„Eine Befristung nach Satz 1 [sachgrundlose Befristung] ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“ So hat der Gesetzgeber das sog. Anschlussverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG geregelt. Jedenfalls seit Anfang dieses Jahres ist jedoch wieder unklar, was darunter im Konkreten zu verstehen ist. Und zum Übel aller Arbeitgeber sind bei der konkreten Ausgestaltung einer (erneuten) sachgrundlosen Befristung zusätzlich die Grenzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB zu berücksichtigen.
„Zuvor“
Was in dem, auf den ersten Blick so unscheinbaren, Wörtchen „zuvor“ tatsächlich für Musik steckt, zeigt sich erst in der praktischen Handhabung. Lange Zeit schien alles rechtssicher, da die Auslegungsschwierigkeiten durch die Befristungsrechtsprechung des BAG seit dem Urteil vom 06.04.2011 (7 AZR 716/09) beseitigt schienen. Eine frühere Beschäftigung war insoweit unschädlich, wenn sie mehr als drei Jahre zurücklag. Das BVerfG sah darin jedoch eine Überschreitung der Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung und kassierte mit Beschluss vom 06.06.2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) die bisherige Rechtsprechung des BAG. Über die Einzelheiten der Entscheidung haben wir bereits in unserem Beitrag vom 14.06.2018 berichtet.
Anfang des Jahres hatte nachfolgend auch das BAG die Gelegenheit, die vom BVerfG gesetzten Grenzen anzuwenden. Mit Urteil vom 23.01.2019 (7 AZR 733/16) vollzog das BAG eine Rechtsprechungsänderung. Eine starre zeitliche Begrenzung des Verbots der sachgrundlosen Befristung gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG existiert fortan nicht mehr. Jedoch müsse im Einzelfall der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungskonform eingeschränkt werden. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung könne, so das BAG in Übereinstimmung mit dem BVerfG, u.U. unzumutbar sein, wenn:
„seine Anwendung für die Beteiligten unzumutbar wäre, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.“
Nach drei aufgestellten Kriterien könne dies insbesondere dann der Fall sein, wenn
- eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,
- ganz anders geartet war oder
- von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Was dies nun im Konkreten bedeutet bleibt jedoch weiterhin offen. Die Kriterien „anders geartet“ und „von sehr kurzer Dauer“ lassen sich hierbei wohl noch am ehesten auf den Einzelfall anwenden. Wann jedoch eine Vorbeschäftigung „sehr lange zurückliegt“ ist bisher ungeklärt und zu pauschal formuliert, um praktisch handhabbar zu sein. Das BAG jedenfalls hat in dem zu entscheidenden Fall aus Januar 2019 eine sachgrundlose Befristung für unzulässig erklärt, bei dem eine Vorbeschäftigung von 1,5 Jahren Dauer bereits 8 Jahre zurücklag und vergleichbare Aufgaben zum Gegenstand hatte.
Nach der derzeitigen Tendenz ist jedoch davon auszugehen, dass dies eine Einzelfallentscheidung ist. Ein anzusetzender Richtwert, welcher das Vorbeschäftigungsverbot rechtssicherer und handhabbarer macht, kann hierin wohl nicht gesehen werden.
„Demselben Arbeitgeber“
Weniger Schwierigkeiten bereitet dagegen die Bestimmung desselben Arbeitgebers. Wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31.01.2019 (21 Sa 936/18) aufzeigt, kann jedoch eine erneute sachgrundlose Befristung bei einem anderen Arbeitgeber dennoch wegen rechtsmissbräuchlicher Gestaltung und Umgehung des Anschlussverbots unzulässig sein.
Die Klägerin war als technische Assistentin beim Forschungsverbund sachgrundlos befristet beschäftigt. Dieser betrieb mit der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, eine Arbeitsgruppe in einem gemeinsamen Labor. Dieser Arbeitsgruppe gehörte auch die Klägerin an. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Forschungsverband, wechselte die Klägerin zur Beklagten und wurde dort weiterhin auf Basis eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages in der Arbeitsgruppe eingesetzt. Das ArbG Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg sahen in der Befristungsabrede mit der Beklagten zwar keinen Verstoß gegen das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, jedoch wurde das Anschlussverbot durch die konkrete Vertragsgestaltung in rechtsmissbräuchlicher Weise umgangen. Denn die kooperierenden Forschungsträger seien rechtlich und tatsächlich miteinander verbunden. Zudem schloss sich das befristete Arbeitsverhältnis nahtlos an das zuvor schon seit mehr als drei Jahren bestehende befristete Arbeitsverhältnis an und die Klägerin wurde auf demselben Arbeitsplatz, unter dem Weisungsrecht desselben Leiters der Arbeitsgruppe, zu gleichbleibenden Arbeitsbedingungen beschäftigt. Damit stützt das LAG sich auf die ständige Rechtsprechung des BAG, nach der es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (u.a. BAG Urt. v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12). Mithin stand für das LAG fest, dass der Arbeitgeberwechsel nur erfolgte, um eine sachgrundlose Befristung zu ermöglichen. Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BAG unter dem Aktenzeichen 7 AZN 403/19 anhängig.
Ausblick
Ähnlich erfolgreiche Versuche, wie im obigen Fall des LAG Berlin-Brandenburg, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auszuhebeln, sind zukünftig wohl denkbar und werden die Arbeitsgerichte beschäftigen. Es bedarf daher dringend eines Tätigwerdens des Gesetzgebers. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Obergrenze für sachgrundlose Befristungen von max. 2,5 % in Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten wird zum Teil sehnlichst erwartet. Auch eine Begrenzung der Maximaldauer der sachgrundlosen Befristung auf 18 Monate sowie die Eindämmung von Kettenbefristungen war vorgesehen (siehe hierzu auch unseren Beitrag vom 08.02.2018). Ein Gesetzesentwurf liegt derzeit noch nicht vor; ist aber für Herbst angekündigt. Eine gesetzliche Neuregelung würde die Praxis sicher bereichern und mehr Rechtssicherheit schaffen. Es bleibt jedoch abzuwarten ob und inwieweit der Gesetzgeber auch die mit dem Urteil des BVerfG eingetretenen Schwierigkeiten in der Handhabung des Anschlussverbots beseitigen wird und Rechtsklarheit bringt.