Im Rahmen des Bewerbungs- und Stellenbesetzungsverfahrens haben öffentliche Arbeitgeber meist strengere Vorgaben zu beachten als private Unternehmen. Von größter Bedeutung ist hier wohl der in Art. 33 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Bestenauslese, wonach jedem nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ein Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt zusteht. Daher muss der öffentliche Arbeitgeber ein Anforderungsprofil erstellen, welches für den Ablauf des Bewerbungsverfahrens verbindlich bleibt. Der private Arbeitgeber ist hingegen nicht verpflichtet, ein konkretes Anforderungsprofil zu erstellen; jedenfalls aber dürfte er hiervon später auch abweichen. Auch bei der Berücksichtigung von Schwerbehinderten werden an den öffentlichen Arbeitgeber (Definition in § 154 Abs. 2 SGB IX) zum Teil weitreichendere Verpflichtungen gestellt. Dazu nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Themen.
Beschäftigungspflicht und Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen
Ebenso wie der private Arbeitgeber unterliegt auch der öffentliche Arbeitgeber, der im Jahresdurchschnitt eine Belegschaftsgröße von mind. 20 Arbeitsplätzen aufweist, der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf wenigstens 5 Prozent seiner Arbeitsplätze (§ 154 Abs. 1 SGB S. 1 SGB IX) bzw. der Pflicht zur Beschäftigung von einem oder zwei schwerbehinderten Menschen je Monat (§ 154 Abs. 1 SGB S. 3 SGB IX). Andernfalls ist er zur Ausgleichsabgabe nach § 160 SGB IX verpflichtet. Auch treffen die Pflichten zum Zusammenwirken mit der Bundesagentur für Arbeit und den Integrationsämtern nach § 163 SGB IX den öffentlichen und privaten Arbeitgeber gleichermaßen. Gleiches gilt für die Vorgaben des § 164 SGB IX; private und öffentliche Arbeitgeber haben freie Arbeitsplätze möglichst mit arbeitslosen oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen zu besetzen und sich hierfür frühzeitig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung zu setzen.
Noch frühzeitigere Meldung bei der Arbeitsagentur
§ 165 SGB IX legt dem öffentlichen Arbeitgeber jedoch zusätzliche Pflichten in der Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit auf. Frei werdende, neu zu besetzende und neue Arbeitsplätze sind noch frühzeitiger von den Dienststellen zu melden (§ 165 S. 1 SGB IX). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Zeitpunkt des Ausscheidens bereits vorhersehbar ist (Erreichen der Altersgrenze, Kündigung mit längerer Kündigungsfrist etc.). Allerdings wird eine freie Stelle erst dann als solche gemeldet werden können, wenn die dafür erforderlichen Mittel im Haushalt vorhanden sind. Aus eben diesen haushaltsrechtlichen Gründen gilt die gesteigerte Meldepflicht des § 165 S. 1 SGB IX grundsätzlich auch erst dann, wenn der vakante Arbeitsplatz nicht vorrangig intern besetzt werden kann.
Einladung zum Vorstellungsgespräch
Weiterhin müssen Schwerbehinderte nach § 165 S. 3 SGB IX zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Auch diese Verpflichtung gilt ausschließlich nur für öffentliche Arbeitgeber, wie das BAG erst kürzlich in seiner Entscheidung vom 16.05.2019 (Az.: 8 AZR 315/18) bestätigt hat. Im Gegensatz dazu kann der private Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber etwa aufgrund seiner ungenügenden fachlichen Eignung nicht für den weiteren Bewerbungsprozess berücksichtigen und von einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch absehen.
Achtung: Auch der privaten Arbeitgeber darf einen schwerbehinderten Bewerber nicht wegen seiner Behinderung benachteiligen, §§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG, 164 Abs. 2 SGB IX. Wird daher z.B. entgegen der Vorgaben des § 164 SGB IX die Arbeitsagentur nicht eingeschaltet, so begründet dies die widerlegliche Vermutung einer Benachteiligung des Bewerbers wegen der Schwerbehinderung nach § 22 AGG und kann Entschädigungsansprüche des Bewerbers gegenüber dem (privaten) Arbeitgeber auslösen.
