Inwieweit Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von ihrer Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung haben und in welchen Fällen diese sogar bezahlt zu erfolgen hat, hängt ganz wesentlich von den Einzelumständen ab. So ist danach zu differenzieren, ob der Arbeitnehmer selbst an Corona erkrankt ist, wegen eines Corona-Verdachts unter häuslicher Quarantäne steht oder aber der gesamte Betrieb durch behördliche Anweisung stillgelegt ist.
Insbesondere stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wann im Falle einer Quarantäne oder eines Beschäftigungsverbotes eine staatliche Entschädigungspflicht nach dem Infektionsschutzgesetz besteht und welches Verhältnis zu Entgeltfortzahlungsansprüchen besteht.
Beschäftigungsverbot und Quarantäne
Gemäß § 31 IfSG kann die zuständige Behörde insbesondere Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Dies gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht. Darüber hinaus können gem. § 30 IfSG Personen, die an Corona erkrank oder dessen verdächtig sind, „abgesondert“ werden, d. h. es kann über diese eine Quarantäne verhängt werden. Die Regelungen betreffen also nicht nur Personen, die positiv auf das Corona Virus getestet worden, sondern auch Personen, bezüglich derer nur ein Corona-Verdacht besteht.
Erleiden diese Personen aufgrund der vorgenannten Maßnahmen einen Verdienstausfall, besteht gem. § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG ein Anspruch auf Entschädigung. Die Entschädigung ist gem. § 56 Abs. 5 IfSG bei Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber längstens für eine Dauer von sechs Wochen auszuzahlen, wobei diese auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet wird.
Verhältnis zur Entgeltfortzahlung auf sonstiger Grundlage
Nicht ausdrücklich geregelt ist das Verhältnis der Entschädigungspflicht zu den gegen den Arbeitgeber gerichteten Entgeltfortzahlungsansprüchen. Die Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer einen „Verdienstausfall“ erleidet. Dies muss richtigerweise bedeuten: Solange der Arbeitnehmer noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch auf anderer Grundlage hat, greift der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht ein. Die Regelungen der §§ 56 Abs. 1, 5 IfSG sind also subsidiär gegenüber allen anderen Entgeltfortzahlungsansprüchen.
Ist der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt und infolgedessen arbeitsunfähig, hat für die Dauer der Erkrankung eine Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu erfolgen. Auch im Falle der Quarantäne-Situation ohne Erkrankung soll zunächst Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB (wegen vorübergehender Verhinderung) zu leisten sein. So hat etwa auch der Bundesgerichtshof in einer älteren Entscheidung im Fall eines angeordneten beruflichen Tätigkeitsverbots nach § 31 IfSG einen vorübergehenden und persönlichen Verhinderungsgrund angenommen, der den Arbeitgeber nach § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (BGH vom 30. November 1978 – III ZR 43/77). Ungeklärt ist jedoch, für welchen Zeitraum hier von einer „vorübergehenden“ Verhinderung gesprochen werden kann. Die vom BGH vorgeschlagene Dauer von bis zu sechs Wochen halten wir hier für wesentlich zu lang; überzeugender dürfte etwa eine Begrenzung auf 10 Tage sein.
Die Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG kommt jedoch nur in den Fällen zur Anwendung, in denen vereinzelt Arbeitnehmer unter Quarantäne gestellt werden oder ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird. Wird hingegen der gesamte Betrieb durch behördliche Anweisung zeitweise stillgelegt, dürfte dies nach der sog. Betriebsrisikolehre zu lösen sein. Bis zu einer gerichtlichen Klärung dieser Frage erscheint es dennoch für den Arbeitgeber ratsam, den Erstattungsanspruch nach § 56 Abs. 5 IFSG innerhalb der einzuhaltenden Frist von drei Monaten bei der zuständigen Behörde geltend zu machen. Aufgrund der unklaren Rechtslage gilt dies auch im Falle der gegen einzelne Arbeitnehmer verhängten Quarantäne.
Fazit
Eine Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG kann richtigerweise nur dann zum Tragen kommen, wenn der Arbeitnehmer keinen Entgeltfortzahlungsanspruch (mehr) gegen seinen Arbeitgeber hat. Entgeltfortzahlungsansprüche nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder auch § 616 BGB sind also vorrangig. Insbesondere hinsichtlich der (zeitlichen) Reichweite von § 616 BGB im Zusammenhang mit einer Quarantäne ist eine baldige Klarstellung durch die Arbeitsgerichte wünschenswert.