matrixteams unterschiedlichen Betrieben oder Unternehmen an. Dies wirft die Frage auf: Welches Betriebsratsgremium ist zuständig? Wichtig zu wissen, denn: Die Beteiligung des unzuständigen Betriebsratsgremiums führt zur Unwirksamkeit der mit dem Gremium geschlossenen Vereinbarung.

Generelle Zuständigkeitsverteilung

Nach dem Gesetz ist grundsätzlich der örtliche Betriebsrat für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten zuständig (§§ 50 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats setzt insbesondere voraus, dass die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf betrieblicher Ebene geregelt werden können. Entsprechend bedarf es für die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats eines „Nicht-Regeln-Könnens“ auf Unternehmensebene.

Es muss also ein zwingendes Erfordernis für eine betriebs- bzw. unternehmensübergreifende Regelung bestehen. Das Ziel darf sich nur durch eine einheitliche Regelung auf Unternehmens- bzw. Konzernebene verwirklichen lassen. Dies ist nach den konkreten Umständen im Unternehmen bzw. Konzern zu beurteilen (BAG v. 25.9.2012 – 1 ABR 45/11). Die Hürde ist dabei hoch. Ein Kosten- oder Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers oder reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sind nicht ausreichend. Auch die Intention, eine unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiter durch verschiedene örtliche Regelungen zu vermeiden, begründet nicht die Zuständigkeit des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wirkt nicht zuständigkeitsbegründend (BAG v. 23.3.2010 – 1 ABR 82/08).

Besonderheiten in der Matrix?

Gibt es in einer Matrixorganisation besondere Regelungen zur Zuständigkeitsverteilung? Die Antwort lautet: Nein! Auch in einer Matrixorganisation gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze. Eine betriebs- oder unternehmensübergreifende Matrixorganisation führt also nicht automatisch zur Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein zwingendes Erfordernis für eine betriebs- oder unternehmensübergreifende Regelung vorliegt. Dies kann beispielweise der Fall sein, wenn Arbeitsabläufe überbetrieblich in zeitlicher Hinsicht so eng miteinander verzahnt sind, dass ohne überbetriebliche Koordinierung untragbare Störungen eintreten (BAG v. 9.12.2003 – 1 ABR 49/02). Gegenbeispiel: Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist auch in einer Matrixorganisation nicht zwingend einheitlich zu regeln, weil es auf die betrieblichen Gegebenheiten vor Ort ankommt (LAG Düsseldorf v. 4.2.2013 – 9 TaBV 129/12).

Fazit

Auch in einer Matrixorganisation ist die Hürde hoch, eine originäre Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats zu begründen. Denn auch hier gelten die allgemeinen Grundsätze für die Zuständigkeitsverteilung und ist damit ein zwingendes Erfordernis für eine betriebs- bzw. unternehmensübergreifende Regelung erforderlich. Dies ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der originären Zuständigkeit sollte vorsorglich eine Delegation der Aufgabenwahrnehmung durch die Einzelbetriebsräte an den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat angestrebt werden (§§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG). Weiteres zum Thema Matrixorganisation finden Sie auf unserem Blog (z.B. „Arbeitsrechtliche Tücken der Matrixstruktur“ von Dr. Barbara Reinhard).

Vanessa Heuer

Rechts­an­wäl­tin

Senior Associate
Vanessa Heuer berät Arbeitgeber vorwiegend zu Fragen der Ver­trags­ge­stal­tung und des Arbeits­kampf­rechts sowie zu Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren.
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