Insbesondere in wirtschaftlich turbulenten Zeiten wie in der Corona-Krise kommt es nicht selten zu einem Personalkarussell in der Führungsebene von Unternehmen. Wenn die Gesellschafter einer GmbH die neue Führungsperson dann auch noch in den eigenen Reihen der Belegschaft gefunden haben, kann es meist nicht schnell genug gehen: Der neue Geschäftsführer soll sofort das Lenkrad übernehmen, geplante operative Entscheidungen umsetzen und die Gesellschaft auf Erfolgskurs bringen bzw. halten. Dabei läuft die rechtlich saubere Umsetzung der Transformation vom Arbeitnehmer zum Geschäftsführer der tatsächlichen Umsetzung des Postenwechsels manchmal hinterher.
Auf unserem Blog haben wir uns bereits mit den möglichen Formfehlern bei der „Beförderung“ eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer näher beschäftigt (hier geht es zu dem Beitrag). Nachfolgend soll es um die Frage gehen, in welchem Verhältnis der Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages zur Bestellung des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft steht und ob hierbei eine zeitliche Reihenfolge eingehalten werden muss bzw. sollte.
Organ und Dienstleister: Das Trennungsprinzip
Bei GmbH-Geschäftsführern ist stets zu beachten, dass der Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrags (schuldrechtliche Ebene) und die Bestellung als Geschäftsführer der GmbH (organschaftliche Ebene) streng voneinander zu trennen sind, sog. Trennungsprinzip. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag ist ein Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung, der die schuldrechtlichen Elemente des Rechtsverhältnisses zwischen Geschäftsführer und GmbH regelt, wie z.B. Vergütung, Dienstwagen, Urlaubsansprüche, nachvertragliches Wettbewerbsverbot u.a. Die Bestellung zum Geschäftsführer ist demgegenüber ein körperschaftlicher Akt, der die Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers sowie dessen Vertretungsmacht begründet. Das Organ- und das Anstellungsverhältnis bestehen rechtlich selbstständig nebeneinander. Durch den Bestellungsakt allein wird also nicht automatisch ein Geschäftsführeranstellungsvertrag begründet (so zuletzt BAG, Urteil vom 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06).
In der Praxis werden die Bestellung zum Geschäftsführer und der Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrags meist miteinander verbunden, indem unmittelbar nach der formalen Bestellung des Geschäftsführers ein entsprechender Anstellungsvertrag (schriftlich) abgeschlossen wird. In der Präambel des Vertrags wird sodann auf die erfolgte Bestellung verwiesen. Der Gleichlauf von Vertragsabschluss und Bestellung ist regelmäßig im Interesse beider Parteien, da der Geschäftsführer meist nicht bereit ist, ohne entsprechenden Anstellungsvertrag (und der darin geregelten Vergütungskomponenten) tätig zu sein; zudem wird die Gesellschaft nicht bereit sein, einen Geschäftsführeranstellungsvertrag abzuschließen, wenn hiermit keine Bestellung einhergeht.
Wirksames Geschäftsführeranstellungsverhältnis vor Bestellung als Geschäftsführer möglich?
Wie oben bereits erwähnt, stellt der körperschaftliche Akt der Bestellung an sich noch keinen Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrags dar. Kann es aber auf der anderen Seite Konstellationen geben, in denen bereits vor der Bestellung ein Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen wurde, aus dem der neue Geschäftsführer sodann seine Rechte (z.B. auf höhere Vergütung, Anspruch auf Dienstwagen u.a.) herleiten kann?
Aus dem oben beschrieben Trennungsprinzip folgt, dass bereits vor Bestellung als Geschäftsführer der Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrags grundsätzlich möglich ist. Dies kann insbesondere bei Arbeitnehmern relevant werden, die zu Geschäftsführern „befördert“ werden und rein faktisch sofort die Zügel in der Hand haben, bevor sie formal zu Geschäftsführern bestellt werden. Die Umstände sprechen in diesem Fall nämlich zumindest für einen konkludent (= stillschweigend) abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Der Arbeitsvertrag hat hierbei keine rechtliche Relevanz, da sich dieser nicht in einen Geschäftsführeranstellungsvertrag „verwandelt“, sondern grundsätzlich neben dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis bestehen bleibt (hierzu näher in unserem Blogbeitrag). Sofern der „Geschäftsführer“ seine Tätigkeit als Führungsperson der Gesellschaft sodann im Rechtsverkehr bereits ausübt, bevor er organschaftlich hierzu bestellt wurde, treffen ihn als sog. „faktischer Geschäftsführer“ sodann allerdings auch grundsätzlich die gleichen Pflichten sowie haftungsrechtlichen Risiken wie einem ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer.
Hinweise für die Praxis
Das Trennungsprinzip bewirkt zum einen, dass mit der Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer nicht automatisch ein Geschäftsführeranstellungsvertrag abgeschlossen wird. Zum anderen kann es aber – insbesondere wenn Arbeitnehmer zu Geschäftsführern „befördert“ werden – zu einem (zumindest konkludenten) Abschuss eines Geschäftsführeranstellungsvertrags vor der Bestellung zum Geschäftsführer kommen. Im Zweifel könnte der neue Geschäftsführer also Ansprüche aus diesem neu abgeschlossenen Anstellungsvertrag gegen die Gesellschaft herleiten, auch wenn die Vertragskonditionen zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt noch nicht schriftlich festgelegt wurden. Rechtliche Konflikte sind dadurch vorprogrammiert. Streitigkeiten können Unternehmen dadurch vermeiden, dass – insbesondere im Falle der Ernennung eines Geschäftsführers aus den eigenen Reihen der Belegschaft – die Bestellung zum Geschäftsführer und Vertragsschluss zeitlich unmittelbar miteinander verknüpft werden.