Gemeinschaftsbetriebe bringen (nicht nur) bei geplanten Massenentlassungen zusätzliche Herausforderungen für die arbeitsrechtliche Beratungspraxis mit sich. Wie die Anzeige einer Massenentlassung im Gemeinschaftsbetrieb trotz der zusätzlichen Komplexität möglichst rechtssicher gelingt, zeigt der folgende Beitrag.
Ermittlung der Schwellenwerte
Ob ein Personalabbau nach § 17 KSchG anzeigepflichtig ist, hängt von den dort genannten Schwellenwerten ab. Die aufgelisteten Arbeitnehmerzahlen sind je Betrieb zu ermitteln. Zwar ist – wie wir in Teil 1 unserer Serie zu Massenentlassungen erläutert haben – der Betriebsbegriff unionsrechtskonform auszulegen. Im Grundsatz wird gleichwohl ein Gemeinschaftsbetrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 BetrVG auch als der Betrieb i.S.v. § 17 Abs. 1 KSchG zu werten sein – davon geht auch die einschlägige fachliche Weisung der BfA aus.
Gelegentlich bestehen Zweifel, ob die Arbeitnehmer mehrerer Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb bilden, bzw. welche von mehreren Unternehmen an einem Standort Teil eines vorhandenen Gemeinschaftsbetriebs ist. Dann sollten vorsorglich die denkbaren Varianten durchgerechnet werden. Übersteigt z.B. der Abbau in einem Unternehmen isoliert betrachtet nicht der erforderlichen Schwelle, ist aber über den (mutmaßlichen) Gemeinschaftsbetrieb die ausreichende Zahl an Kündigungen in Relation zu der Arbeitnehmerzahl erreicht, ist eine vorsorgliche Anzeige aller geplanten Entlassungen ratsam.
Zu großzügig sollte der Arbeitgeber bei der Frage der vorsorglichen Anzeige allerdings nicht sein. Denn wie das Bundesarbeitsgericht jüngst zu Air Berlin entschieden hat, führt die Verkennung des Betriebsbegriffs zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Erst wenn signifikante Indizien für einen Gemeinschaftsbetrieb sprechen, sollte also die vorsorgliche Anzeige erstattet werden. Um sich nicht für die Argumentation in späteren Kündigungsverfahren faktisch zu binden, sollte der Arbeitgeber die eigenen Zweifel an dem Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs zudem im Zweifel in der Anzeige an die Agentur für Arbeit offenlegen und klarstellen, dass er die Anzeige vorsorglich erstattet.
Inhalt der Anzeige(n)
Entscheiden sich die beteiligten Unternehmen für eine Anzeige unter der Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs, sollte die Anzeige wie folgt gestaltet werden:
- Jedes Unternehmen sollte eine eigenständige Anzeige einreichen. Zwar ließe sich diskutieren, ob ein Unternehmen stellvertretend für alle beteiligten Unternehmen die Anzeige für alle Arbeitnehmer einreichen kann. Das scheint vertretbar, da sonst die Agentur doppelt informiert würde. Rechtlich abgesichert ist dieses Vorgehen jedoch nicht, zumal § 17 KSchG die Anzeigepflicht an „den Arbeitgeber“ richtet.
- In den jeweiligen Anzeigen sind allerdings jeweils alle Mitarbeiter aufzunehmen – d.h. auch die Arbeitnehmer der anderen Unternehmen des Gemeinschaftsbetriebs. So sieht es jedenfalls das LAG Niedersachsen.
- Entlässt ein am Gemeinschaftsbetrieb beteiligtes Unternehmen keine Arbeitnehmer, läge es nahe, dass dieses Unternehmen keine Anzeige erstattet. Nach den vorstehenden Grundsätzen wäre es gleichwohl nur konsequent, wenn auch dieses Unternehmen eine Anzeige erstattet, um nicht die Wirksamkeit der übrigen Anzeigen in Zweifel zu ziehen. Schädlich wäre eine derartige Anzeige jedenfalls nicht.
- Nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber von den Agenturen für Arbeit mitunter erwartet wird eine Aufschlüsselung der Gesamtheit an Arbeitnehmern (sowohl für die in der Regel beschäftigten als auch für die zu entlassenden Mitarbeiter) auf die jeweiligen Unternehmen. Diese „Serviceleistung“ sollte der Arbeitgeber vorsorglich vornehmen, um etwaigen Nachfragen der Agentur vorzubeugen und möglichst schnell die gewünschte Bestätigung zu erhalten, wonach die Anzeige vollständig bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist.
Um die Gestaltung der Anzeige(n) für die Agentur für Arbeit – und letztlich auch für einen etwaigen späteren Kündigungsschutzprozess – besser nachvollziehbar zu machen, bietet sich schließlich neben dem vorgesehen Formular ein kurzes Begleitschreiben an die Agentur für Arbeit an, welches die eigenen Schlussfolgerungen in Bezug auf den Gemeinschaftsbetrieb und die gebotene doppelte Einreichung offenlegt. Selbst wenn man eine doppelte Anzeige nicht für erforderlich halten wollte, dürfte dieses Vorgehen – in Anlehnung an die Rechtsprechung zur doppelten Einreichung bei unklarer örtlicher Zuständigkeit – damit nicht zu beanstanden sein.