Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich auf die Wirksamkeit gängiger Ausschlussklauseln auswirken könnten, haben sich seit der Einführung des MiLoG im Jahr 2015 und der Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB im Jahr 2016, wonach (nicht nur) Ausschlussklauseln keine – wie zu der damaligen Zeit üblich – schriftliche Geltendmachung, sondern nur noch eine solche in Textform vorsehen durften, nicht geändert. Rund um Ausschlussklauseln gibt es aber immer wieder etwas „Neues“ von der Rechtsprechung – und zwar in mehr oder weniger konsequenter Anwendung des geltenden Rechts.
Jüngst hatte sich das BAG (Urteil vom 3.12.2019 – 9 AZR 44/19) mit der Wirksamkeit einer zweistufigen Ausschlussfrist zu befassen. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Ausschlussklausel intransparent sei. Das Transparenzgebot als Kernelement der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, verpflichtet einen Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Gestaltung von formularmäßigen Arbeitsverträgen dazu, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners, also des Arbeitnehmers, klar und verständlich darzustellen. Klingt erstmal einfach, ist es aber nicht immer – der Teufel steckt auch hier im Detail.
Um welche Ausschlussklausel ging es konkret?
Ausschlussklauseln gibt es zahlreich, mit einer und zwei Stufen, in wirksamer und offensichtlich unwirksamer Form, in Altverträgen und in aktuell von Arbeitgebern verwendeten Vertragsmustern, teilweise glänzen sie aber auch durch ihre Abwesenheit und dass, obwohl selbst eine unwirksame Ausschlussklausel allein durch ihre Existenz mehr Vertragspartner von einer Anspruchsdurchsetzung abhält als gar keine Ausschlussklausel.
Im Arbeitsvertag war eine zweistufige Ausschlussklausel mit folgendem Wortlaut enthalten:
- (1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.
- (2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Was sagte das BAG zu der Ausschlussklausel?
Dem aufmerksamen Leser dürfte aufgefallen sein, dass bereits die erste Stufe das Wort „schriftlich“ enthält und auch keine Mindestlohnansprüche ausschließt. Gleich zwei laut schrillende arbeitsrechtliche Alarmglocken ertönen, die jedoch mit Blick auf das Abschlussdatum des Arbeitsvertrags schnell wieder verstummen. Die Klausel war in einem im Jahr 2007, also weit vor Inkrafttreten des MiLoG und seit der Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB, geschlossenen Arbeitsvertrag enthalten. Die Rechtsprechung geht im Zusammenhang mit der Einführung des MiLoG bei solchen Altverträgen zugunsten des Klauselverwenders lediglich von einer Teilunwirksamkeit aus, d.h. die Klausel wird de facto so gelesen, als seien Ansprüche aus dem MiloG von dieser nicht erfasst. Was die „Schriftlichkeit“ anbelangt, hat gleich der Gesetzgeber die Lösung bereitgestellt: auf Altverträge ist § 309 Nr. 13 BGB schlicht nicht anwendbar. Die erste Stufe interessierte das BAG in dem konkreten Fall trotzdem nicht – es unterstellte deren Wirksamkeit, da der klagende Arbeitnehmer die erste Stufe ohnehin unproblematisch erklommen hatte.
Sein Augenmerk richtete es ausschließlich auf die zweite Stufe. Das Ergebnis dieser „Inaugenscheinnahme“, die aus der Intransparenz folgende Unwirksamkeit, dürfte diejenigen, die weniger detailverliebt die Klausel studieren, zunächst einen Schrecken versetzt haben, ähnelt die verwendete Klausel doch sehr den bisher für wirksam gehaltenen und – wir wollen den Spannungsbogen an dieser Stellen nicht überstrapazieren – auch zukünftig wirksamen Variante einer zweiten Stufe. Allein das kleine und schnell überlesene Wörtchen „dagegen“ bringt die zweite Stufe der Ausschlussklausel zu Fall. Das BAG stellt ausdrücklich klar, dass zweistufige Ausschlussklauseln wirksam vereinbart werden können, nach denen der Anspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung (erste Alternative) oder, wenn sich die Gegenseite innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung „nicht erklärt“ (zweite Alternative), innerhalb von drei Monaten nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Konkret begründete das BAG die Unwirksamkeit wie folgt: Die zweite Stufe einer vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellten Ausschlussfristenregelung ist intransparent, wenn sie dem verständigen Arbeitnehmer suggeriert, er müsse den Anspruch ausnahmslos innerhalb der vorgesehenen Ausschlussfrist auch dann gerichtlich geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt oder den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt hat. Eine in diesem Sinne zu weit gefasste Klausel benachteiligt den Vertragspartner unangemessen, weil sie nicht der wahren Rechtslage entspricht. Sie ist in rechtlicher Hinsicht irreführend und deshalb geeignet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich auf seine Rechte zu berufen. Die hier streitgegenständliche Klausel stellt die Rechtslage unzutreffend und deshalb irreführend dar, indem sie die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs zugesagt oder den Anspruch anerkannt oder streitlos gestellt hat, aus ihrem Anwendungsbereich nicht ausnimmt. Sie verlangt vom Anspruchsteller damit ausnahmslos, den Anspruch zur Vermeidung seines Verfalls gerichtlich geltend zu machen. Ein „Zusammenstreichen“ der Klausel auf ein noch zulässiges Maß unter Anwendung des sog. Blue-Pencil-Test sei hier aufgrund der Einheitlichkeit der Regelung nicht möglich. Folge: Die zweite Stufe der Ausschlussklausel ist insgesamt als unwirksam anzusehen.
Was bedeutet dies nun für die arbeitsrechtliche Praxis?
Die in Formulararbeitsverträgen verwendeten Ausschlussklauseln sollten genau und auch mit dem nötigen Blick fürs Detail unter die Lupe genommen werden – eine Grundregel, die freilich auch für alle anderen Klauseln eines Arbeitsvertragsmusters gilt. Neben der ad hoc-Prüfung im konkreten Fall der Verwendung bzw. Anpassung auf den Einzelfall sollten auch regelmäßige Intervalle für die Prüfung der Klauseln in der Personalabteilung etabliert werden, um notwendige Änderungen nicht zu „verschlafen“.