Die anhaltende Corona-Krise hat zu einer Vielzahl von kurzfristigen Gesetzesänderungen geführt. Zuletzt ist der Gesetzgeber auch im Arbeitszeitrecht tätig geworden. Durch den am 28. März 2020 in Kraft getretenen § 14 Abs. 4 ArbZG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit in einem aktuellen und außergewöhnlichen Notfall, der bundesweite Auswirkungen hat, bundeseinheitliche und zeitlich befristete Ausnahmen vom ArbZG zu bestimmen. Von dieser Möglichkeit hat das BMAS nunmehr durch die COVID-19-Arbeitszeitverordnung vom 7. April 2020 (in Kraft seit dem 10. April 2020) Gebrauch gemacht.
Inhalt der Verordnung
Durch die COVID-19-Arbeitszeitverordnung werden für bestimmte Tätigkeiten bis zum 30. Juni 2020 in Bezug auf die Höchstarbeitszeiten, die Mindestruhezeiten sowie das grundsätzliche Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen Ausnahmen von den Vorgaben des ArbZG zugelassen. Erfasst sind dabei insbesondere Tätigkeiten in der Logistik, im (Einzel)Handel sowie im Krankenhaus- und Pflegebetrieb (die vollständige Liste der erfassten Branchen finden Sie in § 1 Abs. 2 der COVID-19-Arbeitszeitverordnung). Konkret sieht die Verordnung folgende Lockerungen vor:
- Möglichkeit der Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf bis zu 12 Stunden. Dies ist aber nur möglich, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen, einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Wie auch sonst im ArbZG, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich, also 48 Stunden wöchentlich, erfolgen. Trotz dieser Lockerungen darf die wöchentliche Arbeitszeit 60 Stunden nicht überschreiten. Etwas anderes gilt nur in „dringenden Ausnahmefällen“.
- Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewähren, ansonsten durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.
- Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Tätigkeit nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Die Vorgaben zur Verlängerung der täglichen werktäglichen Arbeitszeit gelten auch an Sonn- und Feiertagen, soweit nicht Ladenschlussgesetze entgegenstehen. Der Ersatzruhetag für eine Tätigkeit an einem Sonntag kann auch außerhalb von acht Wochen gewährt werden, er muss spätestens bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31. Juli 2020 gewährt worden sein.
Zu beachten ist, dass die Lockerungen hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit und der Ruhezeiten jeweils unter dem Vorbehalt stehen, dass es wegen der COVID-10-Epidemie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig ist, dass von den Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch gemacht wird.
Praxishinweise für Arbeitgeber
Arbeitgeber in den betroffenen Branchen können sich zwar über zusätzlichen Gestaltungsspielraum bei der Bewältigung der Corona-Krise freuen. Sie dürfen allerdings nicht aus dem Blick verlieren, dass die COVID-19-Arbeitszeitverordnung nicht auch bereits bestehende Grenzen aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag lockert. Diese Grenzen bleiben vielmehr bestehen und müssen vom Arbeitgeber beachtet werden. Das BMAS betont, dass der Arbeitgeber bei Inanspruchnahme der Lockerungen im besonderen Maße der ihm obliegenden Fürsorgepflicht nachkommen muss. Er hat daher stets zu prüfen und abzuwägen, ob eine Abweichung von den grundsätzlichen Vorgaben des Arbeitszeitrechts unter Berücksichtigung der Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes vertretbar ist. Der Arbeitgeber muss ggf. auch die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG berücksichtigen. Die COVID-19-Arbeitszeitverordnung hat außerdem keinen Einfluss auf den Arbeitsschutz nach anderen Gesetzen. So bleiben z.B. die Vorgaben des Mutterschutzgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes unberührt.
Die Lockerungen des Arbeitszeitrechts beinhalten also keinen „Freifahrtschein“ für den Arbeitgeber. Er muss vielmehr sorgfältig prüfen und analysieren, ob und in welchem Umfang er von den Lockerungen Gebrauch machen kann.