In welchem Umfang sind Arbeitgeber verpflichtet, über Angelegenheiten aufzuklären oder zu informieren, die Vermögensinteresse von Arbeitnehmern berühren? Diese Frage hat bereits in der Vergangenheit die Arbeitsgerichte beschäftigt. Über die Hinweis- und Informationspflichten von Arbeitgebern im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hatte vor kurzem das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. Die Aussagen der Erfurter Richter sind erfreulich klar, überzeugend und lassen sich im Wesentlichen auch auf Sachverhalte außerhalb der betrieblichen Altersversorgung übertragen.
Worum ging es?
Der Arbeitgeber schloss am 20.3.2003 mit einem Versorgungsträger einen „Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse bzw. eine Direktversicherung“. Auf einer am 09.04.2003 stattfindenden Betriebsversammlung informierte ein Mitarbeiter des Versorgungsträgers über die Möglichkeit der Entgeltumwandlung und deren steuerliche Aspekte. Der Kläger nahm an der Betriebsversammlung teil. Am 23.09.2003 schloss er eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit dem beklagten Arbeitgeber. Dieser schloss daraufhin zugunsten des Klägers einen Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht mit dem Versorgungsträger. Von dem Kapitalwahlrecht machte der Kläger im Jahr 2015 Gebrauch. Daraufhin verlangte die zuständige Krankenkasse vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge vom Kläger nach Maßgabe des § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V. Seit dem 1. Januar 2004 sieht diese Vorschrift eine sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht für Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung vor. Über diese Gesetzesänderung wurde seit Sommer 2003 diskutiert. Der Kläger verlangte vom Arbeitgeber wegen unterlassener Information über die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Schadensersatz im Umfang der Beiträge.
BAG: keine allgemeine Informationspflicht des Arbeitgebers
Das BAG hat Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers abgelehnt. Es hat betont, im Grundsatz sei jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst verantwortlich und habe sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen. Aus den im Arbeitsverhältnis bestehenden Schutz- und Rücksichtnahmepflichten könnten sich zwar Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Dies betreffe vor allem Fälle, in denen
- eine für den Arbeitnehmer nachteilige Vereinbarung auf Initiative und im Interesse des Arbeitgebers zustande komme oder
- der Arbeitgeber eine größere „Informationsnähe“ aufweise, sich Informationen im Gegensatz zum Arbeitnehmer also ohne Schwierigkeiten verschaffen kann oder
- der Arbeitgeber bereits – freiwillig – eine Information erteilt habe und aufgrund besonderer Umstände erkennen könne, dass die Richtigkeit der Information auch in Zukunft Bedeutung für den Arbeitnehmer hat. Dann müsse der Arbeitgeber über Änderungen der Sach- und Rechtslage hinweisen.
Das BAG betont im Zusammenhang mit dem letzten Punkt, dass Informationen, die der Arbeitgeber ohne bestehen einer Rechtspflicht erteilt, richtig, eindeutig und vollständig sein müssen. Dies gelte angesichts der Auswirkungen der Information auf die langfristige Lebensplanung der Arbeitnehmer insbesondere im Bereich der betrieblichen Altersversorgung.
Im konkreten Fall lehnte das BAG hingegen das Bestehen von Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ab. Weder sei die Entgeltumwandlungsvereinbarung auf Initiative des Arbeitsgebers zustande gekommen, noch habe der Arbeitgeber eine größere Informationsnähe besessen. Über die im Jahr 2003 geplante Gesetzesänderung bei der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Rentenkapitalleistungen habe sich der Arbeitnehmer ebenso gut wie der Arbeitgeber informieren können. Die Erfurter Richter weisen insoweit darauf hin, der Kläger habe sich die notwendigen Informationen beispielsweise durch Sichtung der – jedermann zugänglichen und klar verständlichen – Bundestagsdrucksachen verschaffen können. Diese Anmerkung sorgt freilich beim Leser der Entscheidung eher für ein Schmunzeln. Denn kaum ein Arbeitnehmer (und Arbeitgeber) wird sich regelmäßig mit der Lektüre der Bundestagsdrucksachen aufhalten.
Ferner hat das BAG angenommen, eine Informationspflicht habe sich auch nicht daraus ergeben, dass ein Mitarbeiter des Versorgungsträgers während der Betriebsversammlung am 9.4.2003 über die Entgeltumwandlung informiert habe. Über sozialversicherungsrechtliche Fragen der Entgeltumwandlung sei dort nicht gesprochen worden. Dem entsprechend sei keine Information erteilt worden, die eine Unterrichtungspflicht bei nachträglichen Änderungen hätte auslösen können.
Praxistipp
Für die Praxis bedeutet dies: Weniger ist mehr. Arbeitgeber sollten sich zur Haftungsvermeidung davor hüten, ihre Belegschaft proaktiv und ausschweifend über Möglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung aufzuklären. Bei entsprechenden Anfragen aus der Belegschaft bietet es sich an, Arbeitnehmer allgemein an Fachberater zu verweisen. Gesellschaftspolitisch ist diese Rechtslage allerdings misslich. Der viel zitierte Wunsch nach einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung wird durch die derzeitige Rechtslage nicht gefördert. Dem könnte der Gesetzgeber durch eine Beschränkung der Arbeitgeberhaftung für erteilte Informationen entgegenwirken.