Die betriebliche Altersversorgung ausgeschiedener Arbeitnehmer ist und bleibt ein regelmäßiger wie kostenintensiver Streitgegenstand vor den deutschen Arbeitsgerichten. Ein ums andere Mal fühlen sich dabei Teilzeitkräfte gegenüber ihren in Vollzeit beschäftigten Kollegen benachteiligt und klagen vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 3. Juni 2020 – 3 AZR 480/18) hat nun in einer jüngeren Entscheidung die Rechtmäßigkeit eines in der Praxis gern genutzten Mittels auch mit Blick auf § 4 TzBfG verifiziert: die sog. „gespaltene Rentenformel“.
1. „Gespaltenen Rentenformeln“: Was sie regeln und wo sie zu finden sind
Gespaltene Rentenformeln sind regelmäßig in Versorgungszusagen zu finden, die (auch) für Arbeitnehmer gelten, deren Bezüge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung liegen. Für diese Arbeitnehmer legt eine derartige Formel fest, dass der Arbeitgeber für Vergütungsbestandteile, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen, eine höhere betriebliche Altersversorgung zusagt als für Beträge, die unterhalb dieser Grenze liegen. Hintergrund einer solchen Regelung ist dabei regelmäßig der Ausgleich von Versorgungslücken, die daraus resultieren, dass beitragspflichtige Arbeitnehmer für Beträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze keine Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten.
2. Streitgegenständlicher Pensionsplan
Bei der beklagen Arbeitgeberin galt nun ein Pensionsplan, der bei der Berechnung der Rentenformel auf besagte gespaltene Rentenformel abstellte. Im Wesentlichen zeichnete sich die Versorgungsordnung dabei dadurch aus, dass:
- Vergütungsbestandteile, die unterhalb der Beitragsbemessungsgrundlage zur gesetzlichen Rentenversicherung lagen, in geringerem Umfang berücksichtigt wurden als solche, die die Beitragsbemessungsgrenze überschritten (gespaltene Rentenformel),
- im Falle dessen, dass ein Arbeitnehmer im Laufe seiner anrechnungsfähigen Dienstzeit (zeitweise) in Teilzeit beschäftigt war, ein durchschnittlicher Beschäftigungsgrad für die gesamte anrechnungsfähige Dienstzeit ermittelt wurde und
- dieser individuelle Beschäftigungsgrad zum Beschäftigungsgrad eines permanent Vollzeitbeschäftigten ins Verhältnis gesetzt wurde und aus diesem Verhältnis und dem jeweiligen versorgungsfähigen Gehalt der individuelle Rentenanspruch errechnet wurde.
Entsprechend dieser Berechnungsgrundlage errechnete nun die Arbeitgeberin für eine Arbeitnehmerin, die bei ihr sowohl in Vollzeit als auch in unterschiedlichen Teilzeitgraden beschäftigt war, das Ruhegeld. Die Arbeitnehmerin sah sich hierdurch insbesondere wegen ihrer Teilzeittätigkeit diskriminiert und erhob Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht.
3. Vorhergehende Entscheidungen: Verstoß gegen Diskriminierungsverbot
Warum aber das Erfordernis einer Entscheidung aus Erfurt? Nun, sowohl das erstinstanzlich angerufene Arbeitsgericht Verden (Urteil vom 24. August 2017 – 1 Ca 32/15) als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 9. August 2018 – 4 Sa 982/17 B) sahen in der Berechnung anhand einen Verstoß gegen das in § 4 Abs. 1 S. 1, 2 TzBfG kodifizierte Diskriminierungsverbot von Teilzeitkräften. Anders als von der Arbeitgeberin vorgenommen, so die Auffassung der Vorinstanzen, verlange der Pro-rata-temporis Grundsatz nämlich, dass die Berechnung aufgeteilt nach den einzelnen Zeitabschnitten der unterschiedlichen Teilzeitgrade vorgenommen werden müsse.
4. Korrektur des Bundesarbeitsgerichts – und Bestätigung der gespaltene Rentenformel
Dem hat das Bundesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung eine klare Absage erteilt – und überdies in Anschluss an den Europäischen Gerichtshof () die gespaltene Rentenformel als zulässige Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften und Vollzeitbeschäftigten nun auch auf nationaler Ebene anerkannt.
Dabei stellt das Gericht klar, dass es – entgegen der Vorinstanzen – bei der Berechnung der Betriebsrente durchaus möglich ist auf den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad abzustellen, wenn nur das Verhältnis zum Beschäftigungsgrad eines Vollzeitbeschäftigten zutreffend abgebildet wird. Insoweit bildet das Bundesarbeitsgericht seine ständige Rechtsprechung fort, nach der es zulässig ist, Leistungen aus einem Pensionsplan anteilig nach dem Beschäftigungsumfang im Vergleich zu einem Vollzeitarbeitnehmer mit gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erbringen (vgl. ; BAG vom 19. April 2016 – 3 AZR 526/14).
Aber auch die Verwendung einer gespaltenen Rentenformel stellt keine unzulässige Benachteiligung von Teilzeitkräften dar. Denn § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG verbietet lediglich dann eine Benachteiligung von Teilzeitkräften, wenn diese nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund sei aber in dem Umstand zu sehen, dass Vergütungsbestandteile, die die Beitragsbemessungsgrundlage zur gesetzlichen Rentenversicherung überschritten, nicht verbeitragt werden. Der Umstand, dass für die Vergütungsbestandteile, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrundlage liegen, keine Anwartschaften erlangt werden, stellt folglich ein zulässiges Differenzierungsmerkmal auch zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten dar.
5. Praxishinweis
Aus Arbeitgebersicht ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts uneingeschränkt zu begrüßen, schafft sie doch weitere Klarheit bei der Behandlung von Voll- und Teilzeit im Recht der betrieblichen Altersversorgung. Dennoch sind bei der betrieblichen Umsetzung Vorsicht und eine feine Feder geboten. Anknüpfungspunkt einer gespaltenen Rentenformel darf stets nur die Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze sein, nicht aber die Frage, ob Arbeitnehmer in Voll- oder Teilzeit beschäftigt werden.