Konflikte am Arbeitsplatz lassen sich kaum vermeiden. Besonders bei einer engen Zusammenarbeit kann es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten unter Arbeitskollegen kommen. Wenn der Streit überhandnimmt oder in Mobbing ausartet, kann dies den Betriebsfrieden erheblich gefährden. Sind die Fronten verhärtet, kann bisweilen nur die Trennung der Streithähne Abhilfe schaffen. Doch welche Optionen haben Arbeitgeber, um die notwendige Trennung herbeizuführen? Insbesondere: Müssen Arbeitgeber vorher ermitteln, wer den Streit angefangen hat? Die klare Antwort des LAG Mecklenburg-Vorpommern lautet: Nein. Lesen Sie hierzu unseren Beitrag.
Versetzung per Direktionsrecht
Im Grundsatz kann der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen festlegen (§ 106 Satz 1 GewO). Es ist daher grundsätzlich möglich, einen Arbeitnehmer auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen. Etwas anderes gilt nur, wenn im Arbeitsvertrag ein bestimmter Arbeitsort festgelegt ist und sich der Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes nicht ausdrücklich vorbehalten hat.
Eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort ist nur im Rahmen billigen Ermessens zulässig (§ 106 Satz 1 GewO i. V. m. § 315 BGB). Es müssen daher die wechselseitigen Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abgewogen werden. Die Einhaltung der Grenzen des Direktionsrechts ist arbeitsgerichtlich überprüfbar.
Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte sich in seiner Entscheidung vom 30. Juli 2019 – 5 Sa 233/18 mit der Versetzung einer Köchin an einen anderen Arbeitsort zu befassen. Die klagende Arbeitnehmerin war seit 1990 als Köchin bei der beklagten Arbeitgeberin, die ein Pflegeheim betreibt, beschäftigt. Der Versetzung vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Küchenleiterin im Mai 2017 wegen der Menge der angerührten Senfsoße und Verwertung von Restkartoffeln. Die Klägerin war seitdem arbeitsunfähig. Beide am Streit Beteiligten bezeichneten das zwischen ihnen bestehende Verhältnis als zerrüttet. Die Klägerin warf der Küchenleiterin „allerschwerstes und nachhaltiges Mobbing“ vor. Daraufhin wurde die Klägerin im November 2017 an einen ca. 50 km weiter entfernten Arbeitsort versetzt. Die Versetzung begründete die Beklagte u. a. mit dem angespannten Betriebsfrieden und der darauf basierenden Beeinträchtigung der Arbeitsabläufe. Ein Arbeitsort war im Arbeitsvertrag der Klägerin nicht festgelegt.
Die Klägerin wehrte sich gerichtlich gegen ihre Versetzung, da diese aus ihrer Sicht nicht billigem Ermessen entspreche. Unter anderem trug sie vor, die Beklagte hätte vor Ausspruch der Versetzung die Konfliktlage vollständig aufklären müssen. In einem gemeinsamen Gespräch mit allen Betroffenen hätte der für den Streit Verantwortliche ermittelt werden müssen. Daneben hätte es einer Anhörung der Klägerin bedurft. Schließlich sei die Versetzung der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar.
Das ArbG Stralsund hat die Klage abgewiesen. Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern hielt die Versetzung der Klägerin für wirksam und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Nach Ansicht des LAG hat die Versetzung billigem Ermessen im Sinne von § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, und zwar unbeschadet ihrer Ursachen. Die Beklagte sei insbesondere nicht zur Aufklärung der Ursachen und Verantwortlichkeiten des Konflikts gehalten gewesen. Auf die Ursache des Streits komme es für eine wirksame Versetzung nicht an. Da die Klägerin der Küchenleiterin „allerschwerstes und nachhaltiges Mobbing“ vorgeworfen habe, sei eine schnelle und wirksame Beseitigung der Konfliktsituation zulässig, wenn nicht sogar geboten gewesen. Die Versetzung der Klägerin sei eine geeignete Maßnahme gewesen, den sich aus der täglichen Zusammenarbeit ergebenen Konflikt kurzfristig und wirksam zu lösen. Angesichts des vorangeschrittenen Konflikts seien die mit der Versetzung verbundenen Nachteile für die Klägerin begrenzt und ihr daher auch zumutbar.
Auswirkungen für die Praxis
Bei Konflikten zwischen Arbeitskollegen ist eine detaillierte Aufklärung der Verantwortlichkeiten für den Arbeitgeber meist unmöglich oder zumindest mit erheblichem Aufwand verbunden. Sowohl die Störung des Betriebsfriedens als auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers können – beispielsweise bei Mobbing – ein schnelles und effektives Handeln notwendig machen.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern zu begrüßen. Arbeitgeber müssen danach die Ursachen von Konflikten nicht vollständig aufklären, bevor sie einen Mitarbeiter versetzen. Um schnell Abhilfe zu schaffen, kann sogar die Versetzung eines Mobbingopfers zulässig sein, sofern dies billigem Ermessen entspricht. Dadurch kann der Arbeitgeber sicherstellen, dass die häufig aus der täglichen Zusammenarbeit resultierenden Konflikte zeitnah und effektiv behoben werden.
Die Versetzung allein befreit den Arbeitgeber freilich nicht von der nachfolgenden Aufklärung von Mobbingvorwürfen. Ansonsten können Schadensersatzansprüche auf Grundlage des AGG, aus Vertrag oder unerlaubter Handlung bestehen. Nach vollständiger Sachverhaltsaufklärung sind weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen bis hin zur außerordentlichen Kündigung möglich.
Definitiv sollte man besonders bei Mobbing schnell handeln, auch wenn das meistens mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Ich befinde mich derzeit leider in einer ähnlichen Situation. Dabei werde ich mich die nächste Zeit an einen Fachanwalt für das Arbeitsrecht wenden.