Bislang höchstrichterlich ungeklärt ist jedoch, ob die Einladungspflicht des § 165 S. 3 SGB IX auch bei einer internen Stellenbesetzung gilt. Die Formulierung in § 165 S. 1 SGB IX („nach erfolgloser Prüfung zur internen Besetzung“) lässt den Anschein erwecken, dass nur bei einer externen Ausschreibung die aus § 165 S. 3 SGB IX folgende Pflicht entsteht (so OVG Schleswig, Beschluss vom 29.10.2018, Az.: 2 MB 18/18). Das LAG Berlin-Brandenburg hat jedoch am 01.11.2018 (Az.: 21 Sa 1643/17) geurteilt, dass schwerbehinderte Bewerber auch dann zum Auswahlgespräch einzuladen sind, wenn es sich um eine intern ausgeschriebene Stelle handelt. Gegenständlich war hier allerdings die Vorgängerregelung des § 82 SGB IX in der Fassung bis zum 29.12.2016, in deren Satz 1 die Meldepflicht bei der Arbeitsagentur (heute § 165 S. 1 SGB IX) nicht an eine zunächst erfolgte Prüfung zur internen Besetzung geknüpft war. Hierzu hatte bereits das BVerwG in seinem Urteil vom 15.12.2015 (Az.: 2 A 13/10) eine Einladungspflicht bei internen Ausschreibungen verneint. Die Revision gegen das Urteil des LAG ist bereits beim BAG (Az.: 8 AZR 75/19) anhängig und soll voraussichtlich im April 2020 entschieden werden; mit etwas Glück nutzt das BAG diese Gelegenheit und bezieht in seiner Entscheidung auch zur aktuellen Rechtslage des § 165 S. 3 SGB IX richtungsweisend Stellung.
Grundsätzlich trifft den öffentlichen Arbeitgeber die Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nach § 165 S. 3 SGB IX nur dann, wenn der schwerbehinderte Bewerber in seiner aktuellen Bewerbung deutlich auf dessen Schwerbehinderung und den GdB (Grad der Behinderung) hingewiesen hat. Ist der Hinweis auf eine Schwerbehinderung lediglich in den Anlagen zur Bewerbung „versteckt“, reicht dies grundsätzlich nicht aus, um die vom Arbeitgeber zu beachtende Verfahrensvorschrift des § 165 S. 3 SGB IX auszulösen und etwaige Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche gem. §§ 22, 15 AGG zu begründen. Erfüllt die Bewerbung des schwerbehinderten Menschen jedoch alle notwendigen Voraussetzungen, so muss der öffentliche Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber auch dann zum Vorstellungsgespräch einladen, wenn sich bei Durchsicht der Bewerbungsunterlagen eindeutig ergibt, dass andere Bewerber besser geeignet sind. Denn nur, wenn der schwerbehinderte Bewerber ganz offensichtlich fachlich ungeeignet ist, kann die Einladung zum Vorstellungsgespräch nach § 165 S. 4 SGB IX unterbleiben.
Das scharfe Schwert des § 165 S. 3 SGB IX
Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber den deutlich erkennbar schwerbehinderten, aber geeigneten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, schlägt umgehend die Vermutungsregelung des § 22 AGG zu. Aus dem Verstoß gegen die Pflicht aus § 165 S. 3 SGB IX, die der Förderung der Beschäftigungschancen schwerbehinderter Menschen dienen soll, wird sogleich das Indiz hergeleitet, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung durch den Arbeitgeber vorliegt. Denn nach der Rechtsprechung des BAG ist diese Pflichtverletzung grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kein Interesse zu haben.
Achtung: Beim privaten Arbeitgeber ist die Nichtberücksichtigung eines schwerbehinderten Bewerbers im weiteren Bewerbungsverfahren für sich allein betrachtet noch kein Indiz für eine Diskriminierung. Dennoch muss natürlich alles vermieden werden, was als Indiz für eine Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber ausgelegt werden könnte.
Die Möglichkeit, den Pflichtverstoß durch eine nachträgliche Einladung auf Rüge des schwerbehinderten Bewerbers zu heilen, ist dem öffentlichen Arbeitgeber nicht eröffnet. Die Vermutung i.S.d. § 22 AGG kann allerdings durch den öffentlichen Arbeitgeber widerlegt werden. Insoweit muss dieser Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Zur Widerlegung der auf einen Verstoß gegen § 165 S. 3 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung bedarf es des Nachweises durch den (potentiellen) öffentlichen Arbeitgeber, dass
- ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Bewerbers ausschlaggebend waren und zudem
- die Ablehnungsgründe nicht die fachliche Eignung des Bewerbers betreffen.
Achtung: Der private Arbeitgeber wird die Vermutung dagegen auch durch einen Verweis auf eine fehlende fachliche Eignung stützen können (BAG, Urteil vom 20.01.2016, Az.: 8 AZR 194/14)
Vom BAG anerkannt sind hier insbesondere die Fälle, in denen der öffentliche Arbeitgeber im Auswahlverfahren nachweislich personalpolitische Erwägungen angestellt hat, die etwa auf Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit und eine nachhaltige Personalplanung abzielen (BAG, Urteil vom 20.01.2016, Az.: 8 AZR 194/14).