Vielen Arbeitgebern fehlt es aufgrund der Corona-Pandemie derzeit an Planungssicherheit:
Zuvor ausgeschriebene Stellen werden vorübergehend nicht besetzt und erstmal „geparkt“ oder es wurde direkt ein Einstellungsstopp angeordnet. Aus der Not heraus sehen sich einige Unternehmen zudem gezwungen, frisch eingestellte Mitarbeiter in der Probezeit vorsorglich zu entlassen, damit nach sechsmonatiger Beschäftigungsdauer die strengen Anforderungen des Kündigungsschutzes einer flexiblen Reaktion auf zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen nicht zu sehr entgegenstehen.
Doch muss das wirklich sein? Eigentlich soll(t)en diese Positionen schließlich besetzt werden und vielversprechende Kandidaten waren auch bereits gefunden. Befristete Arbeitsverträge könnten ein geeignetes Mittel darstellen, um die zukünftigen Unternehmensentwicklungen zunächst zu beobachten und nach Ende des Befristungszeitraums die Beschäftigungssituation neu zu bewerten.
Befristete Anstellungen
Sofern Mitarbeiter erstmals im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angestellt werden sollen, sind Arbeitgeber keinen besonderen „Befristungs-Hürden“ ausgesetzt. Bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren kann eine Befristung neu eingestellter Mitarbeiter zunächst ohne Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund erfolgen, bis zu dieser zweijährigen Gesamtdauer ist auch eine dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnissen möglich (§ 14 Absatz 2 Satz 1 Teilzeit und Befristungsgesetz).
Schwieriger wird es in folgenden Konstellationen, die für eine wirksame Befristung regelmäßig eines sogenannten „Sachgrundes“ zur Rechtfertigung einer „nur“ befristeten Anstellung bedürfen:
Befristete Anstellungen …
(1) im Anschluss an einen Befristungszeitraum von zwei Jahren,
(2) nach bereits dreimaliger sachgrundloser Verlängerung einer kalendermäßigen Befristung,
(3) von unbefristet eingestellten Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis zwar nicht direkt beendet werden soll, jedoch mittels einer Änderungskündigung während der Probezeit in ein befristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden soll (die zunächst unbefristete Anstellung stellt eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dar).
Ausnahmen können allenfalls bei Anwendbarkeit abweichender tarifvertraglicher Regelungen, Unternehmensneugründungen oder unter bestimmten Voraussetzungen ab Vollendung des 52. Lebensjahres in Betracht kommen (§ 14 Abs. 2a, 3 TzBfG).
„Unsichere Planungssicherheit aufgrund von Corona“ als Sachgrund einer Befristung?
Die entscheidende Frage wäre in diesen Fällen, ob die unsichere Planungssituation in Zeiten von Corona als Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG ausreichen würde. Voraussichtlich dürfte diese Unsicherheit allein nicht ohne weiteres genügen:
Eine allgemein unsichere Planungssituation in Bezug auf die wirtschaftlichen und unternehmerischen Entwicklungen reicht als Sachgrund für eine Befristung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht aus. Das Risiko der negativen geschäftlichen Entwicklung trägt der Arbeitgeber und darf er nicht über die Befristung auf den Mitarbeiter abwälzen. Vielmehr stünde dem Arbeitgeber notfalls das Mittel der betriebsbedingten Beendigungskündigung zur Verfügung. Zur aktuellen Corona-Situation und besonderer Planungsunsicherheit existiert noch keine gesicherte Rechtsprechung, es dürften aber dementsprechend auch insofern erhebliche Risiken einer wirksamen Befristung bestehen.
Denkbarer Begründungsansatz für einen Sachgrund in der aktuellen Situation könnte allenfalls der nur „vorübergehende Bedarf“ an der Arbeitsleistung sein (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG). Um dies rechtfertigen zu können, bräuchte der Arbeitgeber allerdings im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung bereits konkrete Anhaltspunkte, warum ein aktuell benötigter Mitarbeiter zum Ablauf der Befristung mit „hinreichender Sicherheit“ nicht mehr benötigt wird. Als Beispiele für nur vorübergehenden Bedarf können hingegen – insbesondere corona-bedingt – aktuelle Prognosen für nur zeitlich befristete bzw. auslaufende Auftrags-/Projektarbeiten dienen, die absehbare Einstellung von Produktionstätigkeiten im Zuständigkeitsbereich des Arbeitnehmers bzw. Schließung von Abteilungen ohne andere Einsatzmöglichkeit, Veränderung der Arbeitskapazitäten durch Einsatz technischer oder organisatorischer Mittel sowie ähnliche nachvollziehbare Gründe (einzelfallabhängig).
Im Falle einer Entfristungsklage nach Ablauf des Befristungsdatums müsste der Arbeitgeber die tatsächlichen Grundlagen für eine solche Prognose konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen. Derzeit dürfte dies aufgrund der unklaren zukünftigen Beschäftigungssituation häufig nicht möglich sein.
Strategie
Sofern momentan eine klare Prognose schwer fallen sollte, aber jedenfalls gewisse Vermutungen für eine sich verschlechternde Auftragslage bestehen, könnte die Befristung dennoch – bei verbleibender rechtlicher Unsicherheit – als Option in Erwägung gezogen werden. Hintergrund ist, dass die Wirksamkeit der Befristung üblicherweise erst mit dem Ende des befristeten Vertrags relevant wird, wenn der Mitarbeiter eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bewirken will. Hier sind folgende Szenarien denkbar:
- Zum Ablauf der Befristung besteht tatsächlich keine Beschäftigungsmöglichkeit für den befristeten Arbeitnehmer mehr. Dann nimmt die Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür an, dass eine entsprechende Prognose für die Sachgrundbefristung bereits im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung vorlag. Der Arbeitnehmer müsste in der Situation darlegen, warum im Zeitpunkt der Befristung diese Prognose nicht gerechtfertigt war oder die nachfolgende Entwicklung durch Corona mit der Prognose des Arbeitgebers in keinem Zusammenhang stand (also der Arbeitgeber nur zufällig Recht behalten hat).
- Die Beschäftigungsmöglichkeit entfällt zum Ablauf der Befristung nicht. Dann wird der Arbeitgeber gegebenenfalls von sich aus eine Verlängerung der Befristung bzw. eine Entfristung in Erwägung ziehen. Zum Streit über die Wirksamkeit der ersten Befristung käme es dann nicht.
- Sollte die Beschäftigungsmöglichkeit nicht wegfallen, der Arbeitgeber aber den befristeten Vertrag nicht verlängern wollen, müssten die betroffenen Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Befristungszeitraums eine Entfristungsklage erheben. Das ist nicht in jedem Fall zu erwarten, kommt aber natürlich vor. Sollte der Arbeitnehmer die Klage gewinnen, so würde das Arbeitsverhältnis als unbefristet fortbestehend gelten.
Fazit
Angesichts dieser potentiellen Szenarien dürfte sich das faktische Risiko für den Arbeitgeber in Bezug auf eine unwirksame Sachgrundbefristung, Begründung: Corona-Planungsunsicherheit, auf wenige Fälle beschränken. Auszuschließen wäre es jedoch nur, sofern konkrete Gründe für einen nur vorübergehenden Arbeitseinsatz dargelegt werden könnten (oder andere Sachgründe gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG).
Ob angesichts dieser Szenarien eine befristete Anstellung vorgenommen werden soll, wird viel von der konkreten Situation des Unternehmens abhängen – und davon, wie viel der jeweilige Mitarbeiter einem Arbeitgeber wert ist.