open search
close
Allgemein Corona Individualarbeitsrecht Vergütung

Corona Virus – Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen bei Entgeltreduzierungs-vereinbarungen

Print Friendly, PDF & Email

Wie wir in Teil 3 unserer Reihe „Alternative Maßnahmen zur Kurzarbeit in Zeiten von Corona“ dargestellt haben, kann die einvernehmliche Reduzierung der Vergütung eine Alternative zur Einführung von Kurzarbeit darstellen. Diese Maßnahme dürfte sich insbesondere für Mitarbeitergruppen anbieten, die eine Vergütung (wesentlich) oberhalb der für den Bezug von Kurzarbeitergeld maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze erzielen und/oder die als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3,4 BetrVG nicht in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrates und damit einer etwaigen Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit fallen.

Bei der konkreten Ausgestaltung einer Entgeltreduzierungsvereinbarung stellt sich eine Vielzahl von Einzelfragen, etwa nach Differenzierungsmöglichkeiten oder sinnvollen Anknüpfungspunkten für eine Befristung der Vereinbarung. Auf die aus unserer Sicht wichtigsten dieser Einzelfragen gehen wir im Folgenden ein.

Beachtung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes  

Zunächst kann sich im Zusammenhang mit der beabsichtigten Vereinbarung einer Entgeltreduzierung die Frage stellen, inwieweit eine Differenzierung zwischen Mitarbeitern bzw. Mitarbeitergruppen zulässig ist. Sobald eine Entgeltreduzierung nicht nur in Einzelfällen, etwa bei einer Handvoll „Spitzenverdienern“, beabsichtigt ist, man also nicht mehr von „echten“ Einzelmaßnahmen sprechen kann, ist der Arbeitgeber auch insoweit an den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Dieser lässt eine Differenzierung nur aus sachlichen Gründen zu. Ein sachlicher Grund könnte (in Anlehnung an die Anordnung von Kurzarbeit) beispielsweise die unterschiedliche Betroffenheit einzelner Betriebsabteilungen durch den Arbeitsausfall sein. Unter dem Aspekt der Existenzsicherung kann auch die vom Arbeitnehmer erzielte Vergütungshöhe ein zulässiges Differenzierungsmerkmal sein.

Zu beachten ist in jedem Fall, dass auch in Krisenzeiten eine Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit EUR 9,35 brutto pro Stunde nicht zulässig ist.

Auswirkungen auf andere Entgeltkomponenten

Vergütungsreduzierungen bieten sich in der Regel bezüglich der laufenden Festvergütung (d.h. des Stunden- oder Monatsentgeltes) an. Wird in Regelungen zu anderen Vergütungsbestandteilen auf die Festvergütung referenziert (entsprich bspw. der jährliche Zielbonus „30 % der Jahresfestvergütung“), stellt sich die Frage nach den Auswirkungen der Reduzierung der Festvergütung auf die anderen Vergütungsbestandteile. Als Grundregel ist dabei davon auszugehen, dass in derartigen Fällen für den jeweils relevanten Zeitraum die reduzierte Festvergütung maßgeblich ist. Selbstverständlich sind insoweit aber auch abweichende Gestaltungen bei Vereinbarung der Entgeltreduzierung möglich. Dies gilt etwa auch hinsichtlich der für etwaige Abfindungsberechnungen oftmals maßgeblichen Bruttomonatsvergütung. Insoweit dürfte sich zur Vermeidung von Missverständnissen auf Seiten der Belegschaft aber in der Regel anbieten, eine Regelung arbeitgeberseitig nicht proaktiv in eine Entgeltreduzierung einzubringen. Bei künftigen Sozialplänen sind die Betriebsparteien ohnehin frei bei der Bestimmung der Bezugsgröße.  

Wirkt sich die Entgeltreduzierung auch auf Entgelt unterhalb der Beitragsbemessungsgrenzen aus, können Entgeltreduzierungen überdies zu einer Minderung der Höhe der Leistungen der Sozialversicherung führen (etwa beim Bezug von Arbeitslosengeld oder Elterngeld).

