Um einen Personalabbau konfliktarm und sozialverträglich zu gestalten, greift die Personalpraxis gern zu sog. Freiwilligenprogrammen, bei denen betriebsbedingte Kündigungen durch den Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen vermieden werden. Die Einbindung derartiger Programme in eine Massenentlassung nach § 17 KSchG bringt jedoch Herausforderungen mit sich. Mit einer sorgfältigen Vorbereitung lassen sich vorhandene Risiken minimieren.
Aufhebungsvereinbarung als Entlassung
Warum Freiwilligenprogramme vorteilhaft sind und wie sie sich sinnvoll in eine Restrukturierung einbinden lassen, haben wir bereits in vergangenen Beiträgen erläutert. Besondere Betrachtung bei diesen Programmen verdient aber die ordnungsgemäße Einbindung in das Massenentlassungsverfahren nach § 17 KSchG.
Bekanntlich umfasst der Begriff der „Entlassungen“ nicht nur Kündigungen des Arbeitgebers. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 KSchG sind alle arbeitgeberseitigen Beendigungen des Arbeitsverhältnisses erfasst, somit auch Aufhebungsvereinbarungen. Die Frage, ob eine Aufhebung durch den Arbeitgeber veranlasst wurde, hängt von den Umständen des Einzelfalls an, wird aber bei einem arbeitgeberseitig aufgesetzten Freiwilligenprogramm im Rahmen eines Stellenabbaus oft naheliegen. Spätestens wenn der Arbeitnehmer Trennungskandidaten individuell angesprochen hat, liegt eine derartige Veranlassung vor (BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 119/14)
Weniger eindeutig ist die Bewertung bei einem oft als „Matching“ beschriebenen Verfahren, bei dem der Arbeitgeber abzubauende Stellenvolumina deklariert und sich Arbeitnehmer eigenständig überlegen und entscheiden können, ob sich auf dieses Matching melden (mit der Folge, dass der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag vorzulegen hat). Auch hier aber liegt eine (jedenfalls vorsorgliche) Einbeziehung in den Kreis der Entlassungen nahe.
Gestaltung eines reinen Freiwilligenprogramms
Bereits ein reines Freiwilligenprogramm ohne parallel oder zeitversetzt laufende Kündigungen stellt gewissen Herausforderungen für das Massenentlassungsverfahren. Unterlaufen dem Arbeitgeber in dem Verfahren Fehler, droht die Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung. Dass sich ein einvernehmlich ausgeschiedener Arbeitnehmer später auf die Unwirksamkeit beruft und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangt, ist erfahrungsgemäß wenig wahrscheinlich. Um Risiken zu minimieren, ist dennoch eine sorgfältige Planung erforderlich.
Zu beachten ist zunächst wie bei jeder Massenentlassung die Konsultation mit dem Betriebsrat – sowie nach neuster Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg auch mit der Schwerbehindertenvertretung . Da vor dem Start des Freiwilligenprogramms noch nicht im Einzelnen klar ist, welche Arbeitnehmer letztlich ausscheiden, kann der Arbeitgeber in diesem Rahmen nur die betroffenen Stellen bzw. Berufsgruppen benennen. Da § 17 Abs. 2 KSchG keine Informationen über die im Einzelnen ausscheidenden Mitarbeiter vorgibt (sondern nur über die Auswahlkriterien), ist dies aber unbedenklich. Etwaigen Bedenken gegen eine nicht vollständige Unterrichtung (weil z.B. die einzelnen Berufsgruppen noch nicht abschließend identifiziert sind) sollte der Arbeitgeber wenn möglich mit einer Bestätigung des Betriebsrats begegnen, abschließend und ausreichend informiert worden zu sein. Eine erneute Konsultation mit dem Betriebsrat, nachdem sämtliche Austrittskandidaten feststehen, mag zwar in der Theorie wünschenswert sein, ist aber in der Praxis nicht praktikabel.
Schwierigkeiten bereitet schließlich bisweilen die Beachtung des 30-Tages-Zeitraums, der für die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG zu beachten ist. Auch wenn eine allgemein gültige Handlungsanweisung für das Vorgehen nicht möglich ist, können die folgenden Ansätze zur Vermeidung von Fehlern helfen:
- Ist unklar, ob ein Kandidat eine Aufhebungsvereinbarung unterschreiben wird, sollte der Arbeitgeber die Versendung der Vereinbarung ohne eigene Unterschrift erwägen. Die „Entlassung“ i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 2 KSchG ist dann erst die Gegenzeichnung nach Rücksendung des Arbeitnehmers. Vorher kann der Arbeitgeber den 30-Tages-Zeitraum prüfen und ggf. mit der Gegenzeichnung warten;
- Von der Möglichkeit, Entlassungen noch 90 Tage nach Einreichung der Anzeige durchzuführen (§ 18 Abs. 4 KSchG) sollte großzügiger Gebrauch gemacht werden – indem z.B. die Kandidaten für eine möglicherweise erforderlich werdende „zweite Welle“ schon im ersten Schritt mit aufgenommen werden.
- Wie bei der Grundentscheidung über die Einreichung der Anzeige gilt: Lieber eine Anzeige zu viel als zu wenig einreichen.
Kombination von Freiwilligenprogramm und Kündigungen
Komplexer wird die Beachtung des Verfahrens nach § 17 KSchG, wenn ein Freiwilligenprogramm an den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen anschließt. Hier droht bei Fehlern die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen (vgl. den anschaulichen Fall des BAG vom 19.3.2015 – 8 AZR 119/14; ). In der Theorie bietet sich eine Aufspaltung von Freiwilligenprogramm und betriebsbedingten Kündigungen in zwei separate Phasen mit jeweils eigenständigem Verfahren nach § 17 KSchG an. In der Praxis wird das Freiwilligenprogramm jedoch oft noch in die Kündigungsphase hinein durchgeführt, um möglichst viele Trennungen einvernehmlich durchzuführen.
Das größte Risiko ist in diesem Falle eine späte und unerwartete Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags innerhalb des 30-Tages-Zeitraums des § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG, der die zuvor ausgesprochenen Kündigungen rückwirkend anzeigepflichtig macht. In diesem Falle wären die Kündigungen unwirksam. Ein allgemein gültiges Procedere, um derartige Fehler zu vermeiden, existiert leider wiederum nicht. Das Risiko lässt sich aber z.B. durch folgende Ansätze reduzieren:
- Wird der Ausspruch von Kündigungen und der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen von verschiedenen Personen koordiniert, ist eine laufende Abstimmung (am besten durch „live tracker“) unumgänglich;
- Wie oben kann die Versendung nicht unterzeichneter Vereinbarungen helfen, den 30-Tages-Zeitraum besser kontrollieren zu können.
- Auch wenn der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen zwangsläufig auf individuelle Umstände Rücksicht nehmen muss, sollte der Arbeitgeber zur Vermeidung von Komplexitäten mehrere „Wellen“ definieren, zu denen eine größere Zahl von Vereinbarungen vorbereitet wird. Reicht der Arbeitgeber hierzu die Anzeige ein, bleiben in allen Fällen 90 Tage Zeit, die Vereinbarung abzuschließen.