Zum 30.3.2020 wurde das Infektionsschutzgesetz (IfSG) auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erneut geändert. Nach der Neufassung des § 56 Abs. 1 a) IfSG können nunmehr auch berufstätige Eltern einen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG haben, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern (z.B. Kitas) oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt wird. Nachstehend ein kurzes Überblick über den neuen Entschädigungsanspruch:
Wer hat Anspruch auf Entschädigung?
Anspruchsberechtigt sind nach § 56 Abs. 1 a) IfSG erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind. Von § 56 Abs. 1 a) IfSG sind sowohl Arbeitnehmer als auch Selbstständige erfasst. Auch Pflegeeltern, die die Vollzeitpflege von Kindern im Sinne des § 33 SGB VIII übernommen haben, steht der Anspruch zu.
Was sind die Anspruchsvoraussetzungen?
Nachstehende Grundvoraussetzungen müssen für den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 a) IfSG erfüllt sein:
- Eine Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder Schulen wird von der zuständigen Behörde auf Grund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt.
- Das betreuungsbedürftige Kind hat das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet oder ist behindert und auf Hilfe angewiesen.
- Die Betreuung während der Schließung/ des Betretungsverbots erfolgt durch den erwerbstätigen Sorgeberechtigten, da keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sichergestellt werden kann.
- Der erwerbstätige Sorgeberechtigte erleidet durch die Betreuung einen Verdienstausfall.
In zeitlicher Hinsicht besteht kein Entschädigungsanspruch, wenn die Betreuungseinrichtung wegen Schulferien ohnehin geschlossen wäre.
Wann bestehen keine anderweitigen zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten?
Der Entschädigungsanspruch besteht nur, wenn der Sorgeberechtigte keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen kann. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Folgende zumutbaren Betreuungsmöglichkeiten kommen insbesondere in Betracht:
- Es besteht ein Anspruch auf Notbetreuung in der Kita oder in der Schule.
- Die Betreuung kann durch Familienmitglieder erfolgen, die nicht zur Risikogruppe zählen (eine Betreuung durch die Großeltern dürfte daher regelmäßig nicht zumutbar sein).
- Ein sorgeberechtigtes Elternteil arbeitet wegen Kurzarbeit nicht.
- Die Betreuung kann durch Abbau von Gleitzeit- oder Überstundenguthaben oder zumutbar durch Einsatz von Erholungsurlaub sichergestellt werden.
Der erwerbstätige Sorgeberechtigte muss gegenüber der zuständigen Behörde und auf Verlangen auch gegenüber dem Arbeitgeber belegen können, dass er keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen kann.
Wann liegt ein Verdienstausfall vor?
Der Entschädigungsanspruch besteht nur dann, wenn allein die Schließung oder das Betretungsverbot zu einem Verdienstausfall führen. Dies soll nach der Gesetzesbegründung nicht der Fall sein, wenn und soweit der Erwerbstätige bereits nach anderen gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen oder individualrechtlichen Grundlagen unter Fortzahlung des Entgelts oder einer der Höhe nach dem Entgelt entsprechenden Geldleistung der Arbeit fernbleiben kann. Dies soll z.B. der Fall sein, wenn dem Erwerbstätigen noch Zeitguthaben zustehen, die nach der Gesetzesbegründung vorrangig abzubauen sind.
Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung, z.B. nach § 616 BGB oder vorhandene Zeitguthaben schließen einen Entschädigungsanspruch mithin aus. Eine Verpflichtung zum Aufbau von Minusstunden dürfe hingegen nicht bestehen.
Ob und in welchem Umfang Arbeitnehmer Erholungsurlaub in Anspruch nehmen müssen, ist eine Frage der Zumutbarkeit. Mehrere Landesbehörden vertreten insoweit die Ansicht, dass Urlaub aus dem Vorjahr zur Sicherstellung der Kinderbetreuung einzusetzen sei. Auch bereits verplanter Urlaub, der sowieso während des Zeitraums der Schließung oder des Betretungsverbots in Anspruch genommen werden sollte, müsse zunächst in Anspruch genommen werden. Arbeitnehmer sollen dagegen nicht verpflichtet sein, ihren gesamten Jahresurlaub für das laufende Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, bevor sie den Entschädigungsanspruch geltend machen können.
In welcher Höhe und für welche Dauer wird eine Entschädigung gezahlt?
Die Entschädigung beträgt für jeden vollen Kalendermonat 67 % des monatlichen Nettoeinkommens, allerdings begrenzt auf einen monatlichen Betrag von 2.016 Euro. Die Entschädigung wird taggenau berechnet.
Die Entschädigung wird für den Zeitraum des Verdienstausfalls, längstens für sechs Wochen gewährt. Die gesetzliche Regelung gilt zudem nur bis zum 31.12.2020.
Wer zahlt die Entschädigung?
Der Entschädigungsanspruch besteht gegenüber dem Staat und ist bei der jeweils zuständigen Landesbehörde zu beantragen. Bei Arbeitnehmern erfolgt die Auszahlung allerdings durch den Arbeitgeber. Selbstständige müssen den Antrag selbst bei der zuständigen Behörde stellen.
Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Landesbehörde er-stattet. Hierfür muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Monaten bei der zuständigen Behörde einen entsprechenden Erstattungsantrag stellen, wobei bislang noch nicht alle Landesbehörden entsprechende Antragsformulare bereitgestellt haben.