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Externe Beisitzer in der Einigungsstelle – ja, aber mit Grenzen

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Einigungsstellenverfahren sind langwierig und teuer. Die Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Oftmals treibt der Betriebsrat die Kosten in die Höhe, indem er die Beisitzerposten extern besetzt. Allzu extremen Auswüchsen dieser Praxis hat das BAG nun ein Ende bereitet.

In seiner Entscheidung vom 19. November 2019 (7 ABR 52/17) stellte das BAG fest, dass kein Vergütungsanspruch besteht, wenn die Bestellung einzig der Erhöhung der Kosten und des Drucks auf den Arbeitgeber dienen soll. Der Beisitzer kann sich dann nicht auf einen ordnungsgemäßen Bestellungsbeschluss des Betriebsrats berufen und hat konsequent auch keinen Vergütungsanspruch.

Die Entscheidung

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Die Einigungsstelle war auf Seiten des Betriebsrats neben dem Antragsteller mit einem weiteren Rechtsanwalt und einer Gewerkschaftssekretärin besetzt. Der Betriebsratsvorsitzende fungierte als Verfahrensbevollmächtigter. Die Honorarrechnung des Antragstellers beglich die Arbeitgeberin nicht. Unter Berufung auf seinen gesetzlichen Honoraranspruch leitete der Antragsteller das gerichtliche Verfahren ein. In seiner Entscheidung führte das BAG aus, dass ein Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch die rechtmissbräuchliche Besetzung der Einigungsstelle zum Wegfall des Vergütungsanspruchs führen kann. Liegen der Beisitzerbestellung offenkundig sachwidrige Motive zugrunde und war dies für den Beisitzer erkennbar, so ist der Bestellungsbeschluss unwirksam und ein Honoraranspruch besteht nicht. Derartig offenkundig sachwidrige Motive liegen, so dass BAG vor, wenn die Beisitzerbestellung das Ziel hat, die Kosten der Einigungsstelle zu erhöhen und damit einen Einigungsdruck auf die Arbeitgeber auszuüben.

Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit war, dass der Betriebsratsvorsitzende im Einigungsstellenverfahren als Verfahrensbevollmächtigter teilnahm, obwohl eine Bestellung zum Beisitzer möglich war. Diese erfolgte jedoch nicht, weil ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten davon zu Gunsten des Antragstellers abgeraten wurde. Außerdem wurde der Antragsteller, trotz seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt nur zum Beisitzer bestellt. Wegen des unkonventionellen Vorgehens hinterfragte das BAG die Bestellungsentscheidung und betonte die Grenzen der Vertretungsmöglichkeiten des Betriebsrats. Trotz der generellen Vertretungsmöglichkeit ist der Arbeitgeber nur dann zur Zahlung des Vertreterhonorars verpflichtet, wenn die Hinzuziehung erforderlich war. Mit der Bestellung des Betriebsratsvorsitzenden brachte der Betriebsrat zum Ausdruck, dass eine anwaltliche Vertretung gerade nicht erforderlich sei. Dies lasse den Rückschluss zu, dass der Antragsteller nur zum Beisitzer bestellt wurde, um diesem einen Honoraranspruch zu verschaffen, der ihm als Verfahrensbevollmächtigter nicht zugestanden hätte.

Das BAG verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Nürnberg zurück.

Auswirkungen auf die Praxis

Was zunächst den Eindruck einer guten Verteidigung gegen überhöhte Kosten im Einigungsstellenverfahren macht, entpuppt sich im Ergebnis als Ausnahmeentscheidung, mit erheblichen Hürden. Das BAG betonte selbst, dass ein Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit durch die rechtsmissbräuchliche Ausübung einer formalen Rechtsstellung nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt. Zwar kommt dem Arbeitgeber im Beschlussverfahren der gerichtliche Untersuchungsgrundsatz zugute, so dass hier das Arbeitsgericht eigenständig auf Grundlage des Vortrags der Parteien weitere Untersuchungen anstellt. Erforderlich ist jedoch nach wie vor ein ausreichender Sachvortrag des Arbeitgebers, der den Rechtsmissbrauch des Betriebsrats unter Beweisantritt darlegt.

Fazit

Eine wünschenswerte Entscheidung des BAG, die den Betriebsrat im Einigungsstellenverfahren in die Schranken weist und ihm ein gern genutztes Druckmittel nimmt. Zwar sind im Ergebnis immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, dennoch ist Arbeitgebern mit Hinblick auf die hiesige Entscheidung zu raten stets ein wachsames Auge auf die Motive des Betriebsrats bei der Einigungsstellenbesetzung zu haben. Es kann sich lohnen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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