Die Versetzung von Arbeitnehmern ist ein Dauerbrenner und war bereits häufiger Thema in unserem Blog, zuletzt in unserem Beitrag vom 1. Oktober 2018. Auch wenn in der Rechtsprechung und der Literatur schon viel über die Voraussetzungen einer wirksamen Versetzung geschrieben wurde, so stellt sich häufig die Frage, was für Risiken ein Arbeitgeber trägt, wenn er einen Arbeitnehmer in unwirksamer Weise auf eine andere Position versetzt. Das BAG hatte in diesem Zusammenhang jüngst einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche aufgrund einer unwirksamen räumlichen Versetzung gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machte (BAG, Urteil vom 28.11.2019 – 8 AZR 125/18, Pressemitteilung Nr. 42/19).
Der Fall
Der Kläger ist bei der Beklagten seit einigen Jahren als Metallbaumeister beschäftigt und arbeitete zunächst am Betriebssitz der Beklagten in Hessen. Ab November 2014 versetzte die Beklagte den Arbeitnehmer „für mindestens 2 Jahre, ggf. auch länger“ in ihre Niederlassung in Sachsen. Der Kläger kam der Versetzung zwar nach, klagte jedoch gleichzeitig gegen diese. Das Hessische LAG erklärte die Versetzung im Mai 2016 für unwirksam, wobei der Kläger gleichwohl gemäß der Versetzung in der Zeit von Juni 2016 bis September 2016 weiter in Sachsen arbeitete. Sein Hauptwohnsitz lag zu dieser Zeit weiterhin in Hessen und er pendelte die Strecke zu seiner „neuen“ Arbeitsstelle in Sachsen wöchentlich mit seinem privaten PKW. Der Arbeitnehmer klagte sodann u.a. wegen Fahrtkostenerstattung für die Fahrten zwischen Juni 2016 und September 2016. Das stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts wurde sodann vom zuständigen LAG teilweise abgeändert und dem Kläger lediglich Reisekosten gemäß der Trennungsgeldverordnung (TGV) für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln alle zwei Wochen zugesprochen. Die Revision des Arbeitnehmers hatte Erfolg und das BAG urteilte, dass sich sein Reisekostenanspruch nach dem Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG) richtet und ihm insoweit ein Anspruch für jeden gefahrenen Kilometer mit seinem privaten PKW in Höhe von 0,30 EUR pro Kilometer zusteht.
Bindung an unwirksame Versetzung und Kostenrisiko des Arbeitgebers
Der Kläger machte Kosten für Fahrten geltend, die er unternommen hatte, nachdem ein Gericht bereits festgestellt hatte, dass die örtliche Versetzung von Hessen nach Sachsen unwirksam war. Es stellt sich auf den ersten Blick die Frage, ob nicht gegen den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach sprechen könnte, dass der Arbeitnehmer nach der gerichtlich festgestellten Unwirksamkeit der Versetzung dieser von sich aus nicht mehr hätte nachkommen müssen. Hierbei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BAG Arbeitnehmer nicht (auch nicht vorläufig) an Weisungen des Arbeitgebers gebunden sind, die außerhalb der Grenzen billigen Ermessens liegen (BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16). Inwieweit das BAG diesen Aspekt im vorliegenden Urteil näher diskutiert, kann noch nicht gesagt werden, da bisher nur eine Pressemitteilung zu dem Urteil vorliegt. Aus der Entscheidung der Vorinstanz lässt sich zumindest entnehmen, dass die Beklagte den Arbeitnehmer erst im Oktober 2016 darüber informiert hatte, dass er der örtlichen Versetzung nicht mehr Folge leisten müsse und wieder in Hessen eingesetzt wird. Auf die Frage, ob es eine Rolle spielt, dass die Versetzung von einem Gericht bereits als unwirksam bewertet wurde, geht das Gericht nicht ausdrücklich ein. Umso deutlicher geht aus dem Urteil der Vorinstanz hervor, dass Fahrtkosten generell als Schadensposten im Falle der unwirksamen Versetzung gelten, und zwar unabhängig davon, dass die Fahrt zum Arbeitsplatz vom Arbeitgeber ja grundsätzlich nicht zu vergüten ist. Als Maßstab für die Fahrtkosten dienen laut BAG zudem nicht die Regelungen der Trennungsgeldverordnung, die u.a. eine Vergütung von Kosten für öffentliche Verkehrsmittel vorsieht und welche die Vorinstanz mit Blick auf die Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers anwendete. Das BAG geht vielmehr davon aus, dass die Regeln des JVEG einschlägig sind und die wöchentlichen Fahrtkosten in Höhe von 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer zu kompensieren sind.
Hinweise für die Praxis
Im Falle der örtlichen Versetzung ist genau zu prüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Sofern der Arbeitnehmer der Weisung Folge leistet und im Nachgang gerichtlich festgestellt wird, dass die Versetzung unwirksam ist, kann der Arbeitnehmer (auch für den Zeitraum nach gerichtlicher Feststellung der Unwirksamkeit) Fahrtkosten in Höhe von 0,30 pro gefahrenen Kilometer geltend machen. Zu beachten sind zudem etwaige weitere Schadensersatzansprüche, z.B. für eine Zweitwohnung.