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Betriebsratsanhörung bei außerordentlichen Kündigungen – erfreuliche Nachrichten aus Erfurt!

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Die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats vor dem Ausspruch einer Kündigung stellt Arbeitgeber immer wieder vor große Herausforderungen. Bei auch nur kleinsten Fehlern droht die scharfe Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung. Dagegen weist eine neue Entscheidung des BAG vom 7. Mai 2020 – 2 AZR 678/19 erfreulicherweise in eine andere Richtung.

Sachverhalt und Hintergrund der Entscheidung

Im dem zu entscheidenden Fall sprach die Arbeitgeberin aufgrund verschiedener Vorwürfe gegenüber einem langjährig bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung aus. Vor dem BAG ging es jedoch nicht darum, ob ein materiell-rechtlicher Kündigungsgrund vorlag. Stattdessen stand die Thematik der Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG im Mittelpunkt. Diese sah das BAG entgegen der Vorinstanzen richtigerweise als ordnungsgemäß an.

Rückbesinnung des BAG auf den eigentlichen Zweck der Betriebsratsanhörung

Mit den zwei zentralen Aussagen der Entscheidung macht das BAG deutlich, dass die Betriebsratsanhörung kein „vorgezogenes Kündigungsschutzverfahren“ ist und demnach die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Betriebsrats ihrem Umfang nach Grenzen hat.

Die erste Aussage mag noch wenig überraschen: Der Arbeitgeber müsse den Betriebsrat bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nicht über einen Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers, der sich ausdrücklich nur auf ordentliche Kündigungen beziehe, informieren.

Die zweite Aussage lässt jedoch aufhorchen: Der Arbeitgeber sei zwar verpflichtet, dem Betriebsrat anzugeben, wann sich der kündigungsbegründende Sachverhalt zugetragen habe. Er müsse den Betriebsrat jedoch nicht über die Wahrung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unterrichten, d. h., ihm insbesondere nicht den Zeitpunkt seiner Kenntniserlangung von dem kündigungsbegründenden Sachverhalt mitteilen. Dies wurde von einigen Gerichten, u.a. der Vorinstanz, bislang anders gesehen.

Der Grund für diese Differenzierung des BAG liegt in dem Unterschied zwischen der Betriebsratsanhörung und dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren begründet. In letzterem muss der Arbeitgeber auch zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist vortragen, da im Arbeitsgerichtsprozess die Rechtmäßigkeit der Kündigung vollständig überprüft wird. Der Betriebsrat soll dagegen keine solche Wirksamkeitsprüfung vornehmen. Durch die Anhörung vor Ausspruch der Kündigung soll er lediglich in die Lage versetzt werden, seine Beteiligungsrechte wirksam auszuüben. Daher hat der Arbeitgeber ihn nach der Formulierung in § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch nur über die „Gründe für die Kündigung“ zu informieren. Hierzu zählt der kündigungsbegründende Sachverhalt samt Zeitpunkt, nicht jedoch die Wahrung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BAG macht klar: Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat hat Grenzen. Es ist über die „Gründe für die Kündigung“ zu informieren, nicht jedoch die Grundlage für eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung zu liefern. Daher kann der Arbeitgeber bei außerordentlichen Kündigungen auf Angaben zum ordentlichen Sonderkündigungsschutz und zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist verzichten.

Wenn der Betriebsrat jedoch – wie dies in der Praxis meist der Fall ist –zugleich auch zu einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung angehört wird, ist die Information über den ordentlichen Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers weiterhin anzuraten.

Zudem ist große Vorsicht geboten, falls der Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsratsanhörung „freiwillig“ oder „versehentlich“ Angaben zur Kündigungserklärungsfrist macht. Die Informationen müssen dann zwingend wahrheitsgemäß erfolgen. Anderenfalls kann die Betriebsratsanhörung bei auch nur kleinen Ungenauigkeiten fehlerhaft sein, was die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte.

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