Der verlängerte Lockdown bringt Unternehmen zunehmend in die Bredouille: Angesichts des anhaltenden Beschäftigungsmangels kommen viele Arbeitgeber nicht mehr umhin, Kurzarbeit einzuführen, sollen betriebsbedingte Beendigungskündigungen vermieden werden. Doch was tun, wenn sich Arbeitnehmer gegen die Einführung sperren?
Konsens ist, dass die Einführung von Kurzarbeit im Ausgangspunkt nicht einseitig möglich ist. Vielmehr sei zwingende Voraussetzung eine tarifvertragliche, betriebsverfassungsrechtliche oder individualvertragliche Grundlage. Geht folglich mit der Weigerung des Arbeitnehmers nichts mehr – oder könnte zum Mittel einer fristlosen Änderungskündigung gegriffen werden? Das Arbeitsgericht Stuttgart sprach sich zuletzt hierfür aus (ArbG Stuttgart vom 22. Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20). Demnach soll auch eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit möglich sein. Insbesondere bedürfe es hierzu auch nicht der Darlegung einer anderenfalls drohenden Insolvenz, wie teilweise angenommen wird. Doch welche Voraussetzungen müssen stattdessen gegeben sein? Diese – höchstrichterlich noch ungeklärte – Frage soll im Nachfolgenden anhand der äußerst praxisrelevanten Entscheidung aufgezeigt werden.
Der Fall
Die Pandemie schlug unerwartet zu: Die Beklagte, ein Leiharbeitsunternehmen, verlor innerhalb kürzester Zeit im Frühjahr 2020 einen Großteil ihrer Aufträge und musste Zeitarbeitskräfte abmelden. In der Folge bestand für die klagende Arbeitnehmerin kein Beschäftigungsbedarf mehr. Sie war als Personaldisponentin insbesondere für die Planung der einzusetzenden Leiharbeitskräfte in den – dann Mitte März geschlossenen – Kindergärten und Kindertagesstätten zuständig. Die Beklagte zeigte der Agentur für Arbeit den Arbeitsausfall an, welche daraufhin das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (Kug) bestätigte.
Mangels eines Betriebsrats, Tarifgebundenheit oder einer vertraglichen Regelung zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit, bot die Beklagte der Klägerin eine Vertragsänderung an, durch die Kurzarbeit ermöglicht werden sollte. Die Klägerin jedoch lehnte den Abschluss dieser Vereinbarung ab. Die Beklagte griff daher als letztes Mittel zur Änderungskündigung, um Kurzarbeit doch noch einführen zu können. Laut dieser sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, Kurzarbeit anzuordnen. Die Kündigung wurde fristlos ausgesprochen, hilfsweise unter Einhaltung der Kündigungsfrist von drei Monaten. Die Klägerin nahm die Änderungskündigung unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht Stuttgart wies die Änderungsschutzklage ab. Bereits die außerordentliche fristlose Änderungskündigung sei durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Hierbei stellte das Arbeitsgericht erstmals Anforderungen an eine solche Kündigung auf. Dies hatte das BAG bisher unterlassen und die Änderungskündigung lediglich in vereinzelten Entscheidungen beiläufig als weitere Möglichkeit zur Einführung von Kurzarbeit erwähnt.
Die Kammer betonte dabei zunächst, dass die Rechtsprechung zur reinen Entgeltreduzierung qua Änderungskündigung auf den zu entscheidenden Fall keine Anwendung finde. Hierdurch vermied es einen sonst deutlich strengeren Prüfungsmaßstab. Anderenfalls hätte der Arbeitgeber insbesondere darlegen müssen, dass ohne die Einführung der Kurzarbeit eine Insolvenz drohe. Die Ablehnung dieser hohen Anforderungen begründete das Arbeitsgericht mit der fehlenden Vergleichbarkeit der Konstellationen: So wird die Kurzarbeit nur vorübergehend eingeführt und durch die Einführung gerade nicht in das sogenannte Äquivalenzinteresse (Verhältnis von Arbeitsleistung zu Arbeitsentgelt) eingegriffen. Darüber hinaus stellte es die These auf, dass in dem Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalles – als sozialrechtliche Voraussetzung für die Gewährung des Kug – gleichzeitig ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung liege.
Das Gericht betonte jedoch die Verhältnismäßigkeit als wesentliche Schranke für eine wirksame Änderungskündigung. Diese sei im zu entscheidenden Fall aufgrund der nachfolgenden Bedingungen gewahrt:
- Die Einführung der Kurzarbeit wurde nur bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen des Kug-Bezuges für die Kündigungsempfängerin ermöglicht.
- Es wurde eine Vorlauffrist für die Kurzarbeitseinführung vorgesehen: Die mögliche Einführung rund dreieinhalb Wochen nach Ausspruch der Änderungskündigung sei ausreichend.
- Die Verhältnismäßigkeit werde ferner durch eine weitere dreiwöchige Ankündigungsfrist gestützt. Diese war hinsichtlich des genauen Zeitraums und Umfangs der Arbeitszeitreduzierung während der Kurzarbeit einzuhalten.
- Die Höchstdauer der Kurzarbeitsphase wurde festgelegt; hier auf die Höchstbezugsdauer des Kug.
- Es wurde als milderes Mittel der erfolglose Versuch einer vorherigen vertraglichen Regelung mit der Kündigungsempfängerin unternommen.
Das Arbeitsgericht hob besonders hervor, dass in Pandemiezeiten gerade die fristlose Änderungskündigung das einzig sinnvolle Vorgehen darstellen könne. Längere Kündigungsfristen würden die Nutzungsmöglichkeit zu stark einschränken und die Kurzarbeit somit de facto ausschließen.
Ausblick und Bewertung
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart ist im Ergebnis zu begrüßen, rückt sie doch die Änderungskündigung als einseitige Gestaltungsmöglichkeit für den Arbeitgeber wieder in den Fokus. Insbesondere überzeugt, dass der Ansicht, die Änderungskündigung erfordere eine ansonsten drohende Insolvenz, eine Absage erteilt wird. Die Entscheidung gibt dem Arbeitgeber überdies erstmals Leitlinien zum rechtswirksamen Ausspruch einer fristlosen Änderungskündigung an die Hand. Somit wird – bei sorgfältigem Vorgehen – die kurzfristige Nutzung der Kurzarbeit eröffnet. Gegen das Urteil wurde Berufung beim LAG Baden-Württemberg eingelegt.