Möglichkeiten der Befristung

Da einerseits Arbeitnehmer in der Regel allenfalls einer befristeten Entgeltreduzierung zustimmen werden, andererseits aber die erforderliche Dauer der Entgeltreduzierung schwerlich prognostizierbar sein kann, sollten alternative Gestaltungsmöglichkeiten zu einer starren kalendermäßigen Befristung in die Überlegungen einbezogen werden. Wird etwa im mitbestimmten Bereich mit der Anordnung von Kurzarbeitet gearbeitet, während mit den leitenden Angestellten eine Entgeltreduzierung vereinbart wird, mag es sinnvoll sein, deren Laufzeit an die Anordnung von Kurzarbeit im mitbestimmten Bereich zu koppeln. Auch andere Gestaltungen sind hier denkbar.

Fazit

Die einvernehmliche Reduzierung der Vergütung kann insbesondere für bestimmte Mitarbeitergruppen eine sinnvolle Alternative zur Anordnung von Kurzarbeit sein. Bei der konkreten Ausgestaltung besteht eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, wobei jedoch der arbeitsrechtliche Rahmen zu beachten ist. Auch dürften sich Arbeitnehmer in der Regel nur dann zur Vereinbarung einer Entgeltreduzierung bereit zeigen, wenn hierfür besondere Anreize geschaffen werden, etwa der – ebenfalls befristete – Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




Wir sind Deutsch­lands führende Spe­zi­al­kanz­lei für Arbeits­recht (bereits vier Mal vom JUVE-Handbuch als „Kanzlei des Jahres für Arbeitsrecht“ ausgezeichnet). Rund 70 erst­klas­sige Arbeits­rechts­exper­ten beraten Sie bundesweit von unseren Büros in Düs­sel­dorf, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg aus. Kompetent, persönlich und mit Blick für das Wesent­li­che. Schnell und effektiv sind wir auch bei komplexen und grenz­über­schrei­ten­den Projekten: Als einziges deutsches Mitglied von Ius Laboris, der weltweiten Allianz der führenden Arbeitsrechtskanzleien bieten wir eine erstklassige globale Rechtsberatung in allen HR-relevanten Bereichen.
Verwandte Beiträge
Allgemein Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Urlaub

Jahresendspurt 2023 – Was sollten Arbeitgeber jetzt noch beachten?

Spätestens seit Spekulatius und Weihnachtskekse wieder im Supermarkt zu finden sind, wissen wir: Das Jahr neigt sich dem Ende zu! Damit die Vorweihnachtszeit nicht (auch) arbeitsrechtlich mit Stress verbunden ist, sollte spätestens jetzt der arbeitsrechtliche Jahresausklang eingeläutet werden. Wir haben in der folgenden Checkliste die wichtigsten To-Dos für das Jahresende zusammengestellt und weisen auf gesetzliche Neuregelungen hin. 1. Hinweis auf Urlaubsverfall Das Jahr ist vorbei,…
Aufsichtsratberatung Compliance Neueste Beiträge

Vorstandsvergütung und Compliance – Hand in Hand?

Das US-Justizministerium („DOJ“) veröffentlicht seit Februar 2017 einen Leitfaden zur Bewertung von Compliancemaßnahmen bei der Strafverfolgung durch US-Behörden. Im März 2023 hat das DOJ den aktualisierten Leitfaden veröffentlicht, in dem es unter anderem die Implementierung von Malus- und Clawback-Regelungen in Vergütungssystemen fordert. Inwiefern kann das auch Unternehmen in Deutschland und ihr Vorstandsvergütungssysteme betreffen? Was fordert das DOJ? Das DOJ fordert Unternehmen in seiner Richtlinie dazu…
Individualarbeitsrecht Kollektivarbeitsrecht Neueste Beiträge

Gleiches Geld für alle?

Vergütung ist nicht (nur) Verhandlungssache. Dies dürfte spätestens seit dem Urteil des BAG vom 16. Februar 2023 zum „Equal Pay“-Grundsatz im Bewusstsein vieler Unternehmen sein (siehe hierzu auch unseren Video-Blog vom 23.2.2023). Was hingegen (häufig) nicht bekannt ist: Reine Verhandlungssache ist die Vergütung auch dann nicht, wenn der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz betroffen ist. Hebt das Unternehmen für einen Teil der Mitarbeiter die Vergütung an, muss es…
Abonnieren Sie den KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert