Die Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats ist nicht nur ein arbeitsrechtlicher Dauerbrenner, sondern auch regelmäßig Gegenstand kritischer Presseberichterstattung. Dies insbesondere dann, wenn es zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen oder gar strafrechtlichen Ermittlungen gegen Betriebsratsmitglieder und Unternehmensorgane kommt. Auch des Deutschen liebstes Kind – der Dienstwagen mit dem Recht zur Privatnutzung – führt in der Praxis vor dem Hintergrund des betriebsverfassungsrechtlichen Begünstigungsverbots regelmäßig zu Konflikten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dabei setzten Betriebsverfassungsrecht und Rechtsprechung einem derartigen Vorgehen klare Grenzen: Ein Arbeitgeber, der einem viel reisenden Betriebsrat für diese Reisen einen Firmenwagen überlässt, darf keine private Nutzung gewähren, wenn dem Betriebsratsmitglied ohne seine Amtstätigkeit ein Dienstwagen nicht zugestanden hätte. Dies bestätigte jüngst auch das LAG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 11.2.2020 – 7 Sa 997/19.
Worum ging es in der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2020
Die Parteien stritten über einen Anspruch des Klägers auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung. Der Kläger wurde 1992 als Kfz-Mechaniker eingestellt, jedoch kurz nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses er in den Betriebsrat gewählt und war mit Unterbrechungen bis März 2018 freigestellter Betriebsratsvorsitzender, ab März 2018 freigestelltes Betriebsratsmitglied.
Bei der Beklagten gab es eine Dienstwagenrichtlinie, die eine funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens vorsah, wenn der Reiseaufwand mehr als 50 % der Tätigkeit einnimmt. Die Beklagte überließ dem Kläger im Jahr 2001 zur Ausübung seines Betriebsratsamtes einen Dienstwagen, den er auch privat nutzen durfte. Im Jahr 2018 forderte die Beklagte den Kläger zur Rückgabe des Dienstwagens auf mit der Begründung, in seiner aktuellen Funktion als freigestelltes Betriebsratsmitglied und nicht länger als Betriebsratsvorsitzender würden die Voraussetzungen der Dienstwagenrichtlinie für die funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens nicht mehr vorliegen. Der Kläger gab den Dienstwagen zurück und nutzt seither für seine Betriebsratstätigkeit ein ihm persönlich zugewiesenes Fahrzeug aus dem Fuhrpark der Beklagten, das ihm jedoch nicht zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. Das Betriebsratsmitglied klagte auf erneute Überlassung eines Dienstwagens zur dienstlichen und privaten Nutzung.
Das LAG Berlin-Brandenburg setzte strengen Vorgaben des Gesetzgebers konsequent um und stellte zutreffend fest, dass die im Jahr 2001 getroffene Vereinbarung über die Überlassung eines Dienstwagens nach § 78 Satz 2 BetrVG, § 134 BGB nichtig war. Der Arbeitgeber durfte dem Kläger einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung also nicht zur Verfügung stellen. Eine solche Überlassung auch zur privaten Nutzung verstoße gegen das Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG, das Begünstigungsverbot § 78 Satz 2 Alt. 2 BetrVG, die Vereinbarung über die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung war folglich nichtig, § 134 BGB. Denn sie gewährte dem Kläger allein aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit einen Vergütungsbestandteil, den er für seine Arbeitsleistung nicht erhalten hätte. Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung stellt grundsätzlich einen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar (BAG, Urt. v. 23. 6. 2004 – 7 AZR 514/03). Auf die Frage eines wirksamen Widerrufes des Dienstwagennutzungsvertrages kam es infolge der Nichtigkeit der Vereinbarung nicht an.
Keine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds im unentgeltlichen Ehrenamt
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist zu begrüßen. Der Gesetzgeber hat das Betriebsratsamt aus gutem Grund als unentgeltliches Ehrenamt (§ 37 Abs. 1 BetrVG) ausgestaltet. Er wollte damit eine unparteiische und unabhängige Amtsführung und die innere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder sicherstellen. Aus diesem Grund hält auch die Rechtsprechung den Zweck des (Ehren-)Amtes sehr hoch und legt die relevanten Normen streng aus. Besonderes Gewicht liegt auf der Verbotsnorm sowie dem Straftatbestand der §§ 78, 119 BetrVG.
Auf dieser Grundlage steht fest, dass jede besondere Vergütung – wozu auch die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung gehört – für die Betriebsratstätigkeit selbst verboten ist. Ein Betriebsrat darf weder unmittelbar noch mittelbar für seine Amtstätigkeit vergütet werden. Das in der Praxis immer wieder vorgebrachte Argument, ein Betriebsrat, der erhebliche Reisetätigkeiten zur Erfüllung seiner Amtstätigkeiten durchführt, benötige zwingend Zugang zu einem Dienstwagen mit Privatnutzung, vermag über den Begünstigungstatbestand nicht hinwegzuhelfen.
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Die Regelung dient – ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) – der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder. Eine Begünstigungsabsicht ist nicht erforderlich. Für eine Begünstigung i. S. d. Vorschrift genügt die objektive Besserstellung gegenüber vergleichbaren Nichtbetriebsratsmitgliedern. Eine nach § 78 Satz 2 BetrVG untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung, die auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Im Bereich der Vergütung führt das Begünstigungsverbot des dazu, dass die Gewährung eines Dienstwagens mit dem Recht zur Privatnutzung als Entgeltbestandteil untersagt ist, wenn das Betriebsratsmitglied ihn nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte.
Anknüpfungspunkte: Lohnausfallprinzip und hypothetische berufliche Entwicklung
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG steht einem freigestellten Betriebsratsmitglied eine Leistung dann zu, wenn ihm der Arbeitgeber einen solchen Dienstwagen vor seiner Wahl in den Betriebsrat zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben zur Verfügung gestellt hat oder aber sich das Betriebsratsmitglied in eine Position entwickelt hätte, die einen Anspruch auf einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung begründen würde. Dann würde die sich aus § 37 Abs. 4 BetrVG ergebende erforderliche Anpassung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds auch die Bereitstellung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung umfassen. Dem Kläger hätte jedoch weder als Kfz-Mechaniker noch in der Funktion eines Teammeisters, die er entsprechend seiner hypothetischen beruflichen Entwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG nach knapp 20-jähriger Betriebszugehörigkeit bekleidet hätte, von der Beklagten ein Dienstfahrzeug auch zur privaten Nutzung zugestanden.
Anspruch auf Überlassung erforderlicher Sachmittel ist nicht im Urteilsverfahren durchsetzbar
Zwar kann die Notwendigkeit von Reisetätigkeiten des Betriebsrats dazu führen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Betriebsrat zur effektiven Wahrnehmung des Betriebsratsamtes gemäß § 40 BetrVG als Sachmittel auch ein Dienstfahrzeug – dann jedoch ausschließlich (!) zur dienstlichen Nutzung – zu überlassen. Dabei handelt es sich indes um einen Anspruch des Gremiums auf Bereitstellung erforderlicher Sachmittel nach § 40 BetrVG, nicht um einen individuellen Anspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds. Der Anspruch nach § 40 BetrVG kann folglich nicht im Wege des Urteilsverfahrens als individualrechtlicher Anspruch geltend gemacht werden.
Fazit
Arbeitgeber tun gut daran, die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. Denn ist der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat zu großzügig, setzt er sich dem Vorwurf der Begünstigung aus. Ist er umgekehrt zu streng, benachteiligt er das Betriebsratsmitglied. Beide Verhaltensweisen sind nicht nur aus Compliance-Gesichtspunkten, sondern auch strafrechtlich relevant.
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist zu begrüßen. Sie setzt den Forderungen vieler Betriebsräte klare Grenzen. In der Praxis gewähren nach wie vor zu viele Unternehmen – sei es auf Druck der Gremien oder aus Unwissenheit – Betriebsräten Vergütungsbestandteile, auf die sie ohne die Ausübung ihres Amtes keinen Anspruch hätten. Das Betriebsverfassungsrecht setzt einem derartigen Vorgehen jedoch klare Grenzen und beschränkt die Ansprüche eines Betriebsratsmitglieds auf dasjenige, worauf auch ohne die Amtsausübung ein Anspruch bestünde. Sowohl die Unternehmen und ihren verantwortlichen Organen als auch die Betriebsräte sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich bei der Betriebsratsbegünstigung nicht um ein Kavaliersdelikt handelt, sondern hier die Straftatbestände des § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und der Untreue nach § 266 StGB verwirklicht sein